Kontrastprogramm in Hamburg: Während der Elbtower an der Spitze der Hafencity sein Dasein als Bauruine fristet, zeichnet sich in nur 200 Meter Luftlinie Entfernung ein kleines, ambitioniertes Projekt ab. Dort hat sich eine lokale Nachbarschaftsinitiative ein Stadtteilzentrum in Hamburg-Rothenburgsort erkämpft. Kürzlich wurde der Wettbewerb für den Neubau und die Umgestaltung der umliegenden Freifläche am Alexandra-Stieg entschieden. Der Siegerentwurf will ein leichter, offener Pavillon im Park sein. Die Architektur erinnert dabei ästhetisch wie programmatisch an vorherige Projekte der beteiligten Büros.
 
Schon seit längerem engagiert sich der lokale Verein Mikropol für ein neues Stadtteilzentrum. Bislang hatte sich die Initiative in einem alten Toilettenhäuschen eingerichtet, das sie 2019 für ihre Arbeit umbauten. Ursprünglich interessierte sich Mikropol für die Anlagen der ehemaligen Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, die direkt neben dem Wettbewerbsareal liegen. Das denkmalgeschützte Ensemble der 1922 gegründeten Institution steht seit 2017 leer. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, der die Liegenschaft gehört, wollte hier allerdings ein Fortbildungszentrum der Generalzolldirektion einrichten, doch aktuell liegen die Pläne auf Eis.
 
Stattdessen hat die Stadt Hamburg nun also das benachbarte Grundstück für das neue Stadtteilzentrum vorgesehen. Realisiert wird es im Rahmen des Programms „Mitte Machen“, ein gemeinsamer Fonds des Bundes und der Kommune. Ende 2024 lobte das Bezirksamt Hamburg-Mitte den nicht-offenen einphasigen Realisierungswettbewerb (Hochbau und Freiraum) mit Ideenteil (Freiraum) aus. Betreut wurde er vom büro luchterhandt & partner (Hamburg). Acht Teams wurden eingeladen. Die Jury unter Vorsitz von Architekt Nikolaus Goetze prämierte den Hochbau- beziehungsweise Freiraumteil einzeln:
 
Hochbauteil:

  • 1. Preis: ARGE Demo Working Group (Köln) & FAKT Office for Architecture (Berlin) und Knüvener Architekturlandschaft (Köln), mit Argepartner Trako Engineering (Würselen) und Argepartner Transsolar Energietechnik (München u.a.)
  • 3. Preis: Christensen & Co Architects und 1:1 Landskab (beide Kopenhagen)

 
Freiraumteil:

  • 1. Preis: ARGE Demo Working Group (Köln) & FAKT Office for Architecture (Berlin) und Knüvener Architekturlandschaft (Köln), mit Argepartner Trako Engineering (Würselen) und Argepartner Transsolar Energietechnik (München u.a.)
  • 2. Preis: ifau – Institut für angewandte Urbanistik und atelier le balto (beide Berlin), mit Argepartner Jesko Fezer (Hamburg) und Argepartner Hutta Architektur (Köln)
  • 3. Preis: formation_a und Atelier Loidl Landschaftsarchitekten Berlin (beide Berlin), mit Argepartner Studio C, Argepartner VAU (beide Berlin) und Argepartner nightnurse (Zürich)

 
Haus im Park und Park ins Haus

Neben Mikropol sollen künftig weitere lokale Initiativen das Stadtteilzentrum nutzen. Die dazu zählenden Vereine kümmern sich etwa um selbstverwaltete Holz- und Fahrradwerkstätten, berufliche Teilhabe für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, afrikanische Kultur oder Boxtrainings für Jugendliche und Kinder. Im Vorfeld wurde das Raumprogramm in mehreren Workshops erarbeitet, heißt es in der Auslobung. Demo Working Group (Köln) und FAKT (Berlin) machten die breite Nutzerschaft zur Grundlage ihres Konzepts. Sie entwarfen ein offenes Haus, das sich jederzeit flexibel anpassen könne, wie die Architekt*innen erklären.
 
Während die Grundstruktur aus zusammenschaltbaren Räumen dabei an das Wohnhaus von FAKT in Berlin erinnert, kommen mit Blick auf die Gestaltung durchaus die Qualitäten des Kölner Wohnungsumbaus von Demo Working Group mit denen des Entwurfs von FAKT und Gustav Düsing für die Architekturschule in Siegen zusammen. Das gilt insbesondere für die durchlässigen Fassaden, die mit geschickten Gesten auch den Außenraum aktivieren, wie die Jury findet. Vor den flachen Riegel soll sich etwa ein sogenanntes Sonnensegel legen, das als transparentes und mit Photovoltaikzellen versehenes Vordach konzipiert ist. An den Längsseiten sind zudem große Tore geplant. Durch diese sollen die Werkstatt auf der einen und eine Stadtloggia auf der anderen Seite schwellenlos zugänglich werden.

Solarkamin, Schraubfundamente und Wildwiese 

Bemerkenswert ist auch das als Solarkamin bezeichnete Treppenhaus, das als schlanker Turm aus dem Baukörper ragt. Eine öffenbare Klappe am Kopfende soll hier für den thermischen Kamineffekt sorgen. Für das Energiekonzept war Transsolar (u.a. München) im Team. Gebaut werden soll das Haus aus einem Holzskelett mit Kielstegdecken, und gänzlich ohne Beton. Für die Gründung sollen Schraubfundamente verwendet werden. Zudem ist ein nutzbares Gründach geplant.
 
Mit der landschaftlichen Gestaltung will das Team um Knüvener Architekturlandschaft (Köln) laut eigener Aussage die vorhandenen Qualitäten herauskitzeln. Dazu reichern sie das struppige Grundstück teils mit zusätzlichen Arten an, um eine Wildwiese entstehen zu lassen. Die auf dem Grundstück befindliche kleine Pumpstation gehört dem kommunalen Unternehmen Hamburg Wasser. Sie wurde wie die umliegenden Hochwasser-Schutzbereiche lediglich im Ideenteil bearbeitet, da sie im Notfall weiterhin die befahrbar sein müssen. Die geschätzten Kosten (KG 200-500) gibt die Auslobung mit drei Millionen Euro an. (mh)

Zum Thema:

Im Hamburger Stadtteil Rahlstedt soll ebenfalls ein neues Stadtteilzentrum nach Plänen eines jungen Büros entstehen. Interessanterweise ähneln sich beide Entwürfe in ihrer Ästhetik sowie der flexiblen Struktur.

Auf Karte zeigen:

Google Maps






Kommentare:

Meldung kommentieren