Das Wichtigste in Kürze
- Am Sonntag, 18. Mai, ist es in Bielefeld in den frühen Morgenstunden zu einem Messer-Anschlag vor der Bar „Cutie“ an der Mindener Straße gekommen.
- Der Angreifer stach wahllos auf junge Partygäste ein und ist seitdem auf der Flucht.
- Fünf Personen wurden verletzt, vier von ihnen schwer – einer befand sich in Lebensgefahr.
- Die Polizei hat einen Tatverdächtigen ermittelt und sucht jetzt mit einem Fahndungsfoto (unten im Text) nach dem 35-jährigen Syrer Mahmoud Mhemed.
- Das SEK durchsuchte am Sonntag auch die Wohnung des Verdächtigen in Harsewinkel.
Bielefeld. Der Angreifer mischte sich unter die Partygäste, die am frühen Sonntagmorgen, 18. Mai, noch vor der Bielefelder Bar „Cutie“ gerade friedlich feierten, und stach offenbar wahllos zu. Die Polizei ordnet den Angriff nach Informationen der NW inzwischen als „Anschlag“ ein. Im Laufe der Ermittlungen veröffentlichte die Polizei zwei Fahndungsbilder eines Tatverdächtigen. Dabei handelt es sich um Fotos des Syrers Mahmoud Mhemed (35).
Schwerstverletztes Opfer aus dem Kreis Gütersloh ist außer Lebensgefahr
Mindestens fünf junge Menschen wurden nach Angaben der „Mordkommission Kurfürst“ bei dem Messerangriff verletzt, vier von ihnen schwer. Zwei Opfer schwebten sogar in akuter Lebensgefahr. Vor allem der Gesundheitszustand eines dieser Opfer galt lange Zeit als kritisch. Die Ärzte mussten sein Leben mit einer Notoperation retten. Am Montagmorgen teilt Polizeisprecherin Katja Küster mit, dass zwischenzeitlich keines der Opfer mehr in Lebensgefahr schwebe.
Seit dem Sonntagmorgen lief die Fahndung der Ermittler auf Hochtouren. Auch in Harsewinkel im benachbarten Kreis Gütersloh kam es am Sonntag zu einem Polizeieinsatz. Das SEK stürmte dort eine Wohnung, in der der mutmaßliche Angreifer gewohnt haben soll. Doch bei dem Zugriff war der Gesuchte nicht zu finden. Die Fahndung dauert an.
So sieht der mutmaßliche Täter von Bielefeld aus
Der Tatverdächtige, der Partygäste vor dem Bielefelder „Cutie“ angegriffen haben soll, heißt Mahmoud Mhemed, ist Syrer und wohnhaft in Harsewinkel.
| © Polizei
Laut Polizei handelt es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen 35-jährigen gebürtigen Syrer, wohnhaft in Harsewinkel: Mahmoud Mhemed ist am 1. Januar 1990 in Al Raqqa (Syrien) geboren und sei bislang polizeilich nicht in Erscheinung getreten. Er befinde sich seit August 2023 in Deutschland und lebe hier seitdem mit einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung.
Nach der Flucht des Täters vom Tatort in der Bielefelder Innenstadt fanden „in Harsewinkel Durchsuchungsmaßnahmen statt, die jedoch nicht zur Festnahme des Tatverdächtigen führten“, hieß es am Sonntagabend von der Polizei. „Die Fahndungsmaßnahmen nach dem Tatverdächtigen laufen weiterhin mit Hochdruck.“
Ihre Täterbeschreibung präzisierte die Polizei am Abend wie folgt:
- schwarze Hose
- weißes T-Shirt, länger geschnitten, oversized, schaute unter dem Pullover hervor
- schwarzer Hoodie
- schwarze Basecap
- schwarzer Vollbart
- 30 bis 35 Jahre alt
- etwa 1,65 Meter groß
- schwarze Haare
- braune Augen
- mollige Statur, zumindest am Bauch, an den Schultern kräftiger
Wichtige Warnung: Es sei nicht auszuschließen, dass der mutmaßliche Täter noch immer bewaffnet ist, erklärt die Polizei weiter. Wer den Tatverdächtigen antrifft, soll deshalb umgehend den Notruf der Polizei über 110 wählen und Abstand halten, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen. Mahmoud Mhemed sollte keinesfalls angesprochen werden, raten die Sicherheitsbehörden.
Ein zweites Fahndungsfoto zeigt den tatverdächtigen Syrer, der in Bielefeld Menschen vor der Bar „Cutie“ angegriffen haben soll.
| © Polizei Bielefeld (Fahndungsfoto)
Das ist zur Tat vor dem Bielefelder „Cutie“ bekannt
Seit 4.20 Uhr an jenem Sonntagmorgen ist die Polizei bereits in der Bielefelder Innenstadt ununterbrochen im Einsatz: Um diese Uhrzeit feierten viele junge Leute vor der Szene-Bar „Cutie“ unter dem Ostwestfalendamm (im Dreieck Mindener Straße, Große-Kurfürsten-Straße, Jöllenbecker Straße). Seit 23 Uhr lief dort eine House-Party unter dem Motto „DJ Master Action Zone“. Nach Angaben der Polizei hatte sich der Täter unter die Feiernden gemischt und plötzlich seine Messer gezückt haben.
