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Der Militärausschuss der Europäischen Union (EUMC) prüft die Stärkung der sogenannten Klausel der Bündnissolidarität. Die Richtlinie zur kollektiven Verteidigung verpflichtet alle EU-Mitglieder zur militärischen Unterstützung im Sonderfall.

Das höchste militärische Gremium der EU will durch die Stärkung der Klausel die Interoperabilität und die militärische Mobilität der europäischen Streitkräfte verbessern. Grund dafür ist der neue zunehmende Fokus der USA auf Partnerschaften im asiatisch-pazifischen Raum.

Die EU benötige im Bereich der Verteidigung einen „klaren ganzheitlichen Ansatz“, so der österreichische General und Ausschussvorsitzende des EUMC, Robert Brieger, am Donnerstag im Anschluss an eine Sitzung des Organs. Die an der Sitzung teilnehmenden Verteidigungschefs hätten „Empfehlungen für die Operationalisierung von Artikel 42.7“ abgegeben.

In Artikel 42.7 ist die seit 2009 geltende EU-Klausel zur gegenseitigen Verteidigung festgelegt. Sie besagt, dass „wenn ein EU-Land Opfer eines bewaffneten Angriffs auf sein Hoheitsgebiet wird, die anderen EU-Länder verpflichtet sind, ihm mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu helfen und beizustehen“.

Bisher wurde sie nur einmal nach dem Terroranschlag in Paris am 13. November 2015 ausgelöst. Die Klausel auf EU-Ebene wird aber allgemein als schwächer angesehen als die Klausel zur kollektiven Verteidigung in der NATO, die etwa sechs Jahrzehnte zuvor geschaffen wurde.

„Verteidigungshaltung der EU reicht nicht aus“, so Brieger

Das liegt zum Teil daran, dass sie festlegt, dass „die Verpflichtungen und die Zusammenarbeit in diesem Bereich mit den Verpflichtungen im Rahmen der Nordatlantikvertrags-Organisation übereinstimmen müssen, die für die Staaten, die ihr angehören, die Grundlage ihrer kollektiven Verteidigung und das Forum für deren Umsetzung bleibt“.

Etwa 23 der 27 EU-Mitglieder gehören auch der NATO an.

Der Grund für die mögliche Umgestaltung, so General Brieger gegenüber Reportern, sei, „dass wir festgestellt haben, dass die Konzentration der Sicherheits- und Verteidigungshaltung der Europäischen Union auf das internationale Krisenmanagement derzeit nicht ausreicht und nicht zukunftsfähig ist“.

„Wir müssen also die Rolle der europäischen Streitkräfte im Rahmen der territorialen Verteidigung des Kontinents klären. Es ist klar, dass eine enge Zusammenarbeit mit der NATO notwendig ist und dass die kollektive Verteidigung in den Händen des atlantischen Bündnisses liegt, aber wir wissen, dass die USA ihr Interesse auf den indopazifischen Raum verlagern, und es ist klar, dass wir auf europäischem Boden und von den europäischen Mitgliedstaaten mehr tun müssen.“

Mehr militärische Mobilität in Europa

„Und deshalb raten wir den Politikern, über eine konkretere Definition von Artikel 42.7 nachzudenken: Was ist die konkrete Rolle? Wie könnten die Aufgaben der NATO am besten abgegrenzt werden?“, fügte er hinzu.

Als Beispiele nannte er die Verbesserung der militärischen Mobilität in ganz Europa und die Verstärkung des Schutzes kritischer Infrastrukturen.

„Der Vorteil der EU-Institutionen ist sicherlich, dass die Europäische Union in allen Bereichen der Politik, Wirtschaft, Sicherheit und des Militärs handlungsfähig ist. Wir haben also mehr Instrumente als die NATO und wir versuchen, den besten Weg zu finden, uns gegenseitig zu ergänzen“, fügte er hinzu.

Die militärische Mobilität wurde im Weißbuch über die Zukunft der europäischen Verteidigung, das im März von der Europäischen Kommission veröffentlicht wurde, als Priorität genannt. Darin wird die Strategie der Europäischen Union dargelegt, die militärische Abhängigkeit von Drittländern zu verringern und den Einsatz von militärischer Ausrüstung in den Mitgliedstaaten zu fördern.

Zu den weiteren Prioritäten gehören Luft- und Raketenabwehr, Artilleriesysteme, Munition und Raketen, Drohnen und Drohnenabwehrsysteme, KI, Quantum, Cyber- und elektronische Kriegsführung sowie strategische Grundvoraussetzungen.

EU-Gipfeltreffen im Juni geplant

Die EU-Exekutive hofft auf ein Investitionsvolumen von bis zu 800 Milliarden Euro für die Verteidigung in den nächsten vier Jahren. Sie forderte die Mitgliedstaaten auf, Aufträge zu bündeln, um die Kosten zu senken und die Interoperabilität zu verbessern.

Nach Planungen der EU-Kommission würde diese den Mitgliedstaaten, die zusammenarbeiten, bis zu 150 Milliarden Euro über Marktbeschaffung zu leihen. Die Kommission setzt voraus, dass die betroffenen Staaten europäisch kaufen und sich auf die wichtigsten Fähigkeiten konzentrieren.

Es wird erwartet, dass die Mitgliedstaaten die Verhandlungen über dieses 150-Milliarden-Euro-Instrument bis Ende des Monats abschließen. Dadurch könnte ein Teil des Geldes bereits Ende des Jahres ausgezahlt werden. Staats- und Regierungschefs könnten darüber hinaus auf ihrem Gipfeltreffen im Juni auch gemeinsame europäische Vorzeigeprojekte genehmigen.

Das Treffen in Brüssel wird unmittelbar nach einem Treffen der NATO-Staats- und Regierungschefs in Den Haag stattfinden, wo das Bündnis ein neues Ziel für die Verteidigungsausgaben bekannt geben will.

„Europa befindet sich an einem Scheideweg. Die Bedrohungen, mit denen wir konfrontiert sind, sind real, komplex und miteinander verknüpft“, sagte General Brieger, der in zwei Wochen seine Amtszeit beenden wird.

„Um darauf zu reagieren, braucht es mehr als Erklärungen. Sie erfordert politischen Willen, Einigkeit und die Mittel zum Handeln. Ein starkes Europa muss ein sicheres Europa sein. Außerdem muss ein sicheres Europa seine Verteidigung und seine globale Rolle ernst nehmen.“