Wie entspannt ist er denn?
Bielefeld-Trainer Mitch Kniat (39) schreibt mit Arminia gerade eine unfassbare Geschichte. Vor nicht allzu langer Zeit forderten Fans noch seinen Rauswurf, jetzt steht er Samstag (20 Uhr/ZDF & Sky) im Pokal-Finale gegen Stuttgart – der größte Erfolg der Vereinsgeschichte.
Im BILD-Interview gibt sich der Erfolgs-Coach maximal offen, erklärt seinen Mitch-Matchplan für die Sensation. Dazu verrät Kniat, wofür er hohe Strafen verhängt und dass er Bielefeld-Fans auch gerne mal durch die Stadt kutschiert.
Bielefeld-Trainer Mitch Kniat im BILD-Interiview
BILD: Noch im Februar skandierten viele Bielefeld-Fans „Kniat raus“. Jetzt sind Sie Drittliga-Meister, Trainer des Jahres und stehen im DFB-Pokal-Finale. Fußball ist verrückt, oder?
Kniat: „Absolut. Gegenwind lässt mich nicht aufgeben. Auch die persönliche Kritik hat mich gestärkt, weil ich dadurch gelernt habe, dass sie mir nichts ausmacht. Mein Bruder auf der Tribüne hat sogar mehr darunter gelitten. Ich musste ihn trösten, nicht andersrum. Netterweise kommen bis heute Fans zu mir und entschuldigen sich dafür. Das ist nicht selbstverständlich.“
Woher nehmen Sie die Kraft?
Kniat: „Ich war und bin von uns überzeugt. Schon vor der Saison habe ich jedem Einzelnen gesagt: ‚Wir steigen auf!‘ Ich wusste es einfach, auch wenn manche sicher gedacht haben, dass ich spinne. Das war kein Zweckoptimismus. Den hätten mir die Jungs auch nicht abgekauft, die sind nicht blöd.“
Meister, Finale, Trainer des Jahres – Mitch Kniat hat derzeit maximal viel Erfolg
Foto: Friso Gentsch/dpa
Dabei sind Sie vor einem Jahr mit Bielefeld fast in die Regionalliga abgestiegen…
Kniat: „Als ich hier 2023 anfing, war quasi nichts vorhanden. Der Kader bestand nur aus Fabian Klos. Wir mussten alles neu aufbauen, Spieler holen, eine Idee entwickeln. Das haben Michael Mutzel und ich geschafft, auch wenn es Zeit brauchte. Ich finde: In guten Phasen kann jeder eine Mannschaft trainieren. Doch das wahre Gesicht eines Trainers zeigt sich, wenn’s ruckelt.“
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Welches Gesicht wird die Hauptstadt am Samstag zeigen – wird sie zu Berlinefeld?
Kniat: „Ich glaube wirklich, dass die ganze Stadt mit Bielefeldern gepflastert sein wird. Ich habe von vielen gehört, die daraus nicht nur ein Party-Wochenende, sondern eine ganze Woche machen. Das haben sie sich nach harten Jahren verdient.“
Wie ist Ihr Mitch-Matchplan?
Kniat: „Wir wissen, dass Stuttgart die bessere Mannschaft ist. Es wird zwei, drei Momente geben, die müssen wir in unsere Richtung kippen. Wir werden natürlich wieder hochintensiv pressen, mutig sein, den Gegner stressen. Auch offensiv.“
Ist es Ihr Faustpfand, dass fast alle gesund sind?
Kniat: „Definitiv. Meine Devise ist: So wie man trainiert, spielt man auch. Deswegen sind die Einheiten immer hochintensiv. Die Jungs gehen wirklich hart zur Sache. Das hört sich vielleicht doof an, aber ich pfeife keine Fouls und Aus gibt’s auch nicht. Ich lasse alles weiterlaufen.“
Bielefeld gilt zudem als fitteste Mannschaft der 3. Liga.
Kniat: „Das erwarte ich. Die Spieler dürfen nur Profis sein, weil der liebe Gott ihnen Talent geschenkt hat. Aus dem Privileg müssen sie etwas machen. Deswegen gibt es auch Geldstrafen, wenn der Körperfettanteil zu hoch ist. Wir messen einmal im Monat. Zu Beginn sind noch sechs, sieben Spieler im roten Bereich, nach spätestens zwei Monaten keiner mehr. Es muss fast nie einer bezahlen.“
Nennen Sie einen Profi mit guter Entwicklung?
Kniat: „Grundsätzlich haben diejenigen Nachholbedarf, die neu dazukommen. Marius Wörl hat etwa vier Kilogramm Muskelmasse aufgebaut, dadurch seine Zweikampfwerte verbessert.“
Prost! Darf Arminia auch in Berlin feiern?
Foto: IMAGO/Noah Wedel
Souveräne Siege gegen Union, Freiburg, Bremen und Leverkusen – hat dieses Bielefeld Erstliga-Niveau?
Kniat: „Da ist die Qualität schon noch höher als bei uns. Aber unsere mannschaftliche Geschlossenheit ist mindestens auf Bundesliga-Level. Wir sind individuell auch nicht die beste Mannschaft der 3. Liga, aber als Team funktionieren wir am besten. Das ist der entscheidende Faktor.“
Hat Rekordspieler Fabian Klos als Kapitän der Vorsaison mitbewirkt, dass da etwas zusammenwächst?
Kniat: „Hundertprozentig. Fabi hat uns Trainern und den Spielern klargemacht, dass der Verein nun einmal verrückt sei und es auch ganz normal wäre, dass mal schlechte Stimmung herrscht. Dazu hat er bei den Fans für das Trainer-Team geworben und uns damit geschützt.“
Mitch Kniat und die Arminia kommen aktuell nicht aus dem Lachen
Foto: picture alliance/dpa
Gefühlt feiert Bielefeld schon seit Wochen. Erlauben Sie Ihrer Mannschaft Party, obwohl das Pokal-Finale noch ansteht?
