Projektleiter Matthias Breitkopf (links) vom Fraunhofer-Verkehrsinstitut IVI erklärt das Megaladen, bei dem der Elektrolaster nur über der versenkbare Säule parken muss. Rechts daneben IVI-Leiterin Sanaz Mostaghi, Alf Schwaten von der Stadtreinigung Dresden und sein Abfuhr-Abteilungsleiter Sven Gotscha. Foto: Heiko Weckbrodt

Projektleiter Matthias Breitkopf (links) vom Fraunhofer-Verkehrsinstitut IVI erklärt das Megaladen, bei dem der Elektrolaster nur über der versenkbare Säule parken muss. Rechts daneben IVI-Leiterin Sanaz Mostaghi, Alf Schwaten von der Stadtreinigung Dresden und sein Abfuhr-Abteilungsleiter Sven Gotscha. Foto: Heiko Weckbrodt

Dresdner Müllabfuhr und Fraunhofer-IVI testen das „Megaladen“ von unten

Dresden, 22. Mai 2025. Gehört der schlafraubende Krach morgendlicher Müllkutscher bald der fossilen Vergangenheit an? Erste elektrische Mülllader und Behälter-Laster, die sehr viel leiser sind als ihre Diesel-Brüder, testet die Stadtreinigung Dresden (SRD) bereits. Weil die Stadttochter in den kommenden Jahren aber ihre gesamte, über 150 Brummis umfassende Dieselflotte schrittweise auf Stromer umstellen möchte, will sie bei der Gelegenheit auch gleich weg vom umständlichen Ladekabel. Daher erprobt die SRD nun gemeinsam mit dem Dresdner Fraunhofer-Verkehrsinstitut IVI eine neue, besonders schnelle und leistungsstarke Ladetechnologie „von unten“.

„Einzigartige Ladetechnologie“

„Megaladen“ haben die Fraunhofer-Ingenieure ihre innovative Technologie genannt und damit zunächst einen elektrischen Mülltonnen-Transporter sowie eine Pilot-Ladestation auf ihrem Testoval in Räcknitz ausgerüstet. Es handele sich um eine international „einzigartige Ladetechnologie“, betont IVI-Leiterin Professor Sanaz Mostaghim.

Säule dockt sich von unten automatisch an den Laster-Akku an

Das Prinzip: Auf einem Betriebshof oder Speditions-Parkplatz werden im Asphalt bewegliche Ladesäulen versenkt. Fährt ein Laster darauf, muss der Brummifahrer nur einen Knopf neben seinem Lenkrad drücken. Dann hebt sich die spitze Säule automatisch aus dem Boden, dockt sich magnetisch an eine Schnittstelle am Unterboden an – und füllt den Lkw-Akku im Eiltempo wieder auf. Perspektivisch ist sogar angedacht, dass die Laster autonom zu diesen Ladestationen fahren und automatisch wieder ausparken, wenn sie „voll“ sind, ganz ohne Fahrereinsatz. Bis zum voll autonomen Müllauto werde es aber sicher noch zehn Jahre dauern, schätzt IVI-Projektleiter Matthias Breitkopf. Deutlich vorher wird das erreichbare Ladetempo zulegen: Je nach Laster, Akku und Bauweise werden in zwei, drei Jahren durchaus bis zu 3,75 Megawatt Ladeleistung möglich sein. Was heißt­: Selbst ein Fern-Laster könnten so binnen 45 Minuten wieder 400 Kilometer Reichweite zurückerlangen.

Kurzvideo (hw) vom „Megaladen“:

Der Güterfernverkehr ist aber nur einer von mehreren Mobilitätssektoren, die das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme mit seinem „Megaladen“ umkrempeln will. Im Fokus stehen eben auch kommunale Flottenbetreiber wie die Dresdner Stadtreinigung, die nun als Technologiepionier voran geht. Der Test-Lkw soll bis zum Jahresende Erfahrungen sammeln, spätestens 2026 will sich das Team um SRD-Chef Alf Schwaten dann entscheiden, ob „Megaladen“ in Dresden zum Standard wird.

