Das Problem jedoch: Dieser Sonnensturm traf die Erde mitten in der letzten Eiszeit. Zwar konnten Forschende ermitteln, dass damals der 14C-Gehalt der Atmosphäre abrupt um knapp 40 Promille anstieg – doppelt so viel wie beim Rekordereignis im Jahr 775. „Es war aber unmöglich, die Stärke des verursachenden Sonnensturms einzuschätzen, weil Kohlenstoff-Transportmodelle für eiszeitliche Bedingungen fehlen“, erklären Golubenko und ihr Team. Denn Atmosphäre und Kohlenstoffkreislauf reagieren während der Eiszeiten anders.

Abhilfe schafft nun ein neues Analysemodell, das auch auf Eiszeitbedingungen anwendbar ist. Um dieses SOCOL:14C-Ex getaufte Modell zu überprüfen, testeten Golubenko und ihre Kollegen es zunächst am gut untersuchten Sonnensturmtreffer von 775 – mit Erfolg. Als nächstes nutzten sie es dann, um die Hintergründe des Rekord-Ereignisses im Jahr 12.350 vor Christus zu errechnen.
DIe neun stärksten Sonnensturm-TrefferVergleich des Ereignisses von 12.350 BC mit den acht stärksten Miyake-Ereignissen des Holozän. © Golubenko et al./ Earth and Planetary Science Letters, CC-by 4.0

Noch stärker als Rekord-Ereignis von 775

Das Ergebnis: Die energiereiche Teilchendusche, die vor rund 14.370 Jahren unseren Planeten traf, war um 18 Prozent stärker als der Rekord-Treffer im Jahr 775. „Dies macht dieses Ereignis zum schwersten bisher bekannten“, berichten die Forschenden. Ihren Analysen zufolge stechen damit drei von neun bekannten Extrem-Sonnenstürmen der letzten rund 15.000 Jahre deutlich heraus: Die Ereignisse 12.350 und 7176 vor Christus und 775 danach waren bis zu dreimal stärker als die restlichen sechs Miyake-Ereignisse.

Interessant jedoch: „Obwohl der beobachtete C-14-Anstieg im Jahr 12.350 vor unserer Zeitrechnung fast doppelt so hoch war wie 775, war der auslösende Sonnensturm nur wenig stärker“, erklärt das Team. Ursache dafür sind die Eiszeit und die mit ihr verbundenen Unterschiede im Erdsystem. Demnach beeinflussten vor allem der atmosphärische CO2-Gehalt, der veränderte Kohlenstofftransport sowie Abweichungen im damaligen Erdmagnetfeld die C-14-Produktion durch den Einstrom energiereicher solarer Teilchen.

„Ein neues Worst-Case-Szenario“

Diese neuen Erkenntnisse sind aber nicht nur geophysikalisch oder historisch interessant – sie liefern auch wichtige Informationen über das künftige Risiko solcher Extrem-Sonnenstürme. „Verglichen mit den stärksten Sonnenstürmen der modernen Satelliten-Ära war das urzeitliche Ereignis vor 14.370 Jahren unseren Schätzungen zufolge mehr als 500-mal intensiver“, berichtet Golubenko. Hätte dieser energiereiche Teilchenstrom die heutige Erde getroffen, hätte er möglicherweise große Teile der Satelliten-Infrastruktur beschädigt oder zerstört.

„Dieses Ereignis etabliert damit ein neues Worst-Case-Szenario“, sagt Golubenko. „Das mögliche Ausmaß solcher Ereignisse zu verstehen ist entscheidend, um das Risiko durch künftige Sonnenstürme einzuschätzen – beispielsweise für Satelliten, Stromnetze und Kommunikationssysteme.“ (Earth and Planetary Science Letters, 2025; doi: 10.1016/j.epsl.2025.119383)

Quelle: University of Oulu, Finland







19. Mai 2025

– Nadja Podbregar