Neue Regeln in den USA
Je korrupter Trump vorgeht, desto mehr ist er geschützt
Von Roland Peters, New York
14.05.2025, 20:52 Uhr
Wie soll man es nennen, wie Donald Trump als US-Präsident vorgeht? Rücksichtslos? Selbstbereichernd? Korrupt? In seiner zweiten Amtszeit sind die Grenzen zwischen Amt und Geschäftsinteresse eindeutig fließend. Manchmal verschwinden sie.
Auf seiner ersten großen Auslandsreise ist US-Präsident Donald Trump im Nahen Osten unterwegs, in Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Er wird empfangen wie ein König. Saudi-Arabien ließ sogar die Musik seiner Rallys abspielen. Seine Rede bei einem dortigen Investitionsgipfel wurde mit „God Bless the USA“ eingeleitet und endete, in der islamischen Monarchie nicht weniger als bemerkenswert, mit der früheren Homosexuellen-Hymne „YMCA“. Trump und sein Gastgeber schüttelten sich dabei für Fotos die Hände.
Auf dem mehrtägigen Trip wird erneut deutlich: Die Grenzen zwischen Regierungsarbeit, Wirtschaftspolitik und eigenem Profit sind in Trumps Weißen Haus mindestens fließend, wenn nicht bereits verschwunden. Er macht Geschäfte im Ausland, auch mit Autokraten und Königen und unabhängig davon, wie Staatschefs regieren. Trumps persönliche Interessen und die der USA vermengen sich, er geht offen private Deals mit anderen Regierungen ein, die so auch persönlichen Einfluss auf seine politischen Entscheidungen nehmen könnten. Näher beschrieben haben wir seine Verflechtungen mit den Staaten im Nahen Osten an anderer Stelle.
Seit Trump im Amt ist, sind über seine Krypto-Geschäfte aus dem Ausland bereits Milliarden Dollar in seine Taschen und die seiner Familie geflossen. Es gibt bislang kein explizites Gesetz dagegen, aber warum sollte etwas für einen Amtsinhaber erlaubt sein, was im Wahlkampf bereits verboten ist? Auch im eigenen Land verschwinden die Grenzen zwischen Amt, Trumps Eigeninteresse und möglicher Einflussnahme immer wieder.
Neue Zeitrechnung seit Urteil des Supreme Court
In seiner zweiten Präsidentschaft muss Trump nicht besonders vorsichtig sein. Kein US-Staatschef vor ihm war so geschützt wie er, das ist die Folge des Immunitätsurteils des Supreme Court im vergangenen Jahr. Die Folgen dieser Entscheidung sind in Echtzeit zu beobachten. Denn solange Trump behaupten kann, er habe im Rahmen seiner Präsidentschaft gehandelt, sind er und seine Verbündeten auch vor der Justiz sicher. Anders gesagt: Je lückenloser Trump seine Interessen mit dem Amt verquickt, desto besser ist er geschützt. Also setzt er so seine Macht ein, Korruption und Kleptokratie werden Teil des Systems. Einige Beispiele.
- Große Anwaltskanzleien, die Demokraten und NGOs in Fällen gegen Trumps Regierung vertreten, wollte der Präsident per Dekret die Zugänge zu Behörden verbauen und ordnete Ermittlungen der Staatsanwaltschaft an. Statt vor Gericht zu ziehen, knickten manche Kanzleien ein, eine davon garantierte Trump Gratisdienste im Wert von Dutzenden Millionen Dollar.
