Die Suchthilfe Wuppertal beobachtet seit etwa zwei Jahren einen deutlich gestiegenen Konsum von Kokain und Crack, also einer Mischung aus Kokainsalz mit Natriumhydrogencarbonat (Natron).
„Die Verfügbarkeit hat zugenommen, die Preise sind gefallen. Damit ist die Droge auch für sozial benachteiligte Gruppen leichter zugänglich geworden“, berichtet Stefanie Gellert-Beckmann, Geschäftsführerin der Suchthilfe Wuppertal, auf Nachfrage der WZ. Und das mit teils dramatischen Folgen.
„Crack wirkt schnell, macht stark abhängig und verändert die Konsumenten oft innerhalb kurzer Zeit.“ Das Team der Streetworker sehe nun viele neue Gesichter, darunter viele junge Menschen, von denen manche erst kürzlich obdachlos geworden seien. Darüber hinaus wechselten nun auch viele langjährige Heroin-Konsumenten zu Kokain oder Crack, so Gellert-Beckmann.
Ein Grund hierfür könnte die Verknappung von Heroin sein. Bereits im April 2022 haben die Taliban den Anbau von Schlafmohn in Afghanistan verboten. Aus Schlafmohn wird Opium gewonnen, was das Grundprodukt für Heroin und Morphium ist. Das geht aus Informationen des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) hervor. Es ist also schlicht weniger Heroin erhältlich – weswegen Konsumenten zu anderen Drogen greifen.
Die durch Crack ausgelöste Verwahrlosung nimmt zu
„Gleichzeitig wird beobachtet, dass Konflikte unter den Betroffenen schneller eskalieren und die Stimmung auf der Straße deutlich angespannter ist“, berichtet Gellert-Beckmann. Besonders in Elberfeld spiele sich der Konsum zunehmend im öffentlichen Raum ab. „Die Verwahrlosung und die durch Crack ausgelösten Psychosen nehmen in hohem Maß zu.“
Aus Sicht der Streetworker sei Wuppertal über viele Jahre ein Sonderfall gewesen. Im Vergleich zu Großstädten wie Frankfurt, Köln, Düsseldorf oder Dortmund sei die Stadt lange von einer offenen, aggressiven Kokain- oder Crack-Szene verschont geblieben. Die Drogenszene in Wuppertal habe lange einen eher kleinstädtischen Charakter gehabt. „Am Haupttreffpunkt, der „Platte“ am Döppersberg in Elberfeld, kannten sich die meisten, vieles lief informell, es gab eine Art selbstregulierendes Gleichgewicht.“
Laut der Kriminalstatistik gab es in 2024 in Wuppertal insgesamt 33 registrierte Fälle von illegalem Handel mit Kokain (einschließlich Crack). Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber 2023, als es acht solcher Fälle gab. Beim illegalen Besitz von Kokain haben die Beamten in 2024 in Wuppertal 48 Fälle verzeichnet. Das sind acht mehr als 2023 (40). Die Dunkelziffer dürfte aber deutlich höher liegen.
Der Präsident des Bundeskriminalamts Holger Münch sprach jüngst von einer „Schwemme“ von Kokain in Deutschland. Bei der Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität handele es sich um ein Kontrolldelikt. Aufgrund der Corona-Pandemie könnte es zu weniger Kontrollen gekommen sein, was sich möglicherweise in dem Anstieg 2024 widerspiegelt.
Durch die Ausweitung der Ermittlungskommission „Fokus“ im Jahr 2023 auf Teile der Elberfelder Innenstadt seien auch die Kontrollen durch Kräfte der Hundertschaften erhöht worden, was zur Steigerung der ermittelnden Betäubungsmitteldelikte führte.
Laut Polizei werden unangekündigt und regelmäßig gezielte Schwerpunkteinsätze zur Bekämpfung der Straßenkriminalität initiiert, um den Verkauf und Besitz der illegalen Drogen einzudämmen. Die Ermittlungskommission Fokus wurde zur Bekämpfung der Straßenkriminalität eingerichtet und deckt mit ihrer Zuständigkeit die Schwerpunkte der Straßenkriminalität in Wuppertal ab.
Auch aus Sicht der Polizei Wuppertal sei davon auszugehen, dass ein Großteil der ermittelten Delikte an den Schwerpunkten der Elberfelder „Platte“ und dem Berliner Platz stattfinden.
Aufgrund der stadtführenden Autobahn A46 und Verbindung dieser Autobahn zur A1 und A3 sei es darüber hinaus sehr wahrscheinlich, dass Wuppertal als Drogentransportroute innerhalb Deutschlands eine Rolle spiele, ebenso wie der Wuppertaler Hauptbahnhof ein ICE-Halteplatz ist und als Drogenumschlagplatz fungieren könnte.
Die Suchthilfe Wuppertal setzt auf Soforthilfen: Zum Beispiel werde derzeit kostenloses Essen verteilt, finanziert durch Spenden – lebenswichtig, weil viele Konsumenten das Essen, Trinken oder Schlafen völlig aus dem Blick verlieren.