Die Tat soll sich nach NW-Informationen wie folgt abgespielt haben: Der Täter stach mit zwei Stichwaffen wahllos auf die Feiernden ein. Dabei soll er ein Messer sowie einen Stockdegen eingesetzt haben. Ein Stockdegen ist eine Art Spazierstock, in dem ein oder sogar mehrere Klingen griffbereit versteckt sein können. Mit so einer Waffe hat ein Angreifer eine deutlich höhere Reichweite.
Trotzdem gelang es einigen Anwesenden, den Mann zu attackieren und mit Schlägen zu Boden zu bringen. Einer der Helfer soll den Täter sogar gegen den Kopf getreten haben. Dabei wurde der Täter im Gesicht verletzt.
Hier ein Zeugenbericht: Nach dem Messeranschlag dankt das Bielefelder „Cutie“ dem Lebensretter
Zeitweise sollen die Helfer den Angreifer sogar festgehalten haben. Die Polizei hatte zwischenzeitlich bestätigt, dass der Gesuchte Verletzungen im Gesicht haben dürfte, zumindest aber blutverschmiert gewesen sein dürfte. Trotzdem gelang es dem Täter, sich loszureißen und in Richtung Feilenstraße / Friedenstraße zu flüchten.
Vier junge Männer und eine Frau teils schwer verletzt
Mordkommission ermittelt vor dem „Cutie“ (Bielefeld)
Zum Zustand und der Zahl der Verletzten des Messerangriffs hieß es von der Polizei noch am Sonntagabend, es seien mindestens fünf Personen verletzt worden, vier junge Männer und eine Frau. Zwei der Personen sollen lebensgefährliche Stichverletzungen davongetragen haben. Einer von ihnen wurde in ein künstliches Koma versetzt, die Ärzte mussten sein Leben während einer Not-OP retten. Sie hatten Erfolg: Seit Montagmorgen ist klar, dass der junge Mann nicht mehr in Lebensgefahr schwebt. Drei weitere der Opfer wurden schwer verletzt.
Die Polizei benennt die Opfer wie folgt: Verletzt wurden ein 22-jähriger Mann aus dem Kreis Gütersloh, drei Bielefelder (26, 24, 27) und eine 26-jährige Frau aus Gütersloh. Wer von ihnen schwer oder sogar lebensgefährlich verletzt wurde, das will die Polizei nicht konkretisieren. Unter den Opfern des Messerangriffs sollen sich laut Informationen aus Sicherheitskreisen junge Männer aus der Arminia-Fanszene befinden. Es heißt, dass diese eingriffen, nachdem sie die Gefahr erkannt hatten.
Kommentar: Angriff in Bielefeld: Das schwierige Gleichgewicht zwischen Freiheit und Sicherheit
Die Hintergründe der Tat und die Motive des Tatverdächtigen seien auch am Montag noch unbekannt, bestätigt die Polizei. Man ermittele noch in alle Richtungen. „Wir können sagen, dass wir bisher keinen Hinweis auf eine politisch motivierte Tat gefunden haben“, sagte eine Polizeisprecherin am Sonntag. Sehr wohl spricht einiges aber für eine religiös motivierte Tat.
Anschlagsplan: Messer, brennbares Benzin und Papiere
Vieles spricht dafür, dass der Täter seinen Angriff geplant hat. Nach der Tat hatten Ermittler am Tatort in der Bielefelder City mehrere Messer gefunden, darunter das Tatmesser und den Stockdegen. Zu den sichergestellten Messern machte die Mordkommission aus ermittlungstaktischen Gründen keine weiteren Angaben. Die These, dass der Angreifer einen Anschlag geplant hat, wird auch durch einen weiteren Fund gestützt: In einer Tasche in der Nähe des Tatorts fand die Polizei eine Flüssigkeit in einer PET-Flasche. Dem Geruch nach handelte es sich um Benzin. Wollte der Täter die Plastikflasche als brennenden Molotow-Cocktail einsetzen? Angesichts der Beschaffenheit wohl eher nicht. Oder hatte er vor, jemanden oder sich selbst mit der brennbaren Flüssigkeit zu übergießen und anzuzünden?
