Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat sich am Montag „tief erschüttert“ darüber gezeigt, dass ein Polizist am späten Freitagabend in Neukölln mit einem Messer lebensbedrohlich verletzt worden ist. Der Beamte sei außer Lebensgefahr und „Gott sei Dank wieder zu Hause“.
Zudem nannte es Spranger im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses unbegreiflich, dass in den vergangenen Tagen insgesamt drei Polizisten angegriffen und teils schwer verletzt worden sind.
Bei einer Nakba-Demo am Donnerstag war ein Beamter vom Mob in die Menge gezogen und niedergetrampelt worden. Am Sonntag wurde ein Polizist beim Heimspiel des BFC Dynamo von Fans des FSV Zwickau angegriffen.
Skepsis über die Freilassung
Zum Fall des Neuköllner Polizisten äußerte sich Spranger nicht im Detail. Sie wolle es nicht bewerten, dass der Mann vier Stunden nach dem Vorfall am Freitagabend wieder auf freien Fuß gelassen wurde. Spranger ließ jedoch Skepsis durchblicken.
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„Auch ich habe die Entscheidung hinterfragt“, sagte Spranger. Die Hoheit für das Verfahren liege bei der Staatsanwaltschaft. Sie habe dazu am Wochenende auch mit Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) gesprochen. Sie vertraue darauf, dass die Tat vollständig aufgeklärt werde und lasse sich dazu auf kurzem Wege informieren.
„Die Taten müssen unmissverständliche und harte Konsequenzen nach sich ziehen“, sagte Spranger. „Der Rechtsstaat muss in Fragen der Sicherheit leistungs- und durchsetzungsfähig sein.“ Ihr gehe es darum, dass alle Polizisten nach ihren Einsätzen „gesund wieder nach Hause kommen“.
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Spranger erwähnte auch einen Bericht des Tagesspiegel zum Hergang, ging aber nicht näher darauf ein. Konkret geht es um die Frage, warum die Staatsanwaltschaft keinen Haftbefehl für den Mann beantragt, der am Freitagabend mit einem Messer einen 31-jährigen Polizisten lebensgefährlich am Hals verletzt hat.
Nach Tagesspiegel-Recherchen zu den bisherigen Ermittlungen wollte ein 28-Jähriger eine Anzeige auf der Wache an der Rollbergstraße erstatten, worauf er vom Diensthabenden um Geduld gebeten wurde. Daraufhin verließ er das Gebäude wieder und beschädigte den Angaben zufolge mit einem Messer ein Polizeifahrzeug.
Polizist schlug Mann ins Gesicht
Wie ein Video aus der Überwachungskamera zeigt, ritzte der Mann mit dem Messer an einem Einsatzwagen herum. Währenddessen trat der Beamte von hinten an ihn heran und überraschte ihn. Der 28-Jährige drehte seinen Kopf nach hinten, der Beamte schlug ihm sogleich mit der Faust ins Gesicht. Es kam zu einem Gerangel, das Messer hatte der Mann dabei weiter in der Hand. In der Folge erlitt der Beamte eine Stichverletzung am Hals.
Auf dem Video ist aber nicht erkennbar, dass der Mann auf den Beamten gezielt mit dem Messer einstechen wollte. Deshalb mangelt es an einem Verdacht auf ein Tötungsdelikt. Die Staatsanwaltschaft und die ermittelnde Mordkommission des Landeskriminalamts sind sich in dieser Interpretation einig, was noch in der Nacht zu Sonnabend zur Freilassung des Täters führte. Der 28-Jährige hat einen festen Wohnsitz, ist Deutscher und bislang nur einmal – wegen Bedrohung – polizeilich aufgefallen.
Bei der Auswertung des Videos kamen die Ermittler auch zum Ergebnis, dass der Polizist anscheinend die übliche Eigensicherung vernachlässigte, als er offenbar auf den Mann zuging, ohne ihn vorher aus einer gewissen Entfernung angesprochen zu haben. Unklar ist nach Tagesspiegel-Informationen bislang, ob er gesehen hatte, dass der Mann ein Messer bei sich trug. Eine Notoperation im Krankenhaus rettete dem Beamten, der einer Einsatzhundertschaft angehört, das Leben.
Es handle sich um ein furchtbares Ereignis, das erneut zeige, welche Gefahr von Messern ausgeht, sagte Spranger. Sie nahm den Fall zum Anlass, an die neue Strategie gegen Messergewalt mit Verbotszonen, neuer Koordinierungsstelle beim Landeskriminalamt und Methoden wie dem Entzug des Führerscheins zu erinnern.
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„Es gibt keine Rechtfertigung dafür, ein Messer in der Öffentlichkeit zugriffsbereit mit sich zu führen“, sagte Spranger. „Das Messer ist kein Mittel der Verteidigung. Ich brauche es nicht in der Jacke, um fürs Picknick gewappnet zu sein. Nicht einmal ein Handwerker braucht ein Messer im Gürtel auf dem Weg zu Arbeit“, sagte die Senatorin. „Wer ein Messer zugriffsbereit mit sich trägt, trägt eine erhebliche Mitverantwortung dafür, was dieses Messer in seiner Hand anrichten kann.“