Mit Margot Friedländer ist eine große Berlinerin gestorben. Eine der letzten Holocaust-Überlebenden, die von den Schrecken des Nationalsozialismus, von der Vernichtung der Juden, von den Konzentrationslagern, berichten konnte – und wollte. Seit Friedländer im Alter von 88 Jahren zurück in ihre Heimatstadt Berlin kam, nachdem sie 60 Jahre lang in New York gelebt hatte, hat sie unermüdlich aufgeklärt, erinnert, gemahnt.

Die Aufgabe, die sie uns gegeben hat, bleibt auch nach ihrem Tod. „Ihr sollt die Zeitzeugen sein“, sagte Friedländer immer wieder. Die jüngeren Generationen sollten ihr Vermächtnis weiterführen. Niemals sollte die Menschheit vergessen.

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Diesen Auftrag sollten wir annehmen. Wir alle sind gefordert, für Demokratie und gegen den stärker werdenden Rechtsextremismus und Antisemitismus zu kämpfen. Allen voran Berlin: Als der Stadt, in der der Holocaust maßgeblich geplant wurde, aber auch als Friedländers Heimatstadt, obliegt uns eine besondere Verantwortung. 2018 hat das Land sie zur Ehrenbürgerin gemacht. Auch das verpflichtet.

„Ihr Vermächtnis wird in unseren Herzen weiterleben“, sagte Cornelia Seibeld, Präsidentin des Abgeordnetenhauses. Doch dafür muss Berlin auch etwas tun und die Erinnerung an Margot Friedländer, geborene Bendheim, ihr Schicksal und das ihrer Familie aktiv wach halten und sichtbar machen – auch im öffentlichen Raum.

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CDU und Grüne in Charlottenburg-Wilmersdorf haben vorgeschlagen, „eine bisher nicht benannte Platzfläche entlang oder in unmittelbarer Umgebung des Kurfürstendamm“ nach Friedländer zu benennen. Ein x-beliebiger Fleck, den keiner kennt? Der Bedeutung von Margot Friedländer für Berlin wird das nicht gerecht. Zumal es keinen Bezug zu ihr gibt – begründet wird der Antrag nicht mit Friedländers Wirken und Leben im Bezirk, sondern allgemein damit, dass die Umgebung des Ku’damms vor 1933 ein Zentrum jüdischen bürgerlichen Lebens war. 

Margot Friedländer lebte in der Skalitzer Straße 32

Besser wäre es, die Skalitzer Straße in Kreuzberg nach ihr zu benennen. Sie spielt im Leben Margot Friedländers eine wichtige Rolle und steht sogar im ersten Satz ihres Buchs „Versuche, dein Leben zu machen“. Immer wieder geht es darin um das Haus Nummer 32. Dort lebte sie ab 1941 in einer sogenannten „Judenwohnung“ im zweiten Stock des Vorderhauses zusammen mit ihrer Mutter Auguste und ihrem Bruder Ralph – bis zum 20. Januar 1943. An diesem Tag holte die Gestapo Ralph ab, Mutter und Bruder wurden nach Auschwitz deportiert und ermordet. Margot Friedländer ging in den Untergrund – bis die Nazis sie nach Theresienstadt brachten.

Seit einigen Jahren erinnern an der Skalitzer Straße 32 Stolpersteine an das Schicksal der Familie Bendheim. Seit Friedländers Tod liegt vor dem Hauseingang ein Meer von Blumen, Kerzen, persönlichen Botschaften. Immer wieder kommen Menschen vorbei, trauern und nehmen Abschied.  

An der Skalitzer Straße 32 in Berlin-Kreuzberg erinnern Stolpersteine an Margot Friedländers Bruder Ralph und ihre Mutter Auguste Bendheim. Auch Margot hat dort einen Stein. Darauf ist die Deportation nach Theresienstadt erwähnt. Darunter steht: „überlebt“.

© Dominik Mai

Erinnerung braucht authentische Orte. Es wäre ein großes Zeichen, wenn Berlin diese Straße – oder einen Abschnitt – nach seiner Ehrenbürgerin benennen würde. Die Vorschriften sehen vor, dass Straßen in Berlin „grundsätzlich erst nach Ablauf von fünf Jahren seit dem Tode der Person benannt werden“ dürfen. Doch es geht früher, wenn es sich „um eine herausragende Persönlichkeit handelt“.

Dominik Mai Dominik Mai ist Redakteur im Berlin-Ressort des Tagesspiegels.

Umbenennungen sind schwieriger, als namenlose Flächen zu benennen. Aber sie sind explizit vorgesehen, wenn damit „Personen geehrt werden sollen, die sich um das demokratische Gemeinwesen in herausragendem Maße verdient gemacht haben oder deren Wirken für Berlin von herausragender Bedeutung war“, ebenso, wenn damit „besondere historische Ereignisse mit stadtgeschichtlichem Bezug zu der umzubenennenden Straße in Erinnerung gerufen werden sollen“. Beides trifft auf Margot Friedländer zu.

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Mit ihrer Rückkehr nach Berlin hat Friedländer der Stadt ein großes Geschenk gemacht. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und der Senat könnten gemeinsam die Skalitzer Straße in Margot-Friedländer-Straße umbenennen. Ihrer Botschaft und ihrem Vermächtnis wären damit ein würdiges Zeichen gesetzt.