Am palästinensischen Gedenktag Nakba hatte es schon in der Vergangenheit mehrfach Tumulte gegeben. Dieses Jahr versammelten sich rund 1100 Menschen in Berlin, es kam zu dramatischen Szenen. Aggressive Teilnehmer griffen Polizisten an, einer wurde schwer verletzt.
Bei einer propalästinensischen Demonstration in Berlin-Kreuzberg ist es zu Tumulten und heftigen Rangeleien zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Aggressive Teilnehmer bewarfen Polizisten am Abend am Südstern mit Getränkedosen und anderen Gegenständen und bespritzen sie mit roter Farbe. Die Polizei sprach auch von Flaschenwürfen und einem Steinwurf. Ein Beamter wurde schwer verletzt. Es gab den Angaben der Polizei zufolge etwa 20 Festnahmen, die Gewerkschaft der Polizei Berlin sprach später von über 50 Festnahmen.
Nach Informationen von WELT wurde der Polizeibeamte in die Menge gezogen. Mehrere Teilnehmer traten dort auf den Beamten ein, sagte Polizeisprecher Florian Nath.
Der Beamte soll nach WELT-Informationen unter anderem Verletzungen im Bauchraum und an den Händen erlitten haben. Ein Notarzt brachte ihn ins Krankenhaus. Dabei musste der Beamte an ein Sauerstoffgerät angeschlossen werden. Auch ein Defibrillator kam zum Einsatz. Beamte der Bundespolizei mussten den Polizisten unter Anwendung von Gewalt aus der Menge befreien. Dabei sollen mehrere Beamte und Demonstranten verletzt worden sein.
Die Polizisten versuchten, die Menge der Demonstranten zurückzudrängen. Die Polizei hatte auch einen Wasserwerfer aufgefahren, setzte ihn zunächst aber nicht ein.
Gegen die Festgenommenen werde wegen des Verdachts des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, des tätlichen Angriffs, der gefährlichen Körperverletzung, der Beleidigung und des Landfriedensbruchs ermittelt, teilte die Polizei mit. Auch Demonstrationsteilnehmer seien durch das Eingreifen der Polizei verletzt worden. Zur Schwere der Verletzungen gab es keine Angaben, die Betroffenen seien in Krankenhäuser gebracht worden.
Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei Berlin, reagierte entsetzt auf das Geschehen. „Zehn verletzte Kollegen, einer schwer, weil er in die Masse gezogen, niedergetrampelt wurde“, schrieb Jendro am Abend auf X. „Das hat rein gar nichts mit Art 8 GG (Artikel 8 Grundgesetz zur Versammlungsfreiheit) zu tun – Brauchen endlich politische Antworten auf diesen Wahnsinn, der da im Nahost-Kontext auf Berlins Straßen passiert“, hieß es weiter.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner verurteilte die Angriffe gegen die Einsatzkräfte. „Der Angriff auf einen Berliner Polizisten bei der Demonstration in Kreuzberg ist nichts anderes als ein feiger, brutaler Gewaltakt. Wer Einsatzkräfte angreift, greift unseren Rechtsstaat an – und damit uns alle“, sagte der CDU-Politiker. Berlin sei eine weltoffene Stadt, aber: „Wer das Demonstrationsrecht missbraucht, um Hass zu säen, antisemitische Hetze zu verbreiten oder Gewalt zu verüben, dem werden wir konsequent mit allen Mitteln des Rechtsstaates begegnen.“
Etwa 1100 Menschen nahmen laut Polizei an der Demonstration anlässlich des palästinensischen Gedenktags Nakba teil. Viele von ihnen trugen am Nachmittag am Südstern sogenannte Palästinenser-Tücher, Palästina-Fahnen und weitere entsprechende Symbol. Zahlreiche Polizisten waren rund um den Südstern in Kreuzberg bereitgestellt.
In lautstarken und aggressiven Sprechchören riefen Redner und Demonstranten „Kindermörder Israel, Frauenmörder Israel, Babymörder Israel“, „Yallah, yallah Intifada“ und „From the River to the sea“. Intifada waren frühere palästinensische Aufstände und Serien von Terroranschlägen gegen Israel. Mit der Losung „From the River to the sea“ wird ein palästinensischer Anspruch auf das gesamte Gebiet zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer erhoben, der einer Auslöschung Israels gleichkäme.
Gefordert wurde zudem „Freiheit für Palästina“, auch Beschimpfungen von Deutschland wegen Waffenlieferungen an Israel kamen vor. Der palästinensische Gedenktag Nakba am 15. Mai erinnert an die Flucht und Vertreibung Hunderttausender Palästinenser im ersten Nahostkrieg 1948. Mehrere arabische Länder hatten Israel damals nach der Staatsgründung angegriffen. In den vergangenen Jahren gab es bei diesen Veranstaltungen mehrfach Tumulte und Rangeleien mit der Polizei.
Um die geplante Strecke der Demonstration hatte es gerichtliche Auseinandersetzungen gegeben. Die Demonstration sollte ursprünglich nach Neukölln führen. Die Polizei hatte das wegen eines befürchteten Konfliktpotenzials beim langen Zug durch Neukölln untersagt. In der ersten Instanz vor Gericht setzten sich die Veranstalter durch, in der zweiten vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) bekam die Polizei Recht, sodass es keinen Demonstrationszug, sondern nur eine Kundgebung am Südstern gab.
dpa/gub/ad/sos