Hannover – Ihre Augen blitzen, ihr ganzer Körper strahlt so viel Kraft, Mut und Zuversicht aus. Dabei hatte Susanne Viehmeier Krebs – unheilbar, inoperabel, tödlich. Doch Ärzte der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gaben der 62-Jährigen mit einer weltweit einzigartigen Operation die Chance auf ihr Leben zurück.

Diagnose: Krebs kann nicht operiert werden

Im August 2022 bekam die Hausfrau (verheiratet, zwei Töchter, zwei Enkel) die Diagnose: Gallengangkarzinom. „14 Tage später die Nachricht: Er ist inoperabel, ich sollte mich sofort in palliative Behandlung begeben“, erinnert sich Susanne Viehmeier.

Glückliche Familie: Susanne (grünes Kleid) mit Ehemann Holger, den Töchtern Kim (re.), Anna und Enkel Adrian

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Foto: emha

Doch Susanne gibt nicht auf: „Ich hatte einen neuen Mitbewohner, ob ich das nun gut finde oder nicht.“ Den Krebs tauft sie auf den Namen „Erich“ wie Erich Honecker und lacht: „Er war eben da, obwohl ich ihn nicht wollte.“

Susanne Viehmeier schenkte dem Team um Prof. Schmelzle Kaktus „Erich“, so hatte sie auch ihren Tumor getauft

Susanne Viehmeier schenkte dem Team um Prof. Schmelzle Kaktus „Erich“, so hatte sie auch ihren Tumor getauft

Foto: emha

Ein Tumor namens „Erich“

Die Patientin will kämpfen – und hat mit Prof. Nils Homann vom Klinikum Wolfsburg (Niedersachsen) einen Arzt an ihrer Seite, der alles versucht. Er wendet sich an die Medizinische Hochschule Hannover – und die Mediziner bringen Susanne Viehmeier in eine Studie. Die dort verabreichten Medikamente schaffen es, dass der Tumor nicht mehr wächst.

Doch die Krebszellen hatte alle drei Lebervenen umschlossen. Prof. Dr. Moritz Schmelzle, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie und Leiter des Transplantationszentrums: „Eine OP schien auf den ersten Blick unmöglich.“

Die OP dauerte nur 4,5 Stunden – weil das Organ blutleer war, die Chirurgen schneller arbeiten konnten

Die OP dauerte nur 4,5 Stunden – weil das Organ blutleer war, die Chirurgen schneller arbeiten konnten

Foto: MHH

Ärzte machen Leber im Körper blutleer

Doch das Team hat eine Idee, die auf einen Ansatz des berühmten Prof. Dr. Rudolf Pichlmayr (1932–1997), langjähriger Chef der MHH-Transplantationschirurgie, zurückgeht. Schmelzle: „Wir haben über Tage geplant und diskutiert, alles bis ins Kleinste durchdacht.“

Dann kommt der 23. März 2025: In einer ersten Operation durchtrennen die Mediziner die Leber bis zum Tumor, unterbrechen so den Blutzufluss zum rechten Lappen, der stärker vom Krebs betroffen ist. Schmelzle: „Blut floss nur noch durch die linke Seite, die wir erhalten wollten.“

Namens-Vettern: Kaktus „Erich“ und der Tumor im entfernten rechten Leber-Lappen

Namens-Vettern: Kaktus „Erich“ und der Tumor im entfernten rechten Leber-Lappen

Foto: MHH

Acht Tage geben die Ärzte der Leber Zeit, sich zu erholen und zu wachsen. Dann der eigentliche, weltweit einzigartige Eingriff: Über eine ECMO, eine Art Herz-Lungen-Maschine, wird das Blut komplett um die Leber herum Richtung Herz geleitet. „Damit haben wir das Organ blutleer gemacht.“

Ein Gerät kühlt die Leber im Körper auf vier Grad Celsius herunter. Dann entfernen die Ärzte den rechten Lappen, zwei der drei befallenen Venen, die dritte wird verkürzt.

Freuen sich auf ihre Goldene Hochzeit in zehn Jahren

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Foto: emha

Nach sieben Tagen kann Susanne Viehmeier das Krankenhaus verlassen: „Mir geht es hervorragend, ich gelte als krebsfrei. Und möchte anderen Patienten sagen: Gebt nicht auf.“

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Ihren Ärzten schenkte sie einen großen Kaktus namens „Erich“: „Damit er nicht vergessen wird.“ Ihre Dankbarkeit für das zweite Leben kann die Patientin kaum in Worte fassen: „Der Traum von meinem Mann und mir war es immer, Goldene Hochzeit zu feiern. Im Oktober sind es 40 Jahre – und jetzt haben wir die Chance, auch die 50 zu schaffen.“