Wer ist die stärkste Fraktion im Münchner Stadtrat? Wer darf im Jahr vor der Kommunalwahl im März 2026 die attraktivsten Termine wahrnehmen, um sich den Bürgerinnen und Bürgern zu präsentieren? Um diese Fragen ist hinter den Kulissen des Stadtrats ein erbitterter Streit entbrannt. Ausgelöst hat ihn ausgerechnet der Oberbürgermeister-Kandidat einer Kleinstpartei: Felix Sproll von Volt.
Diese bildete fast die gesamte Amtsperiode eine Fraktionsgemeinschaft mit der SPD. Dass diese sich dem Ende nähert, war in den Rathausfluren schon zu hören. Anfang Mai vermeldeten die Koalitionskollegen von den Grünen Sproll dann überraschend als Zugang. Die Fraktionsgemeinschaft Grüne/Rosa Liste/Volt hätte damit 24 Mitglieder, eines mehr als die von CSU/Freie Wähler. Und die grün-rote Koalition behielte eine Stimme ihrer mittlerweile sehr knappen Mehrheit.
Der Wechsel Sprolls würde in der politischen Arithmetik der Stadt aber auch bedeuten, dass die attraktivsten Termine, die von den drei Bürgermeistern nicht wahrgenommen werden können, erst mal von den Grünen als neue stärkste Kraft besetzt werden dürften. Zuletzt mussten sie dieses Privileg mit der CSU teilen, weil Grünen-Stadtrat Delija Balidemaj im Herbst 2024 völlig überraschend dorthin übergetreten war, was zu einem Patt geführt hatte.
Doch Oberbürgermeister Dieter Reiter von der SPD will die neue Fraktionsgemeinschaft kurzerhand verbieten. Das geht aus der Beschlussvorlage für die Vollversammlung am kommenden Mittwoch hervor.
Es gab in der Amtsperiode tatsächlich Gerichtsurteile, die das Bilden einer gemeinsamen Fraktion aus unterschiedlichen Parteien erschweren. Doch die Grünen argwöhnen, dass ihnen ihr Koalitionspartner SPD vorrangig die attraktiven Termine vor der Kommunalwahl nicht gönnt. Selbst wenn in der Konsequenz nicht die SPD selbst, sondern die CSU davon profitieren würde.
Der Verdacht gründet auf einem Schreiben der Regierung von Oberbayern, der Rechtsaufsicht der Stadt. Diese bestätigte zwar, dass sich die Aufnahme von Volt bei den Grünen nicht auf die Zusammensetzung der Ausschüsse des Stadtrats auswirken dürfe. Darauf haben die Grünen wohlweislich wegen der komplizierten Rechtslage im Vorfeld verzichtet.
Der Oberbürgermeister will den Stadtrat dazu bewegen, die Verbindung Grüne/Rosa Liste/Volt abzulehnen
Weitere Einwände kommen von der Regierung aber nicht. „Unseres Erachtens spricht nichts dagegen, dass der Anschluss an die Fraktion bzw. die neue Fraktionsgemeinschaft zwar nicht hinsichtlich der Ausschusswirksamkeit, im Übrigen jedoch grundsätzlich rechtlich anerkannt werden kann“, heißt es in dem Brief. Und weiter unten dann: „Letztendlich unterliegt es der Beurteilung des Stadtrates, ob er die Fraktionsgemeinschaft ‚Die Grünen – Rosa Liste – Volt‘ im Sinne der Geschäftsordnungsregelungen, die er sich selbst gegeben hat, rechtlich anerkennt.“
Der Oberbürgermeister will den Stadtrat dazu bewegen, die Verbindung Grüne/Rosa Liste/Volt abzulehnen. „Ich schlage vor, den Beitritt nicht im Sinne der Geschäftsordnung anzuerkennen“, schreibt Reiter in der Beschlussvorlage. Die neue Fraktionsgemeinschaft würde bei der Stellenausstattung, den Kosten für Personal, der Raumverteilung und den Bürokosten profitieren. Es erscheine ihm inkonsequent, einer Fraktion, die aus rechtlichen Gründe keine ausschusswirksame Gemeinschaft bilden dürfe, „wirtschaftlich relevante Vorteile zukommen zu lassen“. Auch könnte sie Auswirkungen auf die Vertretungen der Bürgermeister bei Terminen haben, räumt er in der Vorlage ein.
Ob der Stadtrat ihm folgt, bleibt zunächst offen. Die SPD dürfte den OB kaum bloßstellen, die CSU will die Lage rechtlich prüfen. Nur gemeinsam könnten die beiden den Grünen vor der Kommunalwahl ein Bein stellen.