Die Senatsverkehrsverwaltung hat in einer am Donnerstag versandten Mitteilung den Bezirk Mitte angewiesen, mit sofortiger Wirkung das mit Mitteln des Senats durchgeführte Modellprojekt Fußverkehr „Kiezblocks in Mitte“ zu beenden. Alle Planungen müssen eingestellt werden, die Finanzierung wird beendet.

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Dies teilte die von CDU-Senatorin Ute Bonde geführte Verwaltung am Donnerstag mit. Anlass für diese Entscheidung sei, dass in den vorgesehenen Planungen „wichtige Aspekte des gesellschaftlichen Miteinanders sowie die Dienstleistungen des alltäglichen Bedarfs der betroffenen Anwohner nicht hinreichend berücksichtigt werden“, steht in der Mitteilung.

Diese Entscheidung gilt übergreifend, denn es heißt dort weiter: „Die Entscheidung zur Einstellung dieses konkreten Projektes stellt zugleich eine grundsätzliche Entscheidung für zukünftige Projekte dieser Art im gesamten Stadtgebiet dar“, heißt es in der Mitteilung.

SPD-Verkehrspolitiker Tino Schopf sagte dem Tagesspiegel diesbezüglich: „Mit der SPD-Fraktion ist dieses Vorgehen nicht abgestimmt und diese Konfrontationsstrategie der Senatorin trage ich nicht mehr mit.“ Die von Bonde genannten Gründe seien „inhaltlich vollkommen falsch“.

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Der in Mitte für die Kiezblocks zuständige Stadtrat Christopher Schriner (Grüne) schrieb bei X: „Die CDU will Bürgerbeteiligung verbieten.“ Schriner kritisierte, dass er die Begründung der Ablehnung erst aus der später verschickten Pressemitteilung erfahren habe. „Die Begründungen als sachfremd zu bezeichnen, wäre eine wohlwollende Würdigung“, so der Bezirkspolitiker, er hält „ideologische Gründe“ für ausschlaggebend.

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Er betonte, dass „eine verbindliche Finanzierungszusage vorliegt“. Zudem sei das Projekt auf Basis des Mobilitätsgesetzes vom Senat gestartet worden, der Bezirk habe es nur ausgeschrieben. Der Bezirk plante bislang in 25 Kiezen eine Beruhigung, in diesen finden seit Mitte April sogenannte Spaziergänge mit den Anwohnern statt. Am Donnerstag war der Böttgerkiez in Wedding an der Reihe.

Schriner sagte, dass mit dem nun gestoppten Projekt „zwölf mögliche Kiezblöcke identifiziert werden“ sollten. Selbstverständlich seien Feuerwehr und Polizei und andere beteiligt worden. Bislang gebe es nur Konzepte, keine fertige Planung. „Wie es möglich sein soll, über Planungen zu urteilen, die noch gar nicht vorliegen, ist ein Rätsel.“

Dirk Stettner, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, erklärte via X: „Wir wollen Wohngebiete entlasten und Hauptstraßen leistungsfähig halten – dafür brauchen wir keine ideologischen Pollereien.“

CDU und Wirtschaftsverbände gegen Kiezblocks

Mehrere Bezirke vor allem in der Innenstadt versuchen seit einigen Jahren, mit Pollern den Autoverkehr in Wohnstraßen zu verringern. Daraus entstand die Bewegung „Kiezblocks“. Vor allem die CDU und Wirtschaftsverbände waren vehement dagegen. Vor einem Monat hatte die CDU-Fraktion gefordert, die Finanzierung von Pollern zu stoppen. Mehrfach mussten Gerichte über Kiezblocks bereits entscheiden, zuletzt hatte das Verwaltungsgericht eine Klage von Anwohnern gegen Poller in der Tucholskystraße abgewiesen.

Die Verkehrsverwaltung wirft dem Bezirk Mitte in der Mitteilung vor, „notwendige Wirtschafts- und Lieferverkehre, aber auch die Belange der Müllabfuhr und allen voran Polizei und Feuerwehr nur unzureichend beachtet“ zu haben. „Auch die wesentliche Frage der Verdrängung von Verkehren in angrenzende Gebiete und die Beachtung der Bedürfnisse des ÖPNV werden räumlich zu kleinteilig betrachtet und damit in ihrer Gesamtwirkung vernachlässigt.“

Die Grünen sprachen von einer „skandalösen Entscheidung“. Der Kiezblock-Stopp sei ein „massiver Rückschlag für die Verkehrswende und ein Angriff auf die Sicherheit der schwächsten Verkehrsteilnehmer“, kritisierte Antje Kapek. Die Gewerkschaft der Polizei lobte den Schritt. Via X forderte die GdP ein Mitbestimmungsrecht für Feuerwehr und Polizei „bei jeglichen baulichen Veränderungen“.

Petra Nelken, die Sprecherin von Ute Bonde, sagte, dass die Bezirke zwar für die Nebenstraßen zuständig seien. Wenn aber der Verkehr in Hauptstraßen zunehme, könne die beim Senat angesiedelte Verkehrslenkung Bezirks-Projekte jedoch verhindern. Nelken sagte weiter, dass die Bezirke mit eigenem Geld weiterhin Poller aufstellen können, wenn dies keine Auswirkungen auf Hauptstraßen habe. Ob die Bezirke das Geld dazu haben, ist unklar.

Schon 2024 hatte die damalige Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) Fördermittel für Kiezblocks deutlich reduziert, von 700.000 Euro auf 400.000. Damit verhinderte sie Kiezblocks in mehreren Bezirken. Es traf die Projekte Akazien-, Nördliche Luisenstadt-, Weitling-, Schiller- und Kranoldkiez. 

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Als Kiezblock gilt ein Wohngebiet ohne Kfz-Durchgangsverkehr. Dies soll mit Durchfahrtssperren, Einbahnstraßen oder Tempolimits erreicht werden. Der reine Durchgangsverkehr wird damit auf die Hauptstraßen geleitet, Autofahrer sollen den Kiez nicht als Abkürzung missbrauchen. Der Verein Changing Cities betont, dass Anwohner natürlich weiterhin mit dem Auto in den Kiezblock hineinfahren dürfen und alle Häuser weiterhin für Rettungsfahrzeuge, Müllabfuhr und Lieferverkehr erreichbar seien. Changing Cities hat in Berlin 73 Kiezblock-Initiativen gezählt.

Benjamin Jendro, Sprecher des Landesverbandes der Gewerkschaft der Polizei, kritisierte die Kiezblocks wiederholt als Sicherheitsrisiken und ideologische Alleingänge einzelner Bezirke. „Wir freuen uns, dass sich Verkehrssenatorin Ute Bonde der Sache entschlossen annimmt“, sagte er nach der Entscheidung der Senatsverwaltung. „Man kann über die Umgestaltung von Verkehrsraum in dieser Stadt sprechen, wir müssen es auch tun, Polizei und Feuerwehr aber sollten bei jeglichen baulichen Veränderungen verpflichtend beteilgt werden und sogar in der Mitbestimmung sein.“