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Friedhofsgärtner gestalten verstorbenen Kölnern einen würdevollen letzten Ruheplatz. Über einen Job, der die Sicht auf das Leben und den Tod verändert.
Schon am Vormittag scheint die Sonne kräftig auf den Niehler Friedhof. Maria und Saskia kommen ins Schwitzen. Ihr Auftrag: ein neues Doppelgrab anzulegen. Dafür haben sie mehrere Hundert Liter Erde auf der Grabstelle verteilt. Jetzt geht es an die Bepflanzung. Weiße und gelbe Hornveilchen bringen Farbe ins Spiel. Ergänzt werden sie durch Spindelsträucher und Zwergmispeln – zwar nicht so farbenprächtig wie die Veilchen, dafür sind sie robust, pflegeleicht und halten Unkraut fern.
Knieend müssen die beiden Frauen jedes Exemplar einzeln einpflanzen. Und dann kräftig bewässern. Auch dieses Jahr ist der Frühling wieder viel zu warm und trocken. Zwar sind die Arbeitsbedingungen so angenehmer, aber: „Sonst hat die Natur um diese Jahreszeit immer für uns gegossen“, sagt Maria. „Wenn wir das Gießen auch noch händisch machen müssen, nimmt das sehr viel Zeit in Anspruch“, erklärt die 36-Jährige.
Für sie und Saskia ist die Frühlingssaison eine stressige Zeit. Das Auftragsbuch ist voll, zahlreiche Kunden wünschen sich eine schöne Grabbepflanzung für ihre verstorbenen Angehörigen. Bis zu den Eisheiligen Mitte Mai müssen sie alles gepflanzt haben, damit die Gewächse Wurzeln entwickeln können und dichter werden.
Wenn die große Sommerhitze kommt, nimmt das Bewässern fast die ganze Arbeitszeit in Anspruch. Etwa 1.500 Gräber betreut ihr Arbeitgeber, die Friedhofsgärtnerei Annes, in Köln. Jedes Jahr im Frühling setzt das Team bis zu 25.000 Pflanzen ein.
Mulchhügel anlegen, pflanzen, wässern, Gewächse zurechtschneiden, Unkraut entfernen, Gräber dekorieren: Das gehört zum Alltag der Friedhofsgärtnerinnen. Maria macht den Job seit zehn Jahren. Sie ist ausgebildete Gärtnerin im Garten- und Landschaftsbau. „Dieses Gestalterische, Künstlerische und Fummelige finde ich gut“, sagt die 36-Jährige. Zuvor hat sie als Floristin gearbeitet. Der Job sei aber schlecht bezahlt gewesen und habe kaum Zukunftsaussichten. „Die Leute kaufen Topfpflanzen, fast keine Schnittblumen mehr. Und wenn doch, dann an der Kasse beim Aldi.“
Kollegin Saskia kommt ursprünglich aus dem Hotelgewerbe. Doch wegen der Corona-Krise bekam sie keinen Job. Auf den Beruf der Friedhofsgärtnerin wurde sie durch ihre beste Freundin aufmerksam. „Sie hat so viel Gutes über den Job erzählt. Und draußen im Garten zu sein, das mochte ich schon immer.“
Friedhofsgärtnerin zu sein, ist ein körperlich fordernder Job. Maria und Saskia erbringen viel Zeit auf den Knien. Dank Kniepolstern ist das kein Problem. Aber: „Ich merke es langsam im unteren Rücken“, sagt Maria. „Ich bin allerdings auch selbst schuld. Würde ich meine Übungen regelmäßig machen, hätte ich auch die Probleme nicht.“ Ihre drei Jahre jüngere Kollegin fühlt sich noch fit. Diejenigen, die den Beruf bis zur Rente ausüben, haben oft dauerhafte körperliche Einschränkungen.
Im Büro der Friedhofsgärtnerei nimmt Mitarbeiter Norbert Klein die Aufträge der Kunden entgegen. Er bleibt mit den Angehörigen der verstorbenen Personen in ständigem Kontakt, koordiniert die Friedhofsgärtner und die Arbeitsabläufe. Obwohl er mit der Arbeit gerade kaum hinterherkommt, hätten sich die Umstände deutlich geändert, sagt Klein. „75 Prozent aller Beerdigungen sind inzwischen Urnen-Beerdigungen.“
Die Pflege eines Einzelgrabs inklusive drei Bepflanzungen kostet knapp 400 Euro pro Jahr, ein Doppelgrab 100 Euro mehr. Ein Luxus, der häufig zu Familienstreitigkeiten führt und den man sich leisten können muss. Klein vergleicht das mit dem Hausbau. „Da denkt man auch erst als Letztes an den Garten.“
Saskia stimmt ihm zu. „Sterben ist so teuer“, sagt die 33-Jährige. „Es ist ja nicht nur das Grab mit der Pacht, es kommt noch viel mehr dazu. Viele Menschen möchten ihren Angehörigen nicht mit einer großen Grabstelle zulasten fallen, denn entweder müssen diese dann uns mit der Pflege beauftragen – das kostet Geld – oder sich selbst kümmern, das kostet Zeit.“ Oft wohne die Verwandtschaft weit entfernt.
Grabbepflanzung: Im Frühjahr ist Hochsaison für die Gärtnerinnen. (Quelle: Martin Henning)