Frau Herbert, US-Präsident Donald Trump hat weißen Südafrikanern politisches Asyl angeboten, weil sie angeblich von einem Genozid bedroht sind. Eine erste Gruppe von 49 Flüchtlingen ist nun in den USA angekommen. Wer sind sie?
Die ersten Teilnehmer des Umsiedlungsprogramms sind überwiegend afrikaanssprachige Fachkräfte und Landwirte. Bei den meisten handelt es sich um Nachfahren weißer, burischer Siedler.

Laut der südafrikanischen Handelskammer in den USA haben seit Februar über 67.000 Südafrikaner Interesse an dem Programm bekundet – überwiegend Menschen im Alter zwischen 25 und 45 Jahren mit ihren Familien.

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Warum verlassen sie Südafrika?
Die Gründe für ihre Ausreise sind vielfältig: Viele nennen zunehmende Kriminalität, wirtschaftliche Unsicherheit und ein Gefühl politischer Ausgrenzung im post-Apartheid Südafrika. Einige hoffen auf bessere berufliche Perspektiven. Insgesamt ist seit 2021 ein starker Anstieg der Auswanderung qualifizierter Fachkräfte zu beobachten.

Eine kleinere lautstarke Gruppe beantragt Asyl mit Verweis auf rassistische Verfolgung – ein Argument, das von internationalen Flüchtlingsorganisationen nicht anerkannt wird.

Zur Person

© Privat

Inge Herbert ist Leiterin des Regionalbüros Subsahara-Afrika der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Johannesburg.

Was sagt die südafrikanische Regierung dazu?
Sie weist die Vorwürfe systematischer Diskriminierung gegen Afrikaaner zurück und betont, dass diese nach wie vor zu den privilegierten Bevölkerungsgruppen in Südafrika gehören. Trump hatte per Präsidialerlass vom Februar die angebliche rassistische Diskriminierung und Gewalt gegen weiße Landwirte in Südafrika als Grund dafür angeführt, dass Asylanträge von weißen Südafrikanern prioritär behandelt werden.

Weiße nationalistische Lobbygruppen wie AfriForum und die Solidaritätsbewegung haben in den vergangenen Jahren gezielt Lobbyarbeit in den USA betrieben, um auf die Lage weißer Südafrikaner aufmerksam zu machen und politische Unterstützung zu gewinnen. Zwischen 2021 und 2024 stieg die Zahl der Asylanträge von Südafrikanern in den USA um 40 Prozent, es wurden aber nur wenige bewilligt.

Sind weiße Grundbesitzer denn, wie sie beklagen, von Enteignung ohne Entschädigung bedroht?
Nein, das ist eine Verzerrung der Realität. Das am 23. Januar 2025 vom südafrikanischen Präsidenten Ramaphosa unterzeichnete Enteignungsgesetz (Land Expropriation Act) bietet der Regierung einen rechtlichen Rahmen, um Land für öffentliche Zwecke oder im Rahmen der Landreform zu erwerben.

Es erlaubt nur in sehr spezifischen Fällen eine entschädigungslose Enteignung, beispielsweise bei brachliegendem Land. Viele Staaten, auch die USA, haben Enteignungsgesetze. Der entscheidende Punkt ist, ob sie fair, transparent und rechtsstaatlich angewandt werden. Die südafrikanische Verfassung erlaubt weiterhin keine entschädigungslose Enteignung.

Trumps Darstellung weißer Südafrikaner als Opfer eines angeblichen ,Genozids’ entbehrt jeder faktischen Grundlage.

Inge Herbert, Afrika-Expertin der Friedrich-Naumann-Stiftung

Und was hat es mit den angeblichen Morden an weißen Farmern auf sich?
Laut der südafrikanischen Polizei machen Morde auf Farmen weniger als ein Prozent der landesweiten Mordrate aus. Zu den Opfern zählen Farmarbeiter aller ethnischen Gruppen. Aber Morde an weißen Farmern erhalten weltweit Aufmerksamkeit.

