In Berlin kannst du alles sein. Du kannst mit Taucheranzug und Flossen bekleidet Ringbahn fahren, als Lack-und-Leder-Hund dein „Herrchen“ zum nächsten Straßenfest begleiten oder sonntagmorgens im Bademantel Brötchen kaufen. Kein Problem, juckt niemanden. Der Berliner ist geübt darin wegzuschauen und Individualität kein Kriterium, ein zweites Mal hinzuschauen.

Leben und leben lassen! Das ist und bleibt in dieser Stadt der oberste Leitgedanke, das letzte Stück Freiheit, das man sich hier noch leistet. Vielleicht sogar das Letzte, was in Berlin überhaupt noch leistbar ist.

Es sei denn, Achtung! Du bist Harry Styles.

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Seit Wochen hält der Mann, der mit der Band „One Direction“ berühmt wurde, mit „Watermelon Sugar“ den weiblichen Orgasmus besang und zuletzt mit seiner „Love on“-Tour Herzen und Hallen füllte, Berlin in Atem. Instagram und Tiktok sind voll von Fotos und Videos, in denen er wahlweise in einem Café, mit Leihfahrrad oder vor den Hansa-Studios gesichtet wird, mal mit seinem Produzenten Kid Harpoon, mal mit einer „unbekannten Frau“, mal alleine.

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Ann-Kathrin Hipp Ann-Kathrin Hipp hat beim Tagesspiegel volontiert und leitet mittlerweile den preisgekrönten Newsletter „Checkpoint“. Einmal im Monat hostet sie zudem den Ringbahn-Podcast „Eine Runde Berlin“. Auf Radioeins kommentiert sie regelmäßig das politische Geschehen in Berlin & Bund.

„An diesen Orten liegt sein Vanilleparfüm noch in der Luft“, schreibt die Berliner Zeitung. „Augen auf! Hier könnten Sie auf Harry Styles treffen“, schreibt die Berliner Morgenpost. „Ganz Berlin sucht Harry. Wir suchen mit“, schreibt Zeit Online. Das ProSieben-Magazin „taff“ ist dem „Superstar auf der Spur“ und die Macher des digitalen Stadtmagazins „Mit Vergnügen“ empfehlen praktischerweise gleich fünf Orte, wenn auch ihr „auf seinen Spuren durch Berlin wandern wollt“. „Brisant“ berichtet.

Kaum ist ein internationaler Star hier Dauergast, verliert sich die Stadt, die sich gerne selbst zu cool ist, in einer Mischung aus britischem Paparazzitum und deutscher Provinzialität. Alles für den perfekten Schnappschuss, alles für den Hype, alles gegen jegliche Privatsphäre. Und jede Sichtung eine Schlagzeile. Nichts und niemanden hat Berlin in den vergangenen Jahren mit vergleichbarer Penetranz gejagt – vielleicht noch das als Löwin verkleidete Wildschwein in Kleinmachnow.

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Dabei wird im Dauertakt auch über die Gründe für den (Dauer-)Aufenthalt des Popstars spekuliert. Wenn der schon so eisern und seit jeher über sein Privatleben schweigt, dann werden doch wenigstens andere was dazu zu sagen haben. Oder? Na klar! Je nachdem, wen man fragt (oder welcher Insider sich gerade ungefragt meldet), nimmt Harry hier sein neues Album auf, eifert David Bowie nach, liebt Berlin oder eine Berlinerin. Die „Bild“ will wissen, dass sich der Musiker eine Immobilie zugelegt hat, eine Tiktokerin feiert sich öffentlich als neue Nachbarin, nachdem er den Schlüssel vergessen und bei ihr geklingelt haben soll.

Ach Berlin, wie kannste dir so verändern. Früher hätte man Prominente hier prominent ignoriert statt angehimmelt, sich damit gebrüstet, nicht zu wissen, wer dieser Harry ist, statt zu wissen, wo er gerade seinen Matcha Latte trinkt. Vielleicht sollten wir wieder mehr Lässigkeit wagen. Ihm zuliebe – und auch uns.