Die CDU hat Manuel Hagel mit 94 Prozent zum Spitzenkandidaten gekürt. Der Mann, der Winfried Kretschmanns Erbe antreten will.

Genau eine Stunde nachdem Manuel Hagel in der Carl-Benz-Arena ans Mikro getreten ist, um seine Partei noch mehr davon zu überzeugen, woran sie sowieso längst nicht mehr zweifelt, stehen Günther Oettinger, Stefan Mappus und Annette Schavan neben ihm und winken in den Saal. Die beiden Herren sind schon gewesen, was Hagel auch werden will: Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Und die frühere Kultusministerin Annette Schavan ist einmal fast geworden, was an diesem sonnigen Mai-Samstag Manuel Hagels Nahziel ist: Spitzenkandidat der Christdemokraten für den Landtagswahlkampf.

Merz sieht Hagel schon als Regierungschef

Die drei Altvorderen sind nicht nur deshalb da, weil sie einmal ganz oben waren in der Landes-CDU, sondern vor allem, weil sie für die Frontlinien stehen, die die Landespartei anderthalb Jahrzehnte lang zerrissen haben. Jetzt umrahmen sie Manuel Hagel und machen so sichtbar, dass er die ehemaligen Kontrahenten um sich zu scharen geschafft und die CDU in eine geschlossene, kampfstarke Parteiformation verwandelt hat. Das ist ein Vorteil, aus dem Hagel Stärke für den Wahlkampf zu ziehen hofft. Der andere Vorteil muss sich wenig später mühsam einen Weg durch den Pulk von mit Handys bewehrten CDU-Mitgliedern bahnen: Der neue christdemokratische Kanzler Friedrich Merz kämpft sich an der Seite Hagels etwas mühsam den Weg zur Bühne. Bei Merz’ Ankunft hat Hagel sein Tagesziel schon erreicht. 93,8 Prozent der Delegierten haben ihn auf den Schild für die nächste Landtagswahl gehoben. Friedrich Merz schließt schon mit den ersten Worten seiner Rede daran an. „Ich möchte, dass – so wie ich der zehnte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland bin – Du der zehnte Ministerpräsident dieses Landes bist.“

Damit trifft Merz die Stimmung im Saal. Denn Hagel hat zu Beginn in seiner Rede zwar einmal davon gesprochen, dass Spannung in der Luft liege an diesem Tag, aber in Wahrheit ist im Saal von Anfang an Entspannung zu spüren. Politisch steht das Ergebnis in den Augen der Delegierten sowieso längst fest: Nachdem sie jetzt wieder Kanzler sind in Berlin, ist es für die meisten nur noch eine Frage von neuneinhalb Monaten, bis sie auch wieder Regierungschef im Land sein werden.

Dabei ist der Start des Delegiertentreffens aus organisatorischer Sicht ausgesprochen zäh verlaufen. Dass tausend Gäste sich angemeldet hatten – etwa doppelt so viele wie bei einem normalen Landesparteitag – haben die Parteimanager zusammen mit dem schönen Wetter vor den abgedunkelten Fenstern der Carl-Benz-Arena natürlich noch uneingeschränkt auf der Sonnenseite verbucht. Dass sich der Einlass der vielen dann aber hinzog, und der Beginn sich wegen der kanzlerbedingt erhöhten Sicherheitsanforderungen um fast eine Stunde verzögerte, ließ dann ein paar Schatten auf den Tag fallen. Schließlich spottete sogar der christdemokratische Herausforderer Manuel Hagel, der seiner Rede entgegenfieberte, bemüht-gutmütig: „Erst will man einen CDU-Kanzler, und dann bringt er erst einmal alles durcheinander.“

Schwerpunkte bei Forschung und Kinderschutz

In seiner Bewerbungsrede hat Hagel eine Mischung aus bereits bekannten Versatzstücken und einigen Neuigkeiten serviert. Dass die leise bürgerliche Mitte und die „Fleißigen im Land“ im Zentrum seiner Politik stehen sollen, hat er auch in Bad Cannstatt wieder holt. Zudem kündigte er eine „Agenda 2036“ an und versprach, die Sicherung des Wohlstands ins Zentrum seiner Politik zu stellen. „Es geht jetzt nicht mehr darum, darfs ein bisschen mehr sein?“, mahnte er. „Wir müssen jetzt die Debatte führen, woher der Wohlstand kommen soll – das braucht unsere ganze Kraft für die nächsten fünf Jahre.“ Um Dynamik für die Wirtschaft zu erzeugen, kündigte Hagel „Innovationszonen“ mit mehr Freiheiten und weniger Regulierung an. Was in diesen „Reallaboren“ funktioniere, solle anschließend im ganzen Land zur Regel werden. Insgesamt kündigte Hagel eine Politik an, die „konservativ in den Werten und progressiv in den Strukturen“ sein solle.

In der Forschungspolitik will Hagel einen doppelten Schwerpunkt setzen. Beim Thema Künstliche Intelligenz dürfe der Südwesten nicht zum Zuschauer werden. „Warum sind wir nicht so mutig, eine zehnte Landesuniversität zu gründen?“, fragte er. „Das wäre ein großer Wurf, und die Zeit dafür ist reif.“ Außerdem will Hagel das Land zur „Nummer eins“ in der Krebsforschung machen. „Dieses Land muss sich doch zutrauen, dass wir den Krebs besiegen können“ sagte er freilich ohne Details zu nennen. Für den Fall, dass es klappe mit dem Wahlsieg und der CDU-geführten Landesregierung, kündigte Hagel ein eigenes Kinderschutzgesetz in Baden-Württemberg an.

„Wir gehen zusammen in diese Landtagswahl“, versprach der Kanzler und bezeichnete Baden-Württemberg als „Reallabor der Bundesrepublik“. Hier zeige sich zuerst, wie stark oder wie anfällig das ganze Land sei. Deutschland habe sich zu lange auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausgeruht. Merz versprach, in seiner Regierung, Probleme nicht nur zu beschreiben, sondern zu lösen.

Bevor er abends nach Rom weiterreiste, um Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni seinen Antrittsbesuch zu machen, machte der neue Kanzler noch die Honneurs bei dem Mann, den Manuel Hagel nach der nächsten Wahl beerben will. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann hatte am Tag, an dem die CDU ihren Herausforderer für den Wahlkampf kürte, Geburtstag. Er werde Kretschmann gratulieren, versprach Merz. Man treffe sich zum „informellen Austausch“, hieß es zu der Begegnung im Stuttgarter Staatsministerium.