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Seite 1Beziehungen unter Beschuss
Seite 2EU ist der größte Handelspartner Israels
Im Westjordanland hat das israelische Militär am Mittwoch Schüsse in