Es ist ein Paukenschlag über Brandenburg hinaus: René Wilke (parteilos, ehemals Linke), Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), soll nach dem Willen von Ministerpräsident Dietmar Woidke neuer Innenminister und damit Nachfolger von Katrin Lange (beide SPD) werden, die letzten Freitag wegen der Verfassungsschutz-Affäre zurückgetreten war.
Die Personalie, über die der Tagesspiegel vorab berichtete, bestätigte Woidke am Montagnachmittag bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in der Potsdamer Staatskanzlei. Er kenne René Wilke schon lange. Er genieße „hohes Ansehen bei den Menschen in diesem Land“. Seine Aufgabe als Oberbürgermeister habe er „herausragend gut“ gemeistert, es geschafft, der Stadt Frankfurt (Oder) neues Selbstbewusstsein zu geben.
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Wilke, 40 Jahre, ist seit 2018 Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt an der Oder. Vorher war er vier Jahre direkt gewählter Landtagsabgeordneter der Linkspartei, die er voriges Jahr auch wegen der Linke-Positionen zum Ukraine-Krieg verlassen hat. Er ist im Präsidium des Deutschen Städtetags.
Wilke habe sich als Krisenmanager bewährt
„Wir können nur gemeinsam, kommunale Ebene und Landesregierung die Herausforderungen lösen“, so Woidke. Dafür stehe Wilke, der sich als Krisenmanager bewährt habe, zum Beispiel beim Oderhochwasser im vergangenen Jahr. Er sei ein Mensch, der „mit der nötigen Emotionalität“ auf die Menschen zugegangen sei. Der gesamte Bereich Migration und Integration von Geflüchteten werde darüber entscheiden, wie es weitergehe mit dem Land und mit der Gesellschaft, der eine weitere Spaltung drohe. Auch für diese Aufgabe sei Wilke der Richtige. Er sei „ein sympathischer Mensch, der Herausforderungen entschlossen angeht“.
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Dietmar Woidke (SPD) stellte René Wilke (parteilos, l.) am Montagnachmittag als neuen
Brandenburger Innenminister vor.
© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN
Er wolle die Chance ergreifen, wichtige Themen von der neuen Position aus zu gestalten, sagte Wilke. „Ich kenne den Spagat zwischen der notwendigen Klarheit und der Menschlichkeit und des Anstands beim Thema Migration.“ Er sehe seine Aufgabe darin beizutragen, dass es weniger Spaltung und Ängste gibt. Er gehe die neue Aufgabe mit großer Demut an.
Wilke gilt als erfolgreicher Kommunal- und Realpolitiker
Zu Woidke, der im Zuge der Lange-Affäre wie nie zuvor in den eigenen Reihen und in den Medien unter Druck geraten war, passt die Überraschungs-Personalie perfekt. Wilke hat über Brandenburg hinaus ein glänzendes Renommee. Wilke gilt als hochkompetenter, kommunikativer und erfolgreicher Kommunal- und Realpolitiker. Er war aus der Linkspartei frustriert ausgetreten, steht für einen realistischeren, pragmatischeren Kurs in der Migrationspolitik, auch für nötige Abschiebungen.
Woidke schätzt Wilke schon lange. In seiner Regierungszeit hat er mehrfach auf parteilose Experten und Personalien außerhalb des „klassischen“ und immer dünneren SPD-Reservoirs gesetzt. Das geschah auch bei der Bildung der SPD/BSW-Regierung, wo ein CDU- und FDP-Mitglied auf Staatssekretärsposten kamen. Unklar ist bislang, ob die SPD nach den Erschütterungen der letzten Woche eine solche Personalie mittragen würde. Das SPD/BSW-Bündnis hat nur eine Mehrheit von zwei Stimmen im Parlament.
Lange trat wegen Verfassungsschutz-Affäre zurück
In der Affäre um die Entlassung des versierten Verfassungsschutzchefs Jörg Müller und die Hochstufung der AfD zur „gesichert rechtsextremen Bestrebung“ in Brandenburg war Innenministerin Lange am vergangenen Freitag zurückgetreten.
