Stand: 21.05.2025 06:00 Uhr

Lizzie Doron hat die vergangenen anderthalb Jahre festgehalten: In ihrem neuen Buch erzählt sie eindringliche Geschichten über das Leben in Israel seit dem 7. Oktober 2023, die man nicht so schnell wieder vergisst.

von Jochanan Shelliem

Seit ihren Kindertagen ist Lizzie Doron eine Übersetzerin des Leids und eine Chronistin – des Schmerzes der Anderen. „Warum bist du nicht vor dem Krieg gekommen?“ hieß ihr erstes Buch.

Lizzie Doron: Chronistin der Verwundeten

Lizzie Doron führt Tagebuch: Seit dem 7. Oktober 2023, dem Überfall der Hamas auf das Nova Festival, hält sie ihre Gedanken und Gefühle fest. Gedanken und Gefühle, die sich durch ihren Alltag ziehen in Tel Aviv, Jerusalem und Berlin. Wie toxisch dieser Einbruch den israelischen Alltag durchwirkt, das macht die Autorin in kleinen Tagessplittern klar.

Sie bricht die große Politik auf kleine alltägliche Begegnungen herunter. „Wir spielen Leben“ – der Titel dieser Aufzeichnungen macht hier körperlich schmerzhaft Sinn.

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Lizzie Doron: "Was wäre wenn" © dtv

Lizzie Dorons neuer Roman „Was wäre wenn“ verströmt eine allumfassende Menschenliebe, die unwiderstehlich und schön zu lesen ist.
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Alltag einer zerrissenen Gesellschaft

Da ist die Begegnung mit dem Familienvater, der für seine Frau eine Wohnung sucht, weil sie das Leben mit den anderen durch das Massaker der Hamas traumatisierten Überlebenden im Hotel nicht mehr ertragen kann. Da sind die zwei Männer in einem Café am Strand von Tel Aviv, jeder hat nur eine Hand. Oder die Trauerfeier in dem anonymen Apartmentturm mit 20 Stockwerken, in dem die Schriftstellerin mit ihrer Familie lebt.

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Gebet in einer Synagoge © dpa/picture-alliance

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Dem Feldwebel Boris Selenko war Lizzie Doron sonst stumm im Aufzug begegnet. Nun erhält auch sie die Nachricht, dass er bei den Kämpfen in Gaza getötet worden ist. Als Held des 7. Oktober wird ihm nun im Foyer des Hochhauses gedacht und die Nachbarn – ein Installateur, ein Übersetzer, eine Masseurin, ein Rechtsanwalt und eine Ärztin – sichern den Verwandten ihre Hilfe zu. Die Autorin fragt sich, wozu eine Schriftstellerin wohl taugen mag.

Ein paar Wochen später stand ich neben einer Mutter und ihrem Sohn im Aufzug. Der Junge erzählte seiner Mutter mit glänzenden Augen, die Lehrerin in der Schule habe gesagt, hier im Haus habe „Boris der Held“ gewohnt. „Nun und was hat er davon?“ Ich hörte mich, und es war die Stimme meiner Mutter. (…) Und ich dachte, so ist das mit Helden.
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Eindringliches Buch, das zu Tränen rührt

Jeder steckt fest in seinem Krieg. Für die Mutter ist es 1945; für Lizzie Doron und ihre Freundinnen der Anschlag von Simcha Torah, denn auf diesen Feiertag fiel der Anschlag der Hamas. Sachlich erzählt sie von den Ereignissen im Land und auf ihren Reisen.

In jedem freien Augenblick dort in Frankfurt hörte ich die israelischen Nachrichten. Sog jedes Fitzelchen Information auf, versank in Ängsten, Grauen beherrschte meine Seele, ich spürte, wie alles, was gewesen war, verloren zu gehen drohte.
Exil. In diesen Tagen ist mir klar geworden, was das bedeutet. Ein übermächtiges Gefühl von Gefahr. Ich dachte an meine Mutter und war ihr plötzlich näher als je zuvor. Ich kürzte den Besuch ab und flog zurück nach Hause, nach Tel Aviv.
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156 Seiten, ein dünnes Buch, an einem Tag gelesen und doch so eindringlich, dass man es lange nicht vergisst. Ganz ohne Häme und Hass, aber die Augen voller Tränen.

Wir spielen Alltag

von Lizzie  Doron

Seitenzahl:
160 Seiten
Genre:
Roman
Zusatzinfo:
Aus dem Hebräischen von Markus Lemke
Verlag:
dtv
Veröffentlichungsdatum:
17.4.25
Bestellnummer:
978-3-423-28453-0
Preis:
22 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur |
Neue Bücher |
21.05.2025 | 12:40 Uhr

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Romane

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