Eine große, selbst gemalte Fahne hängt aus der Durchgangstür eines Hauses in der Clemensstraße in Schwabing. Zum ersten Mal wurde sie vor 25 Jahren von den Hausbewohnern aufgehängt. Der Anlass: der erste Schwabinger Hofflohmarkt im Jahr 2000. Klaus Habisreutinger, 68, und seine Nachbarn wollten bei diesem Ereignis auf keinen Fall übersehen werden. Ihr Hof lag am Rand der rund 30 teilnehmenden Häuser. „Um in den Hinterhof zu gelangen, muss man durch einen Durchgang, der voller Mülltonnen und Fahrräder steht. Wir haben vieles davon weggeräumt, damit wir beide Tore öffnen und die Leute richtig willkommen heißen konnten“, erinnert er sich heute.

Genau wie Klaus Habisreutinger war Max Krause, 67, von Anfang an bei den Schwabinger Hofflohmärkten dabei. Jedes Jahr beteiligt er sich: „Wir haben ein sehr gutes Verhältnis alle untereinander.“ Früher gab es sogar am Abend noch ein Hoffest, bei dem sich alle zusammengefunden haben. Schon immer hat Krause gerne auf Flohmärkten verkauft. Vor allem Kleinkram, den er nicht mehr braucht und über den sich jemand anderes freut.

Die Schwabinger Hofflohmärkte wurden vor 25 Jahren von Dorothee Fichter ins Leben gerufen. Auch sie erinnert sich gerne an die vergangenen Jahre: „Als ich während eines Hofflohmarktes vor mehreren Jahren an ein paar Tischen vorbeigeschlendert bin, ist mir eine ältere Frau mit ihren beiden erwachsenen Töchtern aufgefallen.“ Auf ihrem Verkaufstisch hatten sie kleine, glitzernde Glasschälchen ausgestellt. „Diese Schälchen waren nicht besonders wertvoll, aber wirklich sehr hübsch. So etwas habe ich sonst nie wieder gesehen“, erinnert sie sich. Die Frau erkannte Dorothee Fichter und wusste, dass sie die Hauptorganisatorin der Schwabinger Hofflohmärkte ist – daraufhin schenkte sie ihr zwei der Schälchen. Wenn Fichter heute die beiden Schalen in den gemütlichen Abendstunden mit Nüssen oder Oliven füllt, denkt sie gerne an dieses kleine, aber besondere Erlebnis zurück.

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Als Organisatorin und als „Mutter der Schwabinger Hofflohmärkte“ ist Fichter stolz auf das, was sich über die Jahre in Schwabing entwickelt hat. „Es ist einfach eine tolle Atmosphäre, nicht nur in den Hinterhöfen, sondern auch auf den Straßen“, sagt sie. Immer wieder entdeckt sie verschiedene Geschichten auf den Flohmarkttischen. „Man sieht, wenn es viele Kinder in einem Haus gibt, weil dann viele Spielsachen verkauft werden – aber man erkennt auch, wenn beispielsweise jemand gestorben ist, weil dann viel Geschirr oder alte Wäsche angeboten wird.“

Für Max Krause ist der Hofflohmarkt jedes Jahr ein Ausdruck gelebter Nachbarschaft: „Das schöne ist das ganze Umfeld, wenn dann viele Leute immer wieder vorbeikommen. Man kennt sich schon.“ An seinem Stand haben sich im Laufe der Jahre Stammkunden etabliert. „Jeder ist gut drauf. Ich habe noch nie einen Streit erlebt“, sagt er. Für ihn verwandelt sich die Großstadt an diesem Tag in ein kleines Dorf, weil man sich in der Straße untereinander kennt.

„Die Leute, die zu uns in den Hof kommen, sind hocherfreut und die Stimmung ist gut. Viele können sich nicht vorstellen, wie es in solchen Innenhöfen überhaupt aussieht, und sind dann total begeistert“, sagt Klaus Habisreutinger. Über die Jahre haben er und seine Hausgemeinschaft den Hof auch deutlich aufgewertet. Wo früher alles mit Beton gegossen war, sind jetzt Pflastersteine und viele Pflanzen. Insgesamt sei alles grüner geworden: „Wir haben auch Bäume gepflanzt. Die nutzen wir auch gleich für die Flohmärkte, weil wir dann beispielsweise Kleider in die Bäume hängen – die sind dann schön hoch, sodass sie direkt auffallen.“

Über 350 Häuser beteiligen sich in diesem Jahr am Schwabinger Hofflohmarkt

Zusammen mit ihrer Kollegin Kerstin Brinckmann organisiert Dorothee Fichter  von der Nachbarschaft Schwabing auch in diesem Jahr wieder die Hofflohmärkte. Nach 25 Jahren machen noch mehr Hausgemeinschaften mit: Mehr als 350 Häuser beteiligen sich an diesem Samstag. Für das Organisationsteam steht vorrangig der Kontakt und der Austausch untereinander im Vordergrund: „Es geht nicht um das Verkaufen von wertvollen Dingen, sondern einfach um das Zusammensein; deshalb dürfen die Schwabinger Hofflohmärkte gerne noch weitere 25 Jahre bestehen!“

Max Krause sieht das ähnlich: „Ich glaube schon, dass es die Flohmärkte noch weitere 25 Jahre geben wird. Die Leute finden das Konzept einfach gut.“ Flyer für den diesjährigen Markt hat er bereits verteilt. Und auch wenn man sich im Haus trifft, erinnert man einander daran, die zu verkaufenden Sachen schon mal aus dem Keller zu holen.

Klaus Habisreutinger hat für den Flohmarkt schon ein paar Sachen vorbereitet: „Wir haben im Keller noch ganz schöne Kinderspielzeuge, viele aus Holz, die ich teilweise selbst gebaut habe.“ Nostalgisch zwar von Bedeutung, aber doch zu schade, um sie im Keller verstauben zu lassen, sollen sie am Samstag neue Besitzer finden. Dafür müssen die Leute nur der selbst gemalten Fahne an der Durchgangstür in der Clemensstraße folgen – wie auch schon vor 25 Jahren.

Die Schwabinger Hofflohmärkte finden am Samstag, 24. Mai 2025, von 10 Uhr an statt. Sie ziehen sich von der Georgenstraße bis zum Petuelring, von der Barbarasiedlung und dem Ackermannbogen bis zum Englischen Garten. In Haus und Garten der Seidlvilla, Nikolaiplatz 1b, findet gleichzeitig der traditionelle Benefiz-Flohmarkt statt: gespendete Kostbarkeiten werden von Ehrenamtlichen zugunsten der Nachbarschaft Schwabing verkauft. Außerdem hat das Nachbarschafts-Café geöffnet.