Nach dem Eurovision Song Contest (ESC) sehen mehrere beteiligte Fernsehsender Klärungsbedarf bei der Stimmabgabe. Es geht um die Punkte für Israel, die im ESC-Finale eine auffällige Diskrepanz zwischen Jury- und Zuschauerabstimmung aufwiesen. Der Ausrichter, die Europäische Rundfunkunion (EBU) in Genf, bestätigt entsprechende Rückmeldungen.
Die EBU verweist auf die Firma Once in Köln, die seit Jahren das Televoting für den ESC koordiniert. Sie habe bestätigt, dass die Abstimmungsergebnisse aus allen Ländern korrekt angegeben worden seien.
Die Sängerin Yuval Raphael erhielt beim Finale am vergangenen Samstag 60 Punkte von den Fachjurys der 37 teilnehmenden Länder und landete damit im Ranking nur auf Platz 15, hinter Deutschland (Platz 13). In der Gunst des Publikums stand sie aber nach Angaben der EBU mit großem Abstand auf dem ersten Platz. Sie erhielt insgesamt 297 Publikumspunkte, was sie in der Gesamtwertung auf Platz zwei katapultierte.
ESC-Sieger JJ aus Österreich erhielt 258 Punkte von den Jurys und 178 Punkte vom Publikum. Bei Deutschland waren es 74 Publikums- und 77 Jury-Punkte. Das reichte für Platz 15.
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„Wir können bestätigen, dass wir seit dem großen Finale am Samstag mit mehreren Sendern in Bezug auf die Stimmabgabe im Wettbewerb in Kontakt gestanden haben“, teilte der ESC-Direktor Martin Green auf Anfrage mit. Man nehme ihre Bedenken ernst. Er werde im Hinblick auf die 70. Ausgabe nächstes Jahr in Österreich eine umfassende Diskussion geben.
Das Abstimmungsverfahren für den Eurovision Song Contest sei „das fortschrittlichste der Welt“. Alles werde geprüft und verifiziert, „um verdächtige oder unregelmäßige Abstimmungsmuster auszuschließen“, teilte Green weiter mit. Das Unternehmen Once habe die Gültigkeit der Stimmen bestätigt.
Spanien fordert Ausschluss Israels
Ministerpräsident Pedro Sánchez forderte den Ausschluss Israels vom Wettbewerb. Als Begründung für seine Forderung nannte Sánchez das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen. Die Offensive habe sogar in der Nacht des ESC-Finales mit weiteren Bombardierungen angedauert, betonte er.
In Anspielung auf den Umgang mit Russland sagte der sozialistische Politiker: „Wir dürfen keine doppelten Standards in der Kultur zulassen.“ Niemand habe sich empört, als Russland wegen der Invasion der Ukraine vom ESC ausgeschlossen wurde. „Dasselbe sollte auch für Israel gelten“, sagte Sánchez.
Kultureller Charakter des ESC sei in Gefahr
Unter anderem will der staatliche spanische TV-Sender RTVE nach eigenen Angaben eine Überprüfung des Zuschauervotings beantragen. Der belgische öffentlich-rechtliche Sender VRT stellte seine künftige ESC-Teilnahme infrage. Es lägen zwar keine Hinweise darauf vor, dass die Stimmenauszählung nicht korrekt durchgeführt wurde, so VRT. Aber die Frage sei, „ob das derzeitige Abstimmungssystem ein faires Abbild der Meinungen der Zuschauer und Zuhörer garantiert“.
„Mehrere Länder werden ebenfalls denselben Antrag stellen, da sie der Ansicht sind, dass das Televoting durch die aktuellen militärischen Konflikte beeinflusst wurde und dies den kulturellen Charakter der Veranstaltung gefährden könnte“, teilte der Sender mit.
Bereits im Vorfeld des ESC 2025 hatte es Spannungen zwischen RTVE und der EBU gegeben. Der spanische Sender erklärte, man sei von der EBU unter Androhung hoher Geldstrafen davor gewarnt worden, während der Liveübertragungen politische Botschaften zu verbreiten.
„Ein Tropfen auf den heißen Stein“ Erstmals wieder Hilfslieferungen im Gazastreifen angekommen
Auslöser war ein Hinweis auf die Opfer des Gaza-Konflikts, den RTVE im zweiten Halbfinale eingeblendet hatte. Trotz der Warnung zeigte der Sender unmittelbar vor Beginn des Finales erneut eine Botschaft: „Angesichts der Menschenrechte ist Schweigen keine Option. Frieden und Gerechtigkeit für Palästina.“
Protest auch vergangenes Jahr
Israels Teilnahme beim Eurovision-Song-Contest-Halbfinale war schon im vergangenen Jahr auf dem belgischen Sender VRT von einer Protestaktion begleitet worden. Am Anfang und Ende der Übertragung der Show wurde eine schwarz-weiße Texttafel eingeblendet, auf der Gewerkschaften ihren Unmut über die Politik Israels zum Ausdruck brachten.
In der Einblendung wurde dem Staat Israel im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg unter anderem vorgeworfen, Menschenrechte zu verletzen und die Pressefreiheit zu zerstören.
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Der Gaza-Krieg hatte im Oktober 2023 mit einem Terrorangriff der Hamas auf Israel begonnen. Etwa 1.200 Menschen wurden dabei getötet und etwa 250 entführt. In dem Krieg wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bislang mehr als 53.300 Palästinenser im Gazastreifen getötet. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten und lässt sich unabhängig kaum überprüfen.
Aufrufe zwischen Werbeanzeigen
Auf dem offiziellen EBU-Kanal für den ESC rief die israelische Sängerin Yuval Raphael vor dem Finale in einem Werbefenster Zuschauer immer wieder auf, für ihren Song zu stimmen. Diese Aufrufe liefen zum Beispiel in den Aufzeichnungen der Halbfinal-Sendungen zwischen Reklame für Burger und für Internetdienste.
Seit dem Finale ist Yuval Raphael in den immer noch online stehenden Halbfinal-Sendungen nicht mehr in Werbefenstern zu sehen.
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Dazu sagt die EBU auf Anfrage in einer Stellungnahme: Die ESC-Regeln verbieten es den teilnehmenden Rundfunkanstalten oder Dritten wie Plattenfirmen oder anderen nicht, ihre Beiträge online und anderswo zu bewerben. Die Werbung dürfe den Wettbewerb nicht instrumentalisieren oder gegen seine redaktionellen Richtlinien verstoßen.
„Viele Delegationen setzen bezahlte Werbekampagnen ein, um den Song, das Profil und die zukünftige Karriere ihrer Künstler zu unterstützen.“ Für die Halbfinalsendungen war kein anderer Interpret mit einem Wahlaufruf in einem Werbefenster zu sehen. (dpa)