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Sie hatte den Posten erst seit fünf Monaten inne. Auf dem nächsten Parteitag der Brandenburger SPD im Juni will sie auch nicht mehr als Vize-Vorsitzende kandidieren. Lange hatte dem Verfassungsschutzchef vorgeworfen, sie erst am 5. Mai über die bereits am 14. April erfolgte AfD-Hochstufung informiert zu haben – und ihn gefeuert. Selbst in der eigenen Partei konnte Lange den Vorwurf nicht entkräften, mit der Entscheidung den Verfassungsschutz geschwächt zu haben.
Das Ministerium für Inneres und Kommunales, zuständig für die Polizei mit rund 8000 Polizisten, Feuerwehr, den Verfassungsschutz, die Städte, Gemeinden und Kreise, zählt zu den wichtigsten Ressorts der Brandenburger SPD/BSW-Landesregierung.
Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßt Entscheidung
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte die schnelle Personalentscheidung Woidkes. Diese zeige den Stellenwert, den innere Sicherheit bei der Landesregierung habe. „Bei den vielen Baustellen, die wir in der Brandenburger Polizei haben und der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung ist es ungemein wichtig, dass wir kontinuierliche Entscheidungsprozesse im Innenministerium haben und so die Polizei stärken und das Sicherheitsgefühl der Menschen in Brandenburg erhöhen“, sagte die GdP-Landesvorsitzende Anita Kirsten.
„Mit René Wilke bekommen wir einen Innenminister, der nicht nur politische Erfahrung mitbringt, sondern sich bereits auch mit praktischen Maßnahmen als Oberbürgermeister in den Bereich der inneren Sicherheit eingebracht hat“, so Kirsten. Sein Engagement zeige sich in der proaktiven Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden, der Reaktion auf spezifische Vorfälle und der Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung des Sicherheitsgefühls der Bürger.
Für den morgigen Dienstag hatte die SPD bereits eine Sondersitzung des erweiterten SPD-Landesvorstandes angesetzt. Am Mittwoch und Donnerstag tagt das Landesparlament, am Donnerstag soll Wilke vereidigt werden, kündigte Woidke an.
Positive Reaktionen auf die Personalie
Die Reaktionen aus der Politik auf die Personalie sind positiv. René Wilke stehe für eine pragmatische Politik des Zuhörens und Anpackens, so SPD-Landtagsfraktionschef Björn Lüttmann. „Als Brückenbauer – gerade in Fragen der Migration und Integration – wird er unserem Land guttun.“
René Wilke sei „eine gute Wahl“, sagte BSW-Fraktionschef Niels-Olaf Lüders. Frühere Positionierungen von Wilke zeigten, dass er um die Probleme, die sich aus einer unkontrollierten Migration ergeben, nicht herumrede, die Probleme der Menschen und Kommunen ernstnehme.
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Zurückhaltend-positiv kommentierte Wilkes frühere Partei Die Linke die Personalie. „Diese Personalentscheidung ist sicherlich nicht die schlechteste, die Dietmar Woidke als Ministerpräsident getroffen hat“, so der Landeschef der nicht mehr im Landtag vertretenen Linken, Sebastian Walter. Wilke sei „ein kompetenter und überzeugender Interessenvertreter der Brandenburger Kommunen“. Gespannt sei die Linke, wie Wilke mit dem BSW in der Landesregierung zusammenarbeiten wolle, weil Sahra Wagenknecht einer seiner wesentlichen Beweggründe gewesen sei, die Linke zu verlassen.
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Wie Walter weist auch der Landeschef der nicht mehr im Landtag vertretenen Grünen, Clemens Rostock, darauf hin, dass es in Frankfurt (Oder) nun nicht zu Instabilität kommen dürfe. „Sein möglicher Rückzug ist eine politische Zäsur für Frankfurt (Oder), die eine große Lücke hinterlässt – inhaltlich wie personell, so Rostock. Die Nominierung Wilkes für das Amt des Innenministers sei „eine überraschende, aber geeignete Wahl. Seine Arbeit als Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) war geprägt von Pragmatismus, Verantwortungsbewusstsein und einer überparteilichen Handschrift“.