Michael Kreft ist Patient im Adipositaszentrum des Klinikums St. Georg in Leipzig-Grünau. Im Februar vergangenen Jahres begann er dort seine Therapie. Damals mit um die 200 Kilogramm Gewicht. Mittlerweile hat er gut 70 Kilo verloren. Ohne Hilfe von außen, sagt der 53-Jährige aus Leipzig MDR SACHSEN, wäre ihm das nicht gelungen.

Ab einem bestimmten Gewicht kommt man in den Bereich, wo man definitiv nicht mehr angesprochen wird.

Michael Kreft
Patient Adipositaszentrum St. Georg

Wenn Ausreden das Leben bestimmen

Ab wann dick bei ihm krankhaft wurde, weiß Michael Kreft nicht mehr so genau. Irgendwann begannen sich er und seine Umwelt zu verändern. Gab es anfangs mal Bemerkungen zu seiner Körperfülle, blieb es irgendwann still. „Die Leute machen einem Platz im Bus und niemand setzt sich neben dich“, erzählt Michael Kreft.

„Ab einem bestimmten Gewicht kommt man in den Bereich, wo man definitiv nicht mehr angesprochen wird,“ sagt der Musiker Kreft, „und das ist ein gefährlicher Moment.“ Ab da sei man darauf angewiesen, sich die richtigen Erklärungen selbst zu liefern, für das, was man erlebt, erklärt er. Sprich: Michael Kreft suchte sich Ausreden, warum Stühle und das Bett kaputt gingen oder warum er sich die Strümpfe nicht mehr selbst anziehen konnte.

Und irgendwann – mit einem Gewicht von etwa 200 Kilo – fiel dann auch das Laufen schwer. „Ich weiß nicht, ob Sie schon mal eine Waschmaschine getragen haben. Und ich hatte drei oder vier Waschmaschinen permanent dabei.“

Wenn man dick ist, schafft man es eigentlich immer noch, sich in diesem ganzen Elend einzurichten und so weiterzumachen.

Michael Kreft
Patient Adipositaszentrum St. Georg

Kreft: Von der Außenwelt abgeschrieben

Doch gerade das Umfeld, die Außenwelt, sei wichtig, um einen Anschub zu bekommen, etwas gegen das Übergewicht zu tun, sagt Kreft. Aus sich selbst den Antrieb zu generieren ist ganz schwer, wie der Leipziger erzählt. „Wenn man dick ist, schafft man es eigentlich immer noch, sich in diesem ganzen Elend einzurichten und so weiterzumachen.“ Und man spiele damit keine Rolle mehr für die Außenwelt, „man ist abgeschrieben und das macht einsam“, findet Michael Kreft.

Man kann zum Beispiel viel besser singen.

Michael Kreft
Patient Adipositaszentrum St. Georg

Auch die Psyche braucht Hilfe und Austausch

Ein Problem mit dem Selbstwertgefühl habe er eigentlich nie gehabt, erzählt Michael Kreft. Aber es macht insofern etwas mit einem, dass man merkt, dass man bei allem Bemühen und bei allem sich selber für kompetent halten, eigentlich nicht mehr mitspielen darf.

Dass der 53-Jährige sich gewichtstechnisch bald halbiert hat, hätte er ohne das Adipositaszentrum nicht geschafft. Zum einen durch die medizinische Betreuung, zum anderen durch die psychologische. Einmal pro Woche trifft sich die Gruppe in der Tagesklinik. Dort stehen dann eine große Bewegungseinheit, Verhaltens- und Ernährungstherapie sowie die Arztgespräche auf dem Programm.

Vor allem die Gruppengespräche waren für ihn hilfreich, erzählt Michael Kreft. Mit Leuten zu reden, die ähnliche Probleme haben wie er. Dabei ging es nicht nur um das Gewicht, sondern eben auch um Dinge wie die Einsamkeit oder die Unfähigkeit, den Alltag praktisch selbst zu gestalten. „Es ist ja nicht damit getan, die Torte wegzulassen.“

„Ich freue mich aufs Fahrradfahren!“

„Ich habe die Gewichtsreduktion geschafft, ohne irgendwelche Spritzen, die es heutzutage gibt, ohne jemals in die Diabetes gerutscht zu sein, ohne eine Magenverkleinerung oder einen Magenballon“, erzählt der 53-Jährige. „Auch wenn diese Dinge Optionen waren. Er habe den Großteil wegen der Unterstützung im Adipositaszentrum geschafft – durch die Leute, die mich dazu gebracht haben, bestimmte Sachen künftig anders zu machen.

Doch noch sei er nicht am Ziel. Zehn Kilo sollen mindestens noch fallen. Dann kann Michael Kreft auch wieder Fahrrad fahren und später vielleicht sogar Laufen. Darauf freut er sich. Das ist sein Traum: schnell laufen können. Doch schon jetzt hat er mehr Lebensqualität. Lächelnd sagt er: „Man kann zum Beispiel viel besser singen.“

Und manche Dinge werden wahrscheinlich immer bleiben. „Wenn ich den Raum betrete, denke ich immer darüber nach, ob der Stuhl mich tragen kann oder ob ich lieber stehen bleibe.