Stand: 20.05.2025 06:00 Uhr
Kerstin Holzer hat bereits hervorragende Lebensgeschichten über Thomas Manns Töchter Monika und Elisabeth geschrieben. In ihrem neuen Buch beschreibt sie einen ganz besonderen Familienurlaub der Familie Mann am Tegernsee im Jahr 1918.
Wieder einmal ist es Kerstin Holzer gelungen, uns diese schwierige, oft aber auch geistreich amüsante Familie näher zu bringen. Immer wieder in den Text hineingewoben sind Landschaftsbeschreibungen:
Für die Geschwister ist der Tegernsee eine türkis glitzernde Sensation.
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Kerstin Holzer hat über die weiblichste Vertreterin der gesamten Mann-Familie ein einfühlsames Porträt geschrieben.
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Zwischen Krieg und Idylle
Die Mann-Kinder Klaus, Erika, Monika und Golo dürfen unbeschwert den ganzen Tag am Seeufer herumtoben. Aber wir befinden uns im Jahr 1918, der Krieg hat die Welt erschüttert, ungeheuerlich viele Menschenleben gekostet, und die Versorgungslage für die Bevölkerung ist schwierig. Kerstin Holzer beschreibt die seelischen Widerstandkräfte, die diese Familie entwickelt. Das Baby Elisabeth verzaubert alle, selbst den Vater! Katia Mann ist mit dem Fahrrad unterwegs, um Nahrungsmittel zu ergattern und zankt dezent mit dem Personal.
Thomas Mann kämpft mit maroden Zähnen und einem Manuskript, das nicht geglückt ist und schon bei Erscheinen überholt wirkt: „Die Betrachtungen eines Unpolitischen“. Er tröstet sich bei Spaziergängen mit seinem Hund Bauschan, dem er in seiner Erzählung „Herr und Hund. Ein Idyll“ ein Denkmal setzt.
Das Schönste am Spaziergang mit Hund in der Morgenfrische ist doch die „Illusion eines stetigen, einfachen, unzerstreuten und beschaulich in sich gekehrten Lebens, die Illusion, ganz dir selbst zu gehören, schreibt Mann… Das Auge und die Seele, sie baden in wilder Schönheit. Die Natur umfängt selbst den unruhigen Geist mit ihrer Unerschütterlichkeit; versichert ihm, dass es etwas gibt wie Gleichmaß und Schönheit, wenn auch vielleicht gerade nicht ihm, und schenkt ihm Ruhe. Die gemeinsamen Exkursionen mit dem Tier, bei denen Thomas Mann allein sein darf, ohne einsam zu sein, bedeuten Frieden.
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Sechs Kinder konnten den Nobelpreisträger ihren Vater nennen. Fluch oder Segen? Ein Gespräch mit der Mann-Expertin Caren Heuer.
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Kerstin Holzers neuer Blick auf die Familie Mann
Kerstin Holzer erzählt auch vom turbulenten Familienleben und zeichnet ein anderes Familienbild, als man es bisher dargestellt hat.
Im Herzen ist Thomas ein moderner Mann mit seinen Ambivalenzen: fürsorglich und narzisstisch, nachdenklich und hyperempfindlich, erotisch fluide und dennoch treu. Für ein Familienleben hat all das Vorzüge. Er ist ein progressiver Vater, der mit dem Kindchen im Sandkasten hockt und mit den Großen aufs Münchner Oktoberfest geht. Stimmt, wenn sie vor dem Arbeitszimmer lärmen, gibt es Ärger, aber wer sich zu Hause nie von Kindergeschrei gestört fühlte, während er sich auf eine Tätigkeit konzentrieren wollte, der werfe den ersten Stein.
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Zusammenhalt in Krisenzeiten
Es ist eine geheimnisvoll tröstliche Lektüre, wie hier das Familienunternehmen Thomas Mann beschrieben wird, dessen Stärke und Zusammenhalt sich in Krisen bewährt. Ein Krug mit kostbarer, in diesen Zeiten schwer zu bekommender Sahne wird von den Kindern heimlich im Keller gesammelt. Sie haben sich das wochenlang vom Munde abgespart für den Geburtstag der Mutter. Am Festtag ist sie verdorben. Für die strapazierfähige, humorvolle Familie wird es eine Anekdote zum Erzählen, kein Anlass zum Klagen. Berührend ist auch ein Zitat aus Thomas Manns Tagebuch eine Weile nach dem Urlaub:
„Tegernsee lebt noch in mir.“
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Wer wünscht sich das nicht nach gelungenen Ferien?
Thomas Mann macht Ferien
von Kerstin Holzer
- Seitenzahl:
- 202 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Kiepenheuer & Witsch
- Bestellnummer:
- 978-3-462-00671-1
- Preis:
- 22 €
Dieses Thema im Programm:
NDR Kultur |
Neue Bücher |
20.05.2025 | 12:40 Uhr
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Romane