- Trump darf als Präsident Begnadigungen aussprechen und geht damit sehr großzügig um. Das bekannteste Beispiel: Sämtliche Urteile gegen die 1500 Aufständischen des 6. Januar 2021, als seine Anhänger das Kapitol stürmten und den Vizepräsidenten sowie andere Politiker jagten, hob Trump am ersten Tag seiner Amtszeit auf. Das ist ein Signal: Treue zu mir ist wichtiger als die zum Gesetz. Trump hat auch eine Begnadigungs-Sonderbeauftragte ernannt, Anwälte und Lobbyisten tummeln sich in Washington, um ein präsidentielles Pardon zu erheischen. Manche waren bereits erfolgreich, viele weitere werden folgen, schreibt das „Wall Street Journal“: „Trump hat den Begnadigungsprozess in den Wilden Westen verwandelt.“
- Der Republikaner ist nicht nur Immobilien-, sondern inzwischen auch Krypto- und Medienunternehmer. Konkurrenten, die kritisch über ihn oder angeblich zu vorteilhaft über seine politischen Rivalen berichten, überzieht er mit Klagen, verbreitet Lügen über sie, droht ihnen mit Lizenzentzug. Da er im Weißen Haus sitzt und damit am längsten Hebel, lenken manche ein, um ihr Geschäft nicht noch mehr zu schädigen. Der Nachrichtensender ABC News, der zum Disney-Konzern gehört, zahlte Trump nach seinem Wahlsieg außergerichtlich eine Entschädigung, auch Facebooks und Instagrams Mutterkonzern Meta einigte sich mit ihm.
- Trump verklagte die Mediengruppe Paramount auf 20 Milliarden Dollar Schadenersatz wegen eines im Wahlkampf 2024 angeblich manipulativ geschnittenen Interviews mit Kamala Harris, der Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Pikant: Zugleich prüft die verantwortliche Behörde FCC – deren Chef von Trump ausgetauscht wurde -, ob sie einer von Paramount angestrebten Fusion mit der Produktionsgesellschaft Skydance zustimmt. Laut US-Medienberichten versucht Paramount, sich mit Trump außergerichtlich zu einigen und ihm einen Teil der geforderten Summe zu zahlen. Und das, obwohl die Klage vermutlich vollkommen haltlos ist – der Vorwurf dürfte sich mit Verweis auf die Presse- und Meinungsfreiheit in Luft auflösen.
- Es ist möglich, sich mit Geld mindestens den Zugang zum Weißen Haus und sogar mehr zu erkaufen. Für 500.000 US-Dollar Aufnahmegebühr bieten Trumps Söhne in Washington eine Mitgliedschaft im Privatclub „Exekutive“ an. Angeblich ist das Interesse groß, aber eine Einladung ist nötig. Mitglieder sind unter anderen Trumps Krypto-Sonderbeauftragter David Sacks und weitere Köpfe der Tech-Welt. Bei der Eröffnungsparty waren auch Außenminister Marco Rubio und einige CEOs anwesend. Auf Privatsphäre wird großen Wert gelegt, damit von den Gesprächen nichts nach außen dringt.
- Ähnlich setzt der Präsident seine eigene Krypto-Währung „$TRUMP“ ein. Manche Investoren möchten sich damit Einfluss auf Trump erkaufen, berichtet die „New York Times“. Der Präsident hat offenbar nichts dagegen: Den 220 Käufern, die das meiste Geld in seinen Memecoin investieren, hat er ein Gala-Abendessen in Mar-a-Lago versprochen. Den Top 25 sogar direkten Zugang zu ihm selbst und ins Weiße Haus.
- Die chinesische Firma „GD Culture Group“, die für vergangenes Jahr keinen Umsatz meldete und nur auf der chinesischen Social Media Plattform TikTok aktiv ist, erhielt zuletzt über einen Aktienverkauf in der Steueroase British Virgin Islands eine enorme Finanzspritze. Das mysteriöse Unternehmen kündigte an, 300 Millionen Dollar in Bitcoin und $TRUMP zu investieren. Es ist unklar, woher das Geld kommt. Wegen des Einflusses der chinesischen Regierung und Risiken für die nationale Sicherheit beschloss der Kongress im vergangenen Jahr, TikTok zu verbieten. Trump zögert dies bislang mit Dekreten hinaus.
