Frankreich führt eine existenzielle Debatte: Wie lang darf ein Baguette sein?

Lang, länger, Baguette – stimmt diese französische Urformel noch? Anti-Wegwerf-Aktivisten haben die Antwort.

Nicht nur eine Stilfrage: Wie weit darf das Stangenbrot aus dem Louis Vuitton-Sack herausragen?

Nicht nur eine Stilfrage: Wie weit darf das Stangenbrot aus dem Louis Vuitton-Sack herausragen?

«Nichts hat mehr Bestand!», ärgerte sich ein wackerer Bürger, als er von einem Fernsehteam zur Idee der Umweltvereinigung Too good to go befragt wurde. Sie hat einen revolutionären Vorschlag: Das Baguette-Brot soll kürzer werden. Laut einer Studie der Organisation werfen sechs von zehn Baguette-Essern Teile des rasch verhärteten Brotes fort. 41 Prozent tun dies mindestens einmal im Monat.

An sich sind die Französinnen und Franzosen durchaus auf das Wegwerfen von Esswaren sensibilisiert. Seit 2016 verpflichtet ein französisches Gesetz zum Beispiel grössere Supermärkte, Nahrungsmittel mit Verfalldatum an Hilfswerke abzugeben oder auf ähnliche Weise zu verwerten.

Als sich die Fernsehteams vor den Boulangerien umhörten, gaben die meisten Befragten zu, dass bei ihnen öfters ein Baguette-Stumpf im Kehricht lande. Ist es da nicht naheliegend, das Baguette um einige Zentimeter zu verkürzen?

Behördliche Vorschrift

Heute misst das französische Stangenbrot, das die Unesco vor drei Jahren zum Weltkulturerbe erklärt hat, rund 60 Zentimeter. Das ist aber eine blosse Tradition und keine behördliche Vorschrift. Reglementiert ist in Frankreich einzig der Inhalt des Baguette: Weizenmehl, Hefe, Salz und Wasser.

Für Puristen kommt es indessen nicht in Frage, das leicht säuerliche Knusperbrot um seine sichtbarste Eigenschaft zu bringen – seine stolze Länge. «Warum nicht gleich den Eiffelturm halbieren?», fragen sie erbost. Andere verweisen auf die Alternativen wie die halb so schwere «Ficelle», die regional unterschiedliche «Flûte» oder die «Demie», die vom Bäcker noch vor Ort halbiert wird. Für das Abendessen en famille ist das aber oft zu wenig. Nur das Baguette tut es.

To Good to go hat eingesehen, dass ihr Vorschlag kaum ankommt. Die Direktorin Mélayne Rabot erinnert aber die Konsumenten daran, dass das sakrosankte Stangenbrot auch hart geworden verwendbar sei – als Paniermehl, Suppen-Croûtons oder «pain perdu», auch Armer Ritter genannt. Und wie die Anti-Wegwerf-Organisation festhält, lohnt sich die Anstrengung eines und einer jeden – bei täglich 30 Millionen verkauften Baguettes.