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Europa bewaffnet sich: Die Botschafter der EU-Länder haben das mächtige 150-Milliarden-Euro-Darlehensinstrument SAFE zur Ankurbelung der Rüstungsproduktion genehmigt.

Es soll in ganz Europa für bessere Verteidigungsfähigkeit sorgen und dabei eine europäische Präferenz in der Produktion von 65 bis 35 Prozent festschreiben.

SAFE, das die Kommission mit Hilfe eines Rechtsinstruments vorgeschlagen hat, das es ihr ermöglicht, eine Abstimmung durch die europäischen Gesetzgeber zu umgehen, muss von den Mitgliedstaaten noch formell angenommen werden – was voraussichtlich am 27. Mai geschehen wird.

Wo fließen die 150 Milliarden genau hin? Und: WIe funktioniert SAFE überhaupt?

Mehr Waffen „made in Europe“

Die Botschafter der Mitgliedstaaten hielten an dem Vorschlag der Kommission fest, dass mindestens 65Prozent des Wertes der zu beschaffenden Waffensysteme in einem EU-Mitgliedstaat produziert werden müssen. Auch in der Ukraine oder einem Land des Europäischen Wirtschaftsraums/der Europäischen Freihandelsassoziation können die Systeme hergestellt werden, um für EU-Mittel in Frage zu kommen.

Die restlichen 35 Prozent können aus jedem beliebigen Drittland der Welt stammen.

Einige Drittländer können jedoch ebenfalls aufgerüstet werden und sich mit bis zu 65 Prozent beteiligen. Dazu müssen sie eine bestehende Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaft (SDP) mit dem Block haben.

Die EU hat sieben solcher SDPs – mit Norwegen, Moldawien, Südkorea, Japan, Albanien, Nordmazedonien und seit dieser Woche auch mit Großbritannien.

Gestaltungshoheit

Die EU will aber auch eine gewisse Kontrolle über die aus dem Ausland stammenden Komponenten und Software, indem sie sicherstellt, dass einheimische Unternehmen die Designhoheit über sie haben.

Damit soll sichergestellt werden, dass Drittländer den Einsatz, zum Beispiel durch einen sogenannten „Kill Switch“, oder die Wiederausfuhr des Waffensystems nicht blockieren können.

Worum geht es dabei?

Die EU will in der Lage sein, sich in den kommenden Jahren notfalls allein gegen einen Aggressor zu verteidigen. Sie räumt ein, dass sie dafür ihre Verteidigungsausgaben deutlich erhöhen und die heimische Produktion steigern muss.

Russlands Krieg in der Ukraine hat die Schwächen und Abhängigkeiten der europäischen Verteidigungsindustrie aufgedeckt, während die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus Zweifel an der langfristigen militärischen Unterstützung der USA aufkommen lässt.

Traditionell – und auch heute noch – ist Washington der wichtigste Garant für die europäische Sicherheit.

Der amerikanische Präsident wirft den europäischen NATO-Verbündeten seit langem vor, nicht genug Geld auszugeben, und hat angedeutet, dass die USA beschließen könnten, Verbündeten, die nicht bis zu einem gewissen Grad Geld ausgeben, nicht mehr zu Hilfe zu kommen. Auch eine Reduzierung der amerikanischen Militärpräsenz auf europäischem Boden ist geplant.

Außerdem steigen die Befürchtungen, dass die Militärhilfe Washingtons für die Ukraine eingestellt werden könnte, sodass die Europäer die Last für die zugehörigen Hilfen allein tragen müssten.

Der Plan „Bereitschaft 2030“ der Kommission, zu dem auch SAFE gehört, zielt darauf ab, die Auftragsvergabe anzukurbeln, die Lieferketten zu sichern und die Produktion anzukurbeln, indem die Mitgliedstaaten dazu angehalten werden, die Beschaffung bestimmter, als vorrangig angesehener Fähigkeiten zu bündeln.

Dazu gehören unter anderem Munition, Drohnen und Drohnenabwehrsysteme, Luftverteidigung, militärische Mobilität und elektronische Kampfführung.

