Amerikas schlaueste Köpfe haben genug gesehen. Seit seinem Amtsantritt hat Donald Trump wahr gemacht, was er im Wahlkampf versprochen hatte – und der Elite im Land den Krieg erklärt. Nun treten die ersten den strategischen Rückzug an.
Die beiden renommierten US-Historiker Timothy Snyder und Marci Shore (53, Snyders Frau) sowie Faschismus-Forscher Jason Stanley (55) verlassen die berühmte Yale-Universität. Ihr Ziel: ausgerechnet Kanada – das Land, das Trump am liebsten als 51. Bundesstaat einverleiben würde. Ihre Auswanderungspläne sorgen für Schlagzeilen. Denn sie gehen, weil sie die Freiheit der Forschung in Gefahr sehen. Und auch ihre persönliche Freiheit.
US-Historiker Timothy Snyder (55) kehrt den USA den Rücken und geht nach Kanada
Foto: U. Baumgarten via Getty Images
▶︎ Glaubt man einer Umfrage des Magazins „Nature“ unter 1608 Wissenschaftlern in den USA, werden die drei Top-Wissenschaftler nicht die einzigen Wegzügler bleiben. Zwei Drittel der Befragten (75,3 Prozent) gaben an, ebenfalls mit dem Gedanken ans Auswandern zu spielen.
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Den USA droht ein sogenannter Braindrain – ein Verlust von Spitzen-Talenten aus Wissenschaft und Forschung. Trump hat sie verschreckt, indem er ihnen die Förderung strich, ihre Sprache säuberte und mit Sanktionen drohte, wenn sie gegen die Willkür protestieren.
Deutschland wirbt um US-Superhirne
Zahlreichen ausländischen Wissenschaftlern droht sogar die Ausweisung – jüngstes Beispiel ist die Russin Kseniya Petrova, die an der Harvard Medical School forschte, bis sie Mitte Februar plötzlich in Abschiebehaft landete. Nun wachsen die Zweifel, ob selbst die privaten Elite-Universitäten noch in der Lage sind, ihre ausländischen Dozenten zu schützen.
Ksenia Petrova forschte vor ihrer Festnahme in Boston an der Harvard Medical School
Foto: privat
▶︎„Das, was hier passiert, mindert die Attraktivität des Forschungsstandorts Amerika“, sagte der deutsche Gast-Forscher an der Universität von Georgetown, Thomas Zimmer (42), dem Deutschlandfunk. „Es gibt jetzt eine breite Suche nach Alternativen.“
Gerade Nachwuchsforscher (laut „Nature“-Umfrage erwägen 548 von 690 Postdoktoranden den Wegzug aus den USA) blicken inzwischen nach Europa – und Frankreich warb zuerst ganz offen um sie. Allein auf das Forschungsangebot „Safe Place for Science“ der Universität Aix-Marseille meldeten sich bis Anfang März hundert US-Wissenschaftler auf nur 15 Stellen.
Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer (56), will US-Talente nach Deutschland holen
Foto: picture alliance/dpa
Und Deutschland? Will mitmischen beim „Brain Gain“ (zu Deutsch: „Gewinn von Hirn“). Der Präsident der deutschen Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer, sprach im Deutschlandfunk von „doppelt so vielen Bewerbungen aus den USA“. Trumps Amerika versteht er als „neuen Talentpool“.
Zuletzt kündigte auch der Berliner Senat auf Instagram an, einen Fonds einzurichten, um US-Forscher für die Universitäten in der Hauptstadt zu gewinnen – und ihnen einen „neuen Ort zu geben, an dem sie frei in einem weltweit einzigartigen Umfeld forschen können“.