Schleichender Abschied einer FC-Bayern-Legende

Auch wenn das wie und wann für viele Fans ein Schock ist, kam das Ende dieser Ära nicht plötzlich. Der langsame Abschied des Thomas Müllers von dem Verein, dem er seit seinem zehnten Lebensjahr angehörte, begann unter Thomas Tuchel. Seit 2009 hatte Müller Jahr für Jahr aufs neue die van-Gaalsche-Weisheit „Müller spielt immer“ bestätigt. Doch diese Rolle war nicht mehr die des Thomas Müller. Unter Thomas Tuchel saß Müller nun bei knapp der Hälfte aller Spiele auf der Bank.

Der Trainer, der kurz nach seiner Ankunft in München den Verzicht auf die Vereinslegende bei den Champions-League-Duellen gegen Manchester City damit begründete, dass diese Spiele „keine Thomas-Müller-Spiele“ seien, setzte kaum noch auf Müller. Nicht viele nahmen das als Affront wahr, gegen einen, der den FC Bayern geprägt hat, wie nur wenige vor ihm. Rekordspieler, zwölffacher deutscher Meister, zweifacher Champions-League-Sieger, Rekordvorlagengeber. Müller war jahrelang das personifizierte „Mia-san-Mia“.

Heim-EM als Belohnung für neues Rollenverständnis

Aus einem absoluten Unterschiedsspieler, berüchtigt in ganz Europa für seinen unorthodoxen Stil, für seine fußballerische Intelligenz und für seinen Spielwitz, war auf einmal ein Sorgenfall geworden. Für den Verein und für den Spieler selbst stand auf einmal die Frage im Raum, wie man mit dem Spätherbst einer legendären Fußballerkarriere umgeht.

Müller fand schnell eine Antwort. Er nahm die neue Situation an, setzte sich ohne selbst große Nebengeräusche zu erzeugen auf die Bank, stellte in Interviews immer den Verein an erste Stelle. Aus dem Raumdeuter wurde der verlängerte Arm des Trainers. Einer, der die Mannschaft coachte, anheizte – und, wenn er gebraucht wurde, da war. Müller erfand sich neu – und wurde von Julian Nagelsmann mit der Nominierung für die Heim-EM belohnt.

Der Traum vom ganz großen Abschied lebt

Auch unter dem neuen Trainer Vincent Kompany änderte Müllers Rolle sich nicht mehr. Sportlich ist der Abschied Müllers zu verkraften. Nur zehn seiner 520 Torbeteiligungen für den FC Bayern steuerte er in dieser Saison bei. Wie der FC Bayern den Abgang des personifizierten „Mia-san-Mia“ menschlich auffangen wird, bleibt abzuwarten. Doch noch ist Müller ein FC-Bayern-Spieler. Noch können die Fans das altgewohnte Bild des etwas schlabbernden roten Trikots am dünnen Oberkörper des Oberbayern aufsaugen – und vielleicht kann Müller seine Legende noch ein wenig vergrößern. Schließlich gibt es ja noch zwei große Titel zu gewinnen: „Es wäre ein Traum für mich, die Meisterschale wieder nach Hause zu holen und Ende Mai das ersehnte Finale Dahoam zu erreichen. Dafür werde ich alles geben!“, so Müller in seinem Abschieds-Statement.