Die Kripo geht davon aus, dass die Tasche vom Täter am Tatort zurückgelassen oder verloren wurde. Denn neben der Flasche fanden sich dort die Aufenthaltspapiere des nun gesuchten Verdächtigen. Laut Philipp Kalbertodt, Sprecher der Staatsanwaltschaft, bestätigt: „Wir rechnen die Papiere dem Tatverdächtigen zu.“
Spurensicherung in der Bielefelder City, SEK in Harsewinkel
An der Friedenstraße/ Unterführung Jöllenbecker Straße sichert ein Team der Spurensicherung am Sonntag Blutspuren.
| © Paul Brinkmann
Am späten Sonntagnachmittag bestätigte Polizeisprecherin Hella Christoph, dass die Polizei etwa gegen 15.20 Uhr in Harsewinkel im Kreis Gütersloh die Wohnung des Gesuchten gestürmt hat. Weil bei dem Gesuchten mit Gegenwehr und mit dem Einsatz von Waffen zu rechnen war, hat hier das SEK die Mordkommission unterstützt. Doch in der Wohnung war Mahmoud Mhemed nicht mehr anzutreffen. Bei dem Wohnhaus handelt es sich um ein kommunale Flüchtlingsunterkunft, die idyllisch im Grünen gelegen ist. Die Ermittler durchsuchten die Wohnung auch auf der Suche nach Hinweisen auf das Motiv des Täters.
Dem Vernehmen nach fanden sie dort durchaus wichtige Hinweise auf die Gesinnung des Tatverdächtigen. Ein Mitbewohner der Unterkunft berichtete, dass der Verdächtige viel über TikTok Kontakte nach Ägypten, Syrien und in den Irak gepflegt habe. Dort sei es in den Gesprächen viel ums „Töten“ und „Abschlachten“ gegangen. Insbesondere im vergangenen halben Jahr hätten sich seine Unterhaltungen viel ums „Töten“ gedreht.
Gab es bei dem Harsewinkler eine religiöse Radikalisierung?
Hat sich der 35-Jährige in seiner Unterkunft radikalisiert? Der Syrer soll seinen Bruder durch den Islamischen Staat (IS) verloren haben, den Tod seines Bruders aber gegenüber anderen Syrern als gut bezeichnet haben. Er habe zuletzt betont, nach Syrien zurückkehren zu wollen, um dann für den IS gegen die syrische Regierung kämpfen zu wollen.
In der Bielefelder Innenstadt waren die Teams der Spurensicherung und der Mordkommission lange Zeit am Tatort beschäftigt. Unter anderem wurde auch ein Spürhund mit der Suche nach Waffen eingesetzt. Die Ermittler untersuchten weiträumig die Gegend. Die Mindener Straße musste dafür in Richtung City bis in die Mittagsstunden gesperrt bleiben. Die Fußgänger- und Radfahrer-Unterführung an der Jöllenbecker Straße (zwischen „The Good Hood“ und Friedenstraße) wurde ebenfalls zeitweise gesperrt. Auch hier sicherte die Polizei Spuren, ein großer Blutfleck war auf der Straße zu sehen. Offensichtlich hatte hier der Täter oder ein weiteres Opfer Blut verloren.
Im Zusammenhang mit dem Angriff vor der Bielefelder Bar „Cutie“ durchsuchte die Polizei am Sonntag auch ein Gebäude in Harsewinkel im Kreis Gütersloh.
| © Paul Brinkmann
Abgesperrt blieb auch am Abend weiterhin der unmittelbare Tatort vor dem „Cutie“, wo gegen 17.30 Uhr Aufräumarbeiten starteten.
Die Ermittlungen hat die „Mordkommission Kurfürst“ unter Leitung des Ersten Kriminalhauptkommissars Markus Mertens aufgenommen. Ein Kapitaldezernent der Staatsanwaltschaft Bielefeld hat vonseiten der Anklagebehörde die Ermittlungen übernommen.
Video vom Tatort in der Bielefelder Innenstadt
Das folgende Video zeigt unkommentiert Szenen vom Einsatz und der Spurensicherung in der Bielefelder Innenstadt vor der Bar „Cutie“ und rund um den Tatort sowie von der Spurensicherung an der Friedenstraße:
Polizei sucht Zeugen, Fotos, Videos vom Angriff am „Cutie“
Zeugen der Tat werden gebeten, sich bei der Mordkommission unter den neuen, extra für Hinweise eingerichteten Telefonnummer 0800-8070110 zu melden und eventuell vorhandenes Foto- und Videomaterial zur Verfügung zu stellen. Die Polizei Bielefeld hat außerdem ein Hinweisportal eingerichtet. Hier können Hinweise zur Tat ebenfalls mitgeteilt werden sowie Medieninhalte an die Polizei geschickt werden.
Personen ohne Zugang zu Social Media können jetzt außerdem via Newsticker auf der Website der Polizei Bielefeld den aktuellen Informationen der Polizei folgen.
Bielefelder Club Nr.z.P. reagiert – „Heute ist kein Tag zum Tanzen“
Das in direkter Nachbarschaft des „Cutie“ gelegene Nr.z.P. sagte eine für den Sonntagabend geplante Veranstaltung ab und teilte auf seinem Instagram-Account eine Story von DJane Hayzel Butt. In dem „Statement aus Solidarität“ heißt es: „Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien. Wir bedanken uns bei allen Einsatzkräften für ihre Arbeit.“ Und weiter: „Heute ist kein Tag zum Tanzen. Heute ist ein Tag für Mitgefühl und Anteilnahme.“ Bielefeld sei und bleibe ein offener Raum für Kultur und Gesellschaft, der sich durch Respekt und Zusammenhalt auszeichne.
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