- Im April kündigte das mexikanische Transportunternehmen Fr8Tech an, 20 Millionen Dollar für Trumps Memecoin auszugeben, um „für einen fairen, ausgewogenen und freien Handel zwischen Mexiko und den USA einzutreten“. Sind Zollausnahmen etwa käuflich? In Trumps erster Amtszeit gab es dafür einen offiziellen Weg, jedes Unternehmen konnte eine Ausnahme beantragen. Dieses Mal findet all dies hinter verschlossenen Türen statt – was sie für eine Günstlingswirtschaft öffnet.
- Apropos Zölle: „ES IST EINE GROSSARTIGE ZEIT, UM ZU KAUFEN“, ließ Trump im April über die sozialen Medien wissen, ein paar Stunden vor einer Zollsenkung, welche die Börsenkurse nach oben schießen ließ. Danach prahlte der Präsident im Oval Office, der Investmentbanker Charles Schwab habe seinetwegen 2,5 Milliarden Dollar verdient, ein weiterer Investor 900 Millionen Dollar. Seit 2012 ist Insiderhandel explizit auch Kongress- und Regierungsmitgliedern untersagt. Die Beweiskette wäre denkbar einfach: Kauften Regierungsmitglieder und -berater an den Börsen vor Trumps Ankündigung der Zollsenkung oder danach? Über eine offizielle Ermittlung ist nichts bekannt.
„Wir erleben einen revolutionären Wandel, eine umfassende Abkehr von der Transparenz und Verantwortlichkeit, welche die meisten modernen Demokratien vorschreiben, und eine Hinwendung zu den undurchsichtigen Gewohnheiten und korrupten Praktiken der autokratischen Welt“, schreibt über Trumps Vorgehen die Autorin Anne Applebaum, die in ihrem Buch „Autocracy, Inc.“ die internationalen Geschäfte solcher Staaten beschrieben hat. Was Trump auch macht, hat es eine politische und häufig auch wirtschaftliche Dimension. Im Fall der Zölle mit Auswirkungen auf die ganze Welt.
Es geht ums Geld
In den nun bereisten Ländern kann seine Trump Organization praktischerweise an mehreren Großprojekten gut verdienen: US-Medien berichten von sechs Immobilienprojekten mit einer saudischen Firma, einem Kryptowährung-Deal mit einer staatlichen Firma der VAE sowie ein Golfkurs und Luxusvillenprojekt, an dem Katars Regierung beteiligt ist. Eines davon wurde erst vor zwei Wochen angekündigt.
Von Katar soll Trump auch ein Luxusflugzeug im Wert von 400 Millionen Dollar erhalten, laut Trump ohne Gegenleistung. Der „fliegende Palast“ könnte zur Air Force One umgebaut werden. Die Entscheidung ist bislang nicht endgültig gefallen, aber die Verfassung ist in diesem Fall eindeutig: Amtsinhabern ist untersagt, Geschenke „jeglicher Art eines Königs, Prinzen oder ausländischen Staats“ anzunehmen. Die US-Medien berichten über diesen Fall ausführlich und kritisch, sogar aus Trumps MAGA-Universum kommt Gegenwind. Bislang lässt sich der Präsident nicht beirren und behauptet, das Flugzeug erhalte ja das Verteidigungsministerium, nicht er persönlich.
Trump, seine Familie und wer sich mit ihnen gut stellt oder dafür bezahlt, dürfen Geld verdienen, die anderen müssen die Rache des Weißen Hauses fürchten. Wer sich mit ihm verbündet, profitiert. Durch das Immunitätsurteil ist er geschützt wie kein Präsident je zuvor. Was bei seinen Vorgängern eine handfeste Regierungskrise und Ermittlungen im Kongress auslöste oder ausgelöst hätte, fließt in der zweiten Amtszeit des Republikaners größtenteils im permanenten Nachrichtenstrom vorbei.