Wie wird SAFE bezahlt?

Wenn die Minister auf der Tagung des Rates für allgemeine Angelegenheiten am 27. Mai die von den Botschaftern unterstützte Vereinbaung billigen, haben die Mitgliedstaaten zwei Monate Zeit, um die Projekte auszuarbeiten, für die sie EU-Mittel beantragen möchten.

Jedes Projekt muss mindestens zwei Länder einbeziehen, um in Frage zu kommen. Die Kommission wird dann bis zu vier Monate Zeit haben, um die Projekte zu prüfen.

Fällt die Antwort der Kommission positiv aus, können die Mitgliedstaaten die Auszahlung einer ersten Rate von bis zu 15 Prozent der geschätzten Gesamtkosten beantragen.

Anschließend müssen sie die Kommission alle sechs Monate über die Entwicklung des Projekts auf dem Laufenden halten, wobei es auch weitere Auszahlungen geben kann. Die letzte Genehmigung für Auszahlungen kann bis zum 31. Dezember 2030 erfolgen.

Wofür braucht die EU SAFE?

Die Kommission genießt bei den meisten großen Rating-Agenturen, darunter Fitch Ratings, Moody’s und Scope, ein AAA-Rating.

Wenn die Kommission also Geld leiht, das sie auf dem Markt aufgenommen hat, kann das für einige Mitgliedstaaten kostengünstiger sein, als wenn sie die Mittel selbst aufbringen.

SAFE wird langfristige Darlehen mit einer maximalen Laufzeit von 45 Jahren bereitstellen.

Die Darlehen werden unterdessen durch den EU-Haushalt gedeckt, so dass die Mitgliedstaaten kein zusätzliches Geld aufbringen müssen, falls sich die Rückzahlungskosten in die Höhe schrauben sollten – wie es bei dem Wiederaufbauprogramm nach COVID-19 aufgrund steigender Zinssätze der Fall war.

Ein weiterer Vorteil der Nutzung von SAFE ist, dass die Mitgliedstaaten keine Mehrwertsteuer auf die Käufe zahlen müssen.

Wer könnte es nutzen?

Fünf Mitgliedsstaaten haben ein AAA-Rating, darunter Dänemark, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande und Schweden. Einige haben nicht einmal ein A-Rating, wie Bulgarien, Griechenland, Ungarn und Italien. Die meisten liegen dazwischen.

Lettland, das mit A bewertet wird, hat bereits angedeutet, dass es SAFE nutzen möchte, um seinen Rüstungsausbau zu finanzieren.

Das kleine baltische Land plant, in diesem Jahr 3,65 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben aufzuwenden, die im nächsten Jahr auf vier Prozent steigen sollen.

Neale Richmond, der Verteidigungsminister von Irland, einem militärisch neutralen Land mit einem AA-Rating, sagte am Dienstag, dass das Land „auf jeden Fall die Möglichkeit in Betracht ziehen wird, Ausrüstung schneller zu beschaffen“. SAFE werde man dafür aber eher nicht nutzen.

Ein möglicher Indikator für den Appetit der Länder auf das Programm ist die Inanspruchnahme der nationalen Ausweichklausel – der anderen finanziellen Säule des Kommissionsplans „Bereitschaft 2030“ für die Verteidigung.

Vierzehn Mitgliedstaaten haben darum gebeten, von den Haushaltsregeln der EU abweichen zu dürfen, um die Verteidigungsausgaben zu erhöhen, was die Kommission als Erfolg wertet.

Dazu gehören Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, die Slowakei und Slowenien.

Darüber könnten die Nationen beschließen, SAFE-Darlehen nicht zur Aufstockung ihrer eigenen Bestände, sondern zur verstärkten militärischen Unterstützung der Ukraine in Anspruch zu nehmen.

Das könnte die Inanspruchnahme in Mitgliedstaaten fördern, in denen eine Erhöhung der Rüstungsproduktion und Aufrüstung politisch sonst heikel sein könnte.