Alf Schwaten von der Stadtreinigung Dresden vor dem Elektrolaster, der das „Megaladen“ von unten auf dem Fraunhofer-Testoval im Dresdner Süden testet. Foto: Heiko Weckbrodt

Alf Schwaten von der Stadtreinigung Dresden vor dem Elektrolaster, der das „Megaladen“ von unten auf dem Fraunhofer-Testoval im Dresdner Süden testet. Foto: Heiko Weckbrodt

„Für Lkws fehlt uns noch die Ladeinfrastruktur“

Alf Schwaten, SRD-Chef

Schwaten selbst sieht großen Bedarf für eine schnelle und platzsparende Lösung: Zwar gebe es für Elektroautos inzwischen schon viele Ladesäulen und Wallboxen, „doch für Lkws fehlt uns noch die Ladeinfrastruktur“, argumentiert er. Wollte man dieses Problem mit Kabeln und Ladesäulen wie bei Elektroauto lösen, wäre der Platzbedarf und Zeitaufwand für große Flottenbetreiber jedoch enorm: Um Großakkus von Lkws oder gar mobilen Müllpressen in vertretbarem Zeitaufwand füllen, bräuchte man armdicke, gekühlte Starkstromkabel, die sich nur durch Roboter oder Kräne andocken lassen. Samt Säule würde dies den Flächenbedarf pro Lkw auf den Betriebshöfen drastisch erhöhen. „Soviel Platz haben wir gar nicht“, betont Schwaten.

Nach dem Pantografen für Elektrobusse bringt IVI nun das „Megaladen“ von unten

Auf der Suche nach Antworten nutzt er nun die Erfahrungen der IVI-Experten. Die hatten bereits vor über zehn Jahren mit ihren „Pantographen“ eine wegweisende Ladelösung „von oben“ für Elektrobusse zur Praxisreife gebracht. Diese Oberleitungs-Ladearme funktionieren für die vielen, zumeist ähnlich designten Bus-Typen auch recht gut und haben den IVI-Industriepartner „Schunk“ zum Marktführer in diesem Sektor gemacht. Im Lkw-„Universum“ hingegen gibt es ganz verschiedene Aufbauten, Formen und Größenklassen, an die sich ein „Pantograph“ nur mühsam anpassen lässt. Insofern haben die Dresdner nun mit dem „Megaladen“ ein Gegenstück „von unten“ geschaffen, das sich besser für die recht einheitlichen Laster-Unterböden eignet. Im Labor und auf dem Testoval im Dresdner Süden funktioniert das auch schon recht gut. Im mehrmonatigen SRD-Test muss sich nun zeigen, ob „Megaladen“ auch für den Alltag taugt. Parallel dazu arbeiten die IVI-Ingenieure an jenen Fachgremien mit, die die kommenden Lade-Infrastrukturen für Elektro-Lkw standardisieren. Sie hoffen, in diesen Standards ihre Technologie verankern zu können. Denn nur dann würde sich die Verkehrswirtschaft wohl darauf einlassen, massenhaft E-Laster mit „Megaladen“-Schnittstellen sowie Betriebshöfe und Raststätten mit den neuen Unterboden-Ladesystemen auszustatten.

SRD-Manager sehen eine elektrische Zukunft für die Müllabfuhr

Konkret für die SRD sieht Alf Schwaten aber gute Chancen, dass sich die Fraunhofer-Innovation im Zusammenspiel von Investitions- und Betriebskosten rechnen könnten. Und dass die Zukunft für auch die Müllabfuhr elektrisch ist, daran haben die SRD-Manager Zweifel: „Diesel und Gas sind endliche Themen“, sagt Alf Schwaten. „Über die Dieselpreise wird das auch zur Kostenfrage für uns werden. Das bedeutet nicht, dass wir morgen unsere Diesel-Lkws verschrotten – aber wir werden sie Stück für Stück durch Fahrzeuge mit umweltfreundlichen Antrieben ersetzen.“ Auch für Anwohner, Radler wie auch die Müllfahrer selbst seien die leisen Stromer ein klarer Fortschritt, sagen der SRD-Chef und sein Abfallfahrten-Abteilungsleiter Sven Gotscha nach ersten Auswertungen der elektrischen Testfahrzeuge: Die Lärmbelastung für die Mitarbeiter und Anwohner sinkt. Zudem können die Müllfahrer nun auch nahende Radfahrer und Fußgänger besser hören, wenn sie die Tonnen hin- und herwuchten – das senkt ganz nebenbei die Unfallrisiken.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: SRD, IVI, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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