Kniat: „Ich muss da gar nichts anordnen, das ist das Coole an der Mannschaft. Sie wissen, wann sie zwei, drei Bierchen trinken können – und wann groß gefeiert werden darf. Nach den vergangenen drei Pokal-Siegen und dem Aufstieg zum Beispiel. Dann aber mit alle Mann, ohne Ausnahme. Und zwei Tage später konzentriert sich wieder alles auf das nächste Spiel.“
Fabian Klos lobt Ihre Akribie. Sind Sie pingelig?
Kniat: „Ich nehme es genau. In der Spielvorbereitung schaue ich mir alle Gegner live an – ob VfB Stuttgart oder den SC Peckeloh für den Westfalenpokal. Dann stehe ich halt auf Kunstrasen oder Ascheplatz. Mir ist auch egal, wenn ich mal nach einem Stuttgart-Spiel, das ich sehen wollte, um drei Uhr nachts heimkehre und dann direkt wieder Training ist. Ich brauche meine Vorbereitung – unabhängig davon, ob’s gerade gut läuft.“
Bleiben Ihre Abläufe auch vorm Finale gleich?
Kniat: „Ja, wir planen etwa auch durch Berlin einen Spaziergang. Das tun wir immer. Ist doch schön, wenn wir Kontakt mit den Fans haben.“
Gaga-Aktion vor Pokal-Finale: Bielefeld-Denkmal trägt riesiges Trikot
Quelle: BILD15.05.2025
Wenden Sie im Finale den zuletzt vieldiskutierten Verletzungs-Trick mit Torhüter Jonas Kersken an, der Ihnen eine Team-Besprechung ermöglicht?
Kniat: „Das kann ich definitiv ausschließen. Aus der ganzen Nummer wurde ein zu großer Hype gemacht. Ab jetzt werden wir ganz klassisch auf Zettel-Botschaften setzen…“
Zu Ihnen. Sie haben zu Beginn Ihrer Trainer-Karriere zusätzlich als Zeitarbeiter gearbeitet. Wieso?
Kniat: „Alle wollen Trainer werden, aber dann bitte nur im Umkreis von zehn Kilometern und für 50.000 Euro. Ich aber würde wirklich alles dafür tun. Deshalb habe ich in der Oberliga auf Minijob-Basis angefangen, um im Gegenzug dafür meine Trainer-Kurse bezahlt zu bekommen. Deswegen habe ich parallel so viele Tätigkeiten ausgeübt. Ich habe erst investiert, weil ich unbedingt als Fußballcoach arbeiten wollte. Auch heute noch würde ich bei Arminia für ein Gehalt von 0 Euro arbeiten, weil ich meinen Job so liebe und es wirklich meine große Leidenschaft ist.“
Auch auf Schalke kursierte bereits Ihr Name. Ehrt Sie das?
Kniat: „Ja, definitiv. Aber es interessiert mich nicht. Ich bin absolut glücklich bei Arminia und kann mir vorstellen, hier noch sehr lange zu bleiben. Vorausgesetzt, beide Seiten haben noch Spaß aneinander.“
Ganz Arminia ist im Final-Modus – auch das Hermannsdenkmal in Detmold
Foto: IMAGO/Noah Wedel
Welches Ziel mit Arminia ist größer – Europa League oder Bundesliga?
Kniat: „Auf jeden Fall Europa League, da bin ich ganz ehrlich. Das hat der Verein noch nicht geschafft, das kennt hier keiner. Einmal als Trainer international spielen, wäre schon geil!“
Würden Sie dann Anzug tragen?
Kniat: „Das wird’s wohl nie geben. Den habe ich, glaube ich, zuletzt bei der Kommunion angehabt.“
In Bielefeld kursieren Geschichten, dass Sie Fans öfter per Anhalter zum Bahnhof mitnehmen. Stimmt das?
Kniat: „Ja, weil es selbstverständlich ist. Für mich ist das so, als wenn eine ältere Dame in den Bus oder die Bahn einsteigt – da stehe ich auch auf. Oder wenn fünf Leute an einem Tisch sitzen, reiche ich nicht nur dem die Hand, den ich kenne, sondern allen. Nur weil ich Trainer von Arminia Bielefeld bin, bin ich nicht der Herrgott.“
Kann sich nicht am Rücken kratzen, weil der Bizeps zu groß ist: Mitch Kniat
Foto: picture alliance / foto2press
Privat ist über Sie wenig bekannt. Nicht verstecken können Sie, dass Sie regelmäßig ins Fitnessstudio gehen. Wie häufig?
Kniat: „Fünfmal die Woche, dabei komme ich runter. Meistens starte ich meinen Tag von sechs bis sieben Uhr beim Sport, danach fahre ich ganz entspannt zum Platz und bin topfit.“
Was ist denn stärker – Arminias Zusammenhalt oder Mitch Kniats Oberarm?
Kniat (lacht): „Auf jeden Fall der Zusammenhalt der Truppe. Der ist wirklich mega!“
Sie sagten einst, Sie würden sich ein Arminia-Tattoo stechen lassen, wenn etwas Besonderes geschieht. Wie wär’s mit „Kniat raus“ beim Pokalsieg?
Kniat: „Da muss noch ein bisschen mehr passieren. Zumal ich schon recht voll bin mit Tattoos. Aber es ist ja eh viel geiler, wenn man Arminia sogar im Herzen hat und nicht nur auf der Haut.“