Stand: 15.05.2025 22:49 Uhr

FIFA-Präsident Gianni Infantino ließ Hunderte Delegierte beim FIFA-Kongress in Paraguays Hauptstadt Asunción stundenlang warten. Als Unmutsbekundung haben die europäischen Ratsmitglieder und einige Delegierte den Saal verlassen.


Chaled Nahar


Robert Kempe

Nach der Rede von Gianni Infantino wurde eine Kaffeepause angesetzt, nach der zahlreiche Sitze im Plenum leer blieben – vor allem aber auf der Bühne, wo neben dem Präsidenten und dem FIFA-Generalsekretär Mattias Grafström die Mitglieder des FIFA-Rats Platz genommen hatten, darunter DFB-Präsident Bernd Neuendorf. Die europäischen Mitglieder des FIFA-Rats wie Neuendorf, aber auch UEFA-Präsident Aleksander Ceferin oder Englands Verbandschefin Debbie Hewitt, blieben dem weiteren Verlauf des Kongresses fern, auch ein Teil der europäischen Verbände verließ den Saal.

Der FIFA-Kongress sollte ursprünglich um 9.30 Uhr Ortszeit am Donnerstag in Asunción starten. Doch der Beginn wurde zunächst um eine Stunde verschoben, dann kam eine E-Mail an die Delegierten: Wegen „unvorhergesehener Umstände“ werde der Kongress auf 12.30 Uhr (17.30 Uhr MESZ) verlegt, das Mittagessen solle dagegen schon um 11.30 Uhr stattfinden. Die Umstände: Infantino war noch auf der Rückreise aus dem Nahen Osten. Infantino war mit US-Präsident Donald Trump in die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Katar und nach Saudi-Arabien gereist.

UEFA: „Änderungen haben nur persönlichen politischen Interessen gedient“

„Der FIFA-Kongress ist eines der wichtigsten Treffen im Weltfußball.“, teilte die UEFA auf Anfrage der Sportschau mit. „Eine kurzfristige Änderung des Zeitplans, die offenbar nur privaten politischen Interessen dient, tut dem Fußball keinen Gefallen. Die Interessen des Fußballs wurden zurückgestellt.“ Zuvor hatte Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness gegenüber norwegischen Medien gesagt: „Wir erwarten nun von der FIFA, dass sie ihren Mitgliedern diese Situation erklärt und sicherstellt, dass die Stimmen der Mitgliedsverbände künftig gehört und respektiert werden.“

Es geht ums Geschäft, die Kontaktpflege in höchste politische Kreise der beteiligten Länder war Infantino derzeit offenbar wichtiger als der Kongress. Denn während die FIFA in den USA die neue große Klub-WM 2025 und weite Teile der WM 2026 ausrichtet, wird Saudi-Arabien Gastgeber der WM 2034 sein. Außerdem hat die FIFA in den Golfstaaten zuletzt wichtige Sponsoringverträge mit staatlichen Unternehmen abgeschlossen. Zuletzt zeigte sich Infantino immer wieder an der Seite von Trump.

FIFA-Präsident Gianni Infantino (l.) in Doha mit US-Präsident Donald Trump und Emir Scheich Tamim bin Hamad al-Thani

Zum eigentlich geplanten Beginn war Infantino gerade in brasilianischen Luftraum gelangt, während die Delegierten der Verbände auf ihn warteten. Ein Flieger der Privatjetflotte von Qatar Airways brachte Infantino nach einem Zwischenstopp zum Tanken in Nigeria am Donnerstag dann zum für seine Anwesenheit verlegten Kongress. Am Flughafen betrat Infantino die mit rotem Teppich ausgelegte Landebahn.

Als der Kongress mit mehr als drei Stunden Verspätung begann, bat Infantino um Entschuldigung. Bei der Reise hätten einige wichtige Gespräche wegen der Weltmeisterschaften 2026 und 2034 mit führenden Politikern und Wirtschaftsvertretern stattgefunden, sagte Infantino. „Und ich hatte das Gefühl, dass ich dort sein musste, um sie alle zu vertreten, um den Fußball zu vertreten. Ich dachte, ich könnte es rechtzeitig schaffen, aber leider gab es ein kleines Problem mit unserem Flug, das diese Verzögerung verursachte.“

FIFA-Vize über die Europäer: „Zweimal falsch macht es nicht richtig“

Die Entschuldigung reichte einigen Delegierten offensichtlich nicht, nach der Kaffeepause verließen sie die Veranstaltung. „Wie ursprünglich geplant“, teilte die UEFA mit. Ein klares Signal an Infantino, denn Probleme mit der Abreise sind schwer anzuführen, der Flughafen ist wenige Minuten vom Kongress entfernt, der erste Teil des Rückflugs für die meisten ging um 18.55 Uhr Ortszeit nach Sao Paulo. Die Aktion stieß auf Widerspruch beim FIFA-Vizepräsidenten Victor Montagliani aus Kanada. „Zweimal falsch macht es nicht richtig“, sagte er im Gespräch mit der Sportschau. „Wenn jemand zu spät kommt, kommt er zu spät.“ FIFA-Generalsekretär Mattias Grafström verwies auf Infantinos Entschuldigung. „Darüber hinaus habe ich keinen Kommentar abzugeben.“

FIFA-Präsident Gianni Infantino in Doha

Dass der FIFA-Präsident wegen seiner Nahostreise den Beginn des FIFA-Kongresses verschieben ließ, ist ein beispielloser Vorgang. Üblicherweise gibt es schon in den Tagen vor dem Kongress Veranstaltungen und Gespräche. Eine Sitzung des FIFA-Rats hatte Infantino bereits auf Freitag der Vorwoche vorverlegt und digital abgehalten. Hunderte Delegierte aus der ganzen Welt hatten sich auf den Weg nach Asunción gemacht, waren seit Beginn der Woche in Paraguay und warteten dann zunächst vergeblich auf den Gastgeber.

FIFA-Präsident Infantino hatte am Mittwochabend schon das Bankett mit Paraguays Staatspräsident Santiago Peña verpasst. Der hatte zum Abendessen geladen und verbrachte es beispielsweise mit den Präsidenten der Konföderationen wie UEFA-Chef Aleksander Ceferin. Südamerikas Verbandschef Alejandro Dominguez berichtete im Kongress, dass er Infantinos Rede in dessen Namen gehalten habe.