Ihr Eintrittsticket zur „All-You-Can-Taste-Area“ beim Stuttgarter Tastival sieht Louisa Barg nicht als Flatrate für ein Saufgelage. Bei dem zweitägigen Event im Haus der Geschichte lassen sich zwar für 39,95 Euro 30 verschiedene Wein- und Biersorten durchprobieren. Die 27-jährige Barg stellt am Freitagabend allerdings klar: „Ich finde die Qualität beim Alkohol wichtiger als die Quantität, sonst wäre ich nicht bei einem Tasting.“ Mit dieser Einstellung ist die Beamtin aus Stuttgart im Haus der Geschichte offenbar nicht allein. „Es geht hier sehr gediegen zu – obwohl sich die Leute ja auch abschießen könnten“, fügt Barg hinzu.

Dem Alkoholtrinken hafte zwar oft ein „Halli-Galli-Image“ an, sagt Thorsten Schwämmle, der mit seiner Stuttgarter Bar Kraftpaule einer der Veranstalter des Tastivals ist. „Wir wollten hier aber einen modernen Rahmen schaffen, in Verbindung mit einem kulturellen Event.“

Die Gläser werden beim Tastival nicht bis ans Limit gefüllt

Der Probierbereich umfasst das lila ausgeleuchtete Foyer im Haus der Geschichte und das Museumsrestaurant Tempus. Hier haben jeweils fünf Brauereien und Winzereien ihre Stände aufgebaut.

Ohne Eintrittskarte ist beim Tastival der Außenbereich des Tempus’ zugänglich, dort stehen Bierbänke und ein Foodtruck, das Stuttgarter DJ-Netzwerk STR.711.Kollektiv legt Musik auf.

Frei zugänglich: der Außenbereich beim Tastival. Foto: LICHTGUT/Max Kovalenko

Der Trend gehe inzwischen immer mehr dahin, Alkohol gezielter zu konsumieren, erzählt Schwämmle. „Deswegen gibt es hier nur kleine Samples“, sagt er über die Stände beim Tastival. Das heißt: Die Gläser werden nicht bis ans Limit gefüllt, damit man sich durch möglichst viele Sorten durchprobieren kann – ohne irgendwann so betrunken zu sein, dass alles gleich schmeckt.

Schwämmle hat den Bierbereich der Veranstaltung nach eigener Aussage „kuratiert“. Aus Erfahrung wisse er, dass der große Hype um Craft Beer – handwerklich gebraute Biere von Kleinbrauereien – längst abgeflacht sei. Diese Entwicklung hat für Schwämmle aber auch positive Seiten. „Der Markt ist gewissermaßen bereinigt“, sagt der 45-Jährige. „Es bestehen die Brauereien, die Qualität und Konstanz anbieten.“ Mit Events wie dem Tastival wolle er dem Publikum die Vielfalt der Szene näher bringen.

Wie ein Rote-Beete-Bier entsteht

Neben dem Kraftpaule sind der Cannstatter Keller, die Brauerei Eremita – treffenderweise im Örtchen Birenbach bei Göppingen angesiedelt –, Camba aus dem bayerischen Seeon-Seebruck und Orca Brau aus Nürnberg vor Ort. Die Sorten reichen von einem Indian Pale Ale mit Mandarinen-, Ananas- und Piniennoten über ein Dunkelbier mit den Geschmacksrichtungen Schokolade, Kaffee und Vanille bis hin zu einem Bier-Wein-Hybrid.

Stark nachgefragt ist am Freitagabend unter anderem das „Rotkehlchen“ von Eremita, das durch seine rötlich schimmernde Farbe auffällt. Es handelt sich um ein Farmhouse Ale mit roter Beete und Zitronenthymian.

Wie entsteht eine solche Kombination? „Es ist ein bisschen wie beim Kochen“, erzählt Ola Seibold, die Co-Inhaberin der Brauerei. „Wir wollten etwas mit roter Beete machen und haben dann ausprobiert, was dazu passt.“

Tastival im Haus der Geschichte hat keinen Volksfest-Charakter

Frische Ideen braucht es Mona Maisack zufolge auch im Weingeschäft. Zusammen mit ihrer Schwester Anna-Lisa betreibt die 32-Jährige den Weinhandel Wein-Moment, mit Läden unter anderem in Stuttgart und Ludwigsburg. Auf dem Tastival sind die beiden für den Weinbereich verantwortlich. „Der Gesundheitstrend geht eindeutig zu weniger Alkohol“, sagt Maisack. Auch in ihrer Sparte gelte deshalb – neben einem stärkeren Fokus auf alkoholfreie Produkte – das Mantra Qualität statt Quantität. Veranstaltungen wie das Tastival seien außerdem eine gute Möglichkeit, insbesondere junge Menschen für das „Genussprodukt Wein“ zu begeistern.

Probieren können Gäste im Haus der Geschichte Sorten von den regionalen Weingütern Gold aus Weinstadt und Kern aus Kernen im Remstal. Hinzu kommen Stände der „Wein-Schwestern“ aus dem württembergischen Löwenstein sowie der Weingüter Oberhofer aus der Pfalz und Eser aus dem Rheingau. Die Zusammenarbeit mit dem Kraftpaule beim Tastival bezeichnet Mitveranstalterin Mona Maisack als Jackpot. „Es gibt viele Freundesgruppen, bei denen die eine Hälfte nur Bier und die andere nur Wein mag.“ So bringe man nun beides zusammen.

Bier und Wein zusammenbringen

Durch diese Mischung sei für alle etwas dabei, sagt auch Besucherin Nicole Kuhn. Die 52-Jährige ist mit drei Freundinnen aus der Reutlinger Gegend angereist. Neben der geschmacklichen Vielfalt hat es ihr zudem der Ort angetan. „Das ist eine tolle Kombination, dass man sich zusätzlich zum Tasting im Museum umschauen kann.“ Für Kuhns Gruppe gilt ebenfalls: Hätte die Veranstaltung eher Volksfest-Charakter, „wären wir nicht hier“.

Infos zum Tastival 2025:

  • Das Event findet in diesem Jahr zum zweiten Mal statt.
  • Der erste Tag war der Freitag, am heutigen Samstag ist der zweite Tag der Veranstaltung.
  • Die All-You-Can-Taste Area ist von 16-20 Uhr geöffnet, Tickets für Samstag sind laut Veranstalterin Mona Maisack auch an der Abendkasse verfügbar.
  • Jeweils fünf Brauereien und Winzereien schenken Probiermengen verschiedener Sorten aus.
  • Im frei zugänglichen Außenbereich läuft bis 22 Uhr Musik.