Ghost sind wahrlich ein Phänomen. Die schwedische Heavy-Metal-Band ist im Rahmen ihrer aktuellen Tournee am 14. Mai in der Rudolph-Weber-Arena in Oberhausen aufgetreten. Vor geschätzt 12.000 Fans hat Sänger Tobias Forge alias Papa V Perpetua – unterstützt von seiner Band, den Namenlosen Ghule – überraschend zarte Seiten präsentiert. Nach nicht ganz zwei Stunden ist klar, wieso diese düster kostümierte Truppe und ihr satanischer Anti-Papst die Charts stürmen.

Die Bühnenshow, die Ghost wortwörtlich abbrennen, ist gleichermaßen bombastisch wie subtil. Die gotischen Elemente in den LED-Wänden und den Bühnenaufbauten, auf denen die Sängerinnen, Keyboarder und Schlagzeug stehen, erzeugen zunächst den Eindruck einer Kirche. Große, bunte Kirchenfenster im Hintergrund, ein riesiges, auf dem Kopf hängendes Kreuz über der Bühne komplettieren diesen Eindruck. Doch nur so lange, bis das Licht die Farbe wechselt.

Zu Beginn ist alles hell erleuchtet, gleißend weiße Scheinwerfer erzeugen einen beinahe sterilen Eindruck wie in einer Salzwüste. Im Verlauf der Songs wechseln die Farben kontinuierlich: Grünlich angestrahlte Rauchschwaden quillen hervor und erzeugen den Eindruck einer Nekropole. Violettes Licht lässt dieselben Elemente plötzlich surreal und unnatürlich wirken. Blässlich blaues Licht erzeugt den Eindruck von Raureif und Kälte. Die Farben während des Konzerts erzählen ihre ganz eigene Geschichte, die jedoch immer lebensfeindlich wirkt.

All dies kulminiert nach 90 Minuten in gelb-roten Lichtstrahlen, die von unten wie Feuer hervorbrechen. Der Abstieg in die Hölle ist kurz vor dem Ende. Was dann folgt, ist der vorläufige Höhepunkt der Bühnenshow. Echtes Feuer lodert im Takt der Musik auf, mehrere Funkenregen prasseln von oben herab. Die digitalen Kirchenfenster auf den LED-Wänden im Hintergrund fliegen wie von einer Explosion gesprengt in tausend Teile. Dahinter eröffnet sich ein von Sternen erfüllter Nachthimmel. Stille auf der Bühne.

Mit dem nächsten Song geht die Sonne wieder auf. Die Fenster setzen sich wie von Geisterhand wieder zusammen, doch die Abbildungen sind nicht mehr dieselben. Irgendwas stimmt nicht mit ihnen. Ein erneuter Knall, eine noch größere Explosion, die Fenster, ihre Rahmen, die ganze Kirche bricht zusammen – und dahinter offenbart sich, was schon angedeutet wurde: die Hölle.

Forge, Jahrgang 1981, war – nach allem, was bekannt ist – offenbar so streng christlich erzogen worden, dass er sich bereits in jungen Jahren dem Satanismus zuwandte. Aus dieser rebellischen Laune hat er ein Bühnenkonzept gemacht. Als Gegenentwurf zum tatsächlichen Papst betritt er in aufwendiger Robe die Bühne und erinnert dabei an einen Totenbeschwörer aus einem Fantasy-Rollenspiel. Wenn er dann noch auf einer Plattform über dem Rest der Band schwebt, ist die Maskerade perfekt.

So prunkvoll erhaben sein Auftritt auch scheint: ein bisschen hat man das Gefühl, dass Forge eigentlich ein sehr stiller Mensch sein könnte. Einer, der die Maske aufsetzt, um wie ein kleiner Junge auf der Bühne sein Unwesen treiben zu dürfen. Wenn er von Gitarrist zu Gitarrist hüpft und tänzelt, jeden Musiker ein bisschen neckt, nur um dann einmal rund um das Schlagzeug und zurück zum Publikum zu laufen. Wo er dann mit einem beinah schelmischen Schmunzeln das Mikrofon ergreift und den nächsten Refrain schmettert, als wäre nichts gewesen.

Obwohl Forge in der ersten Hälfte des Konzerts kaum ein Wort mit dem Publikum wechselt, schafft er es ganz plötzlich mit nur wenigen Worten, alle zusammenrücken zu lassen: „Ich weiß, dass es gerade schwierige Zeiten sind. Aber denkt daran: Nichts währt ewig.“ Im nächsten Song geht es um die Zukunft, um 1984, Faschismus und vor allem darum, die Hoffnung nicht aufzugeben.

Und so schaffen es Ghost, dass am Ende der fulminanten Zugabe Tausende Menschen im Einklang geradezu ekstatisch tanzen, singen und ihre Arme in den Himmel recken. Viele Minuten lang. Der Abschied der Band wird lauter und emotionaler zelebriert als jeder Song zuvor. Man möchte sie auch eigentlich gar nicht gehen lassen.

Die eine Sache, die den Genuss des Konzerts trübt, ist die Abmischung. Während auf den Alben einzelne Instrumente klar voneinander zu unterscheiden sind, überlagert beim Konzert der Bass des Schlagzeugs häufig alles andere – inklusive Gitarrensoli. Nur der markanten und wirklich großartigen Stimme Forges ist es zu verdanken, dass immerhin sein Gesang klar durchdringt.