Die Produktpreise explodieren, Strom- und Gaspreise auch. Die Gäste bleiben weg und Personal findet sich auch nicht mehr. Das macht es den Wirten schwer. Björn Swanson platzt da schon mal der Kragen.
Wer Björn Swanson auf den Berliner Flughafen anspricht, der muss sich auf was gefasst machen. „Dieses Millionengrab“, sagt er, „der Aiport funktioniert nicht, es gibt kaum noch Ankünfte aus spannenden Regionen – und genau das sind die Gäste, die uns dann fehlen. Es ist wirklich nicht zum Aushalten.“
Björn Swanson ist 41, Sohn einer Deutschen und eines Amerikaners. Er meldete sich freiwillig zu den US-Marines und er sieht bis heute genau so aus: groß, stämmig, kraftvoll, ein Bär von einem Mann. Nach seinen amerikanischen Eskapaden entdeckte er in Berlin die Welt der Küchen für sich. Kochte im Alten Zollhaus, im Fischers Fritz, in der Weinbar Rutz, also im Who’s who der wenigen Berliner Lokale, die auch international mithalten konnten.
Er eröffnete das Hochhaus-Lokal „Golvet“, kaufte ein Hotel auf Mallorca und erkochte sich schließlich im Schöneberger „faelt“ einen Stern. Den hält er bis heute – und hat nun mit dem „Swan&Son“ ein Bistrot französischer Bauart eröffnet, inmitten der größten gastronomischen Krise der letzten fünfzig Jahre. Weil die Gäste ihre Kröten zusammenhalten, die wenigen Kellner, die noch Gastronomie betreiben wollen, Dollarzeichen in den Augen haben und weil die Rahmenbedingungen für Gastwirte einfach furchtbar sind – hohe Steuerlast, wenig Unterstützung – hat gutes Essen hierzulande keine Lobby. Das sieht Koch Swanson auch so – aber er will sich damit nicht abfinden. Swanson ist ein Lautsprecher.
Der Meister mit seinem Team im „faelt“.
(Foto: IMAGO/Funke Foto Services)
Zu laut, zu Berlinerisch
Ich mache keinen Hehl daraus: Ich habe diesen Björn Swanson nicht so richtig leiden können. Ich hielt ihn für zu laut, zu forsch, zu berlinerisch – und ich bin ja selbst aus dieser Stadt. Aber ich habe immer damit gehadert, wenn Küchenchefs allzu Hipster-mäßig drauf sind (das ist Björn gottlob nicht) oder ihre Gäste beschimpfen (das tut Björn manchmal).
Doch ich wollte in diesen schweren Zeiten, in denen Gastronomen ja nicht nur mit steigenden Preisen für ihre Produkte, für Fische, Butter und Co., für Strom und Gas und für das Personal zu kämpfen haben, nicht einfach einen Verriss schreiben. Stattdessen wollte ich mit diesem Björn Swanson sprechen. Über die Probleme der Branche und über die Bedeutung dessen, wo der Koch besonders laut auftritt: Im Internet. Wie wichtig sind Google-Bewertungen heute für Gastronomen, habe ich mich gefragt – denn besonders dort, in den Kommentarspalten, ist der Koch häufig sehr lautstark anzutreffen.
Klar, er hat eben eine Berliner Schnauze und schießt mit der gerne mal übers Ziel hinaus. Und doch muss es ja einen Grund geben, warum er neben all dem Lob jeden negativen Beitrag zu seinem Restaurant so persönlich nimmt. Bei seinem neuen Bistro „Swan&Son“ hat er sich nämlich entschieden, negative Kritiken offen zu entgegnen. Statt Google-Sterne vergibt der Gastronom persönlich Björn-Schwäne – zusammen mit deftigen Worten.
Zu heiß gebadet
Einer Frau, die Preis und schlechte Lüftung mit einem Stern kritisiert, entgegnet Swanson: „Wer Bock auf anstrengende Gäste hat, ist bei Anna genau richtig. Leider können wir diesen Gast nicht empfehlen.“ Anna kriegt von ihm nur einen Schwan.
In seinem Sterne-Restaurant „faelt“ bewertet ein Christian: „Essen schlecht, Service schlecht, Wirte wie Dich braucht kein Mensch.“ Björn Swanson entgegnet: „Christian mein Schatz, bist Du als Kind zu heiß gebadet worden?“
Eine andere Dame beschwert sich über die unfreundliche Bedienung und bekommt als Antwort: „Eigenartiger Stil von einer gestandenen Frau.“ Immerhin kriegt sie noch zwei Schwäne. Das kann man als Publikumsbeschimpfung sehen, aber Björn Swanson findet, irgendwann sei es auch mal gut. „Kann sein, dass ich da auch empfindlich bin. Aber wer in diesen Zeiten so viel Geld und Liebe in ein Restaurant steckt, der darf auch empfindlich sein“, sagt er. „Am meisten regen mich die Leute auf, bei denen ich mich am Tisch für einen Fehler entschuldige, ihnen noch ein Glas Champagner ausgebe und die dann, kaum sind sie aus dem Restaurant raus, eine Ein-Sterne-Bewertung hinterlassen – da frage ich mich dann schon, in was für Zeiten wir hier gelandet sind.“
Preise gesenkt
Verständlich, finde ich. Gerade bei einem Perfektionisten wie Swanson. Der eben nicht auf IKEA-Gläser setzt, sondern Riedel einkauft, der KPM-Geschirr hat und auf allerbeste Produkte setzt.
Selbst im Swan&Son gibt es Gillardeau-Austern, die Skinny-Bitch-Variante mit Wodka und Limetten-Schaum ist tatsächlich grandios – und mit sechs Euro auch nicht überbezahlt.
Kein Wunder, hat Swanson in der Krise eben erst die Preise gesenkt, damit die schöne Terrasse auf der Giesebrechtstraße im Berliner Westen bald wieder gut gefüllt ist. Am Essen soll es jedenfalls nicht scheitern, befindet der Kritiker: Der wilde Brokkoli soll wie eine Ceviche daherkommen – und das gelingt. Das Gericht mit Jalapeño und brauner Butter ist süffig und scharf, echtes Seelenessen also.
Grandios auch die japanische Maultasche mit Enten-Dashi und Koriander, leichte Röstnoten kitzeln die Aromen hervor, eine tolle Vorspeise. Das Cordon bleu ist sehr schlotzig, der Käse läuft feinflüssig aus dem Schnitzel, der Gurkensalat dazu ist frisch und lecker. Ein echtes Bistrotgericht, vielleicht ein wenig zu stark verarbeitet und trotzdem sehr gut. Genau wie der gebackene Lachs mit Chili-Mayonnaise und Spitzkohl, eben kein Allerweltsgericht und gerade deshalb phänomenal.
All das wird für Berliner Verhältnisse sehr wohltuend, souverän und freundlich serviert und ist preislich angenehm kalkuliert. Björn Swanson weiß also, was er da tut. Er hat nur keine Lust mehr, sich auch noch im Internet beschimpfen zu lassen.