Vor drei Jahren klang das alles noch ganz anders. Nach Corona und Lockdowns schien der Kulturbetrieb am Ende zu sein. Jetzt dagegen können die Württembergischen Staatstheater Stuttgart mit Superlativen aufwarten. Dass die Auslastung des berühmten Balletts bei 99,6 Prozent liegt, mag nicht weiter verwunden, aber auch Oper und Schauspiel sind bestens besucht, sodass die Durchschnittsauslastung der drei Sparten bei 89 Prozent liegt. Das macht sich auch finanziell bemerkbar, sagt der Geschäftsführende Intendant Marc-Oliver Hendriks. Die Einnahmen steigen stetig – in dieser Spielzeit rechnet man mit mehr als 17 Millionen Euro.

Damit das so weitergeht, haben sich Oper, Ballett und Schauspiel sehr viel vorgenommen für die neue Saison. Mehr als 200 Seiten ist das neue Spielzeitheft dick. Das breite Angebot schlägt zwar manche Bögen in die Vergangenheit mit Shakespeares „Hamlet“ und Schillers „Die Räuber“, mit Neuinszenierungen von Puccinis „Turandot“ und Wagners „Die Meistersingern von Nürnberg“. Insgesamt ist das Programm aber sehr heutig und auf aktuelle Fragen ausgerichtet.

Experimente mit Künstlicher Intelligenz

So wird das Schauspiel Stuttgart am 28. Mai das Innovationslabor Zukunft eröffnen, das sich mit dem künstlerischen Potenzial der Künstlichen Intelligenz befasst. Mit dabei sind der Wissenschaftler Range Yogeshwar, das Kollektiv La Fura dels Baus und Theaterleute, die auf der Bühne mit KI experimentieren. „KI wird uns alle betreffen“, sagt der Intendanz Burkhard C. Kosminski, weshalb das Innovationslabor über drei Jahre laufen wird. Im Kammertheater, das die Bühne für neue Texte ist, wird auch „KI essen Seelen auf“ von Thomas Köck uraufgeführt werden über die Frage, wie viel Macht KI über uns hat. „Pretty Privilege“ von Wilke Weermann wird sich dagegen Schönheit in Zeiten manipulierter Bilder befassen.

Eines der sicher spektakulärsten Projekte des Schauspiels wird „Die Ermittlung“ von Peter Weiss sein. Das Stück über die Auschwitz-Prozesse war eines der erfolgreichsten in der Nachkriegszeit. Kosminski wird es am 1. Oktober im Landtag herausbringen, danach können Städte und Institutionen die Inszenierung einladen – das Stuttgarter Landgericht hat bereits Termine gebucht.

Ballettabend mit Avatar

Auch das Stuttgarter Ballett experimentiert mit neuen Medien. Beim Ballettabend „Interaktion“ kommen digitale Medien auf der Bühne zum Einsatz – und wird unter anderem der Kammertänzer Friedemann Vogel in einer Solo-Performance von einem Avatar begleitet. Bei dem neuen Ballettabend „Augenblicke“ (6. März) wird die Halbsolistin Vittoria Girelli ihre erste eigene Choreografie auf die große Bühne bringen – ergänzt durch „Shut Eye“, das 2016 am Nederlands Dans Theater herauskam und einer Choreografie von Christopher Wheeldon.

Auch für ein junges Publikum haben alle drei Sparten ein großes Angebot – zum Anschauen und zum Mitmachen. Das Ballett wird im Winter wieder „Der Nussknacker“ für Familien ins Programm nehmen und die Oper das Singspiel „Der Räuber Hotzenplotz“, während das Schauspiel Michael Endes „Unendliche Geschichte“ neu herausbringen wird. Wie man ein breites Publikum anspricht, beweist man auch mit „Ballett im Park“, das es bereits seit 20 Jahren gibt, mit Programmen wie Oper meets HipHop oder mit dem neuen Musiktheaterstück über Nina Simone und Frank Sinatra. Schlagzeilen wird man sicher auch wieder mit der Opernperformance „Sancta“ von Florentina Holzinger machen, die wegen der großen Nachfrage ab 11. Oktober erneut in der Oper zu sehen sein wird.