38.000

Fachkräfte verließen Südafrika im Jahr 2022.

Welche Auswirkungen hat Trumps Politik auf Südafrikas Gesellschaft und die Debatten dort?
Sie wirkt hochgradig spaltend. Trumps Darstellung weißer Südafrikaner als Opfer eines angeblichen „Genozids“ entbehrt jeder faktischen Grundlage – sie basiert auf einem politischen Narrativ, nicht auf belegbarer Realität.

Dennoch verstärkt diese Rhetorik gesellschaftliche Spannungen in Südafrika, indem sie extremistische Stimmen auf beiden Seiten befeuert: weiße Lobbygruppen wie AfriForum auf der einen Seite und antiwestliche Populisten innerhalb des regierenden ANC auf der anderen. Das erschwert den dringend notwendigen Dialog über Landreform und Versöhnung und lenkt vom eigentlichen Kern der Probleme ab – wachsender Ungleichheit in einem schwachen Staat.

Die erste Gruppe weißer Südafrikaner, denen die US-Regierung Flüchtlingsstatus erteilt hat, ist am 12. Mai am Dulles International Airport in der Nähe von Washington angekommen.

© dpa/Julia Demaree Nikhinson

Gewalt, Ungleichheit, wirtschaftliche Unsicherheit – das betrifft in Südafrika also nicht nur die weiße Bevölkerung, sondern alle.
Ja, laut einer aktuellen Umfrage von Afrobarometer würde etwa jeder fünfte Südafrikaner auswandern, wenn sich die Gelegenheit ergäbe. Besonders ausgeprägt ist dieser Wunsch bei jungen, gut ausgebildeten und wirtschaftlich aktiven Menschen.

Daten der südafrikanischen Statistikbehörde StatsSA aus dem Jahr 2023 zeigen, dass allein im Jahr 2022 mehr als 38.000 Fachkräfte das Land verlassen haben – ein Anstieg von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Beweggründe sind überwiegend wirtschaftlicher Natur: hohe Arbeitslosigkeit, schlechte Regierungsführung und mangelnde Sicherheit – nicht aber politische Verfolgung.

Welche Gründe sieht man in Südafrika für Trumps Vorstoß – außer dem Einfluss seines engen Vertrauten, des gebürtigen Südafrikaners Elon Musk?
Einerseits bedient Trump innenpolitisch damit seine konservative Wählerschaft, indem er das Narrativ des „umgekehrten Rassismus“ aufgreift und eine härtere Einwanderungspolitik rechtfertigt.

Auf internationaler Ebene ist diese Maßnahme ein Element seiner geopolitischen Agenda, mit der er den BRICS-Staatenblock diskreditieren und Druck auf Länder wie Südafrika ausüben will, die enge Beziehungen zu Russland und China pflegen. In diesem Jahr ist Südafrika, Gründungsmitglied von BRICS, Gastgeber des G20-Gipfels.

Die südafrikanische Regierungspartei ANC unterhält seit Jahren enge Beziehungen zu Russland und China und hat jüngst eine Klage gegen Israel wegen Völkermordes im Gazastreifen vor dem Internationalen Gerichtshof erhoben. Das kommt bei Trump nicht gut an.

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Kann der ANC das wieder einrenken?
Der ANC hat das Verhältnis zu westlichen Partnern wie den USA über lange Zeit vernachlässigt – trotz deren umfassender Unterstützung, unter anderem mit jährlich rund 500 Millionen Dollar für Gesundheits- und Klimaprojekte.

Diese Vernachlässigung rächt sich nun: Die neue US-Regierung zeigt weniger Geduld mit Südafrikas Russland-freundlicher Außenpolitik und setzt zunehmend auf politische Druckmittel, wozu auch die Anwerbung weißer Südafrikaner gehört.

Transparenzhinweis: Das Interview wurde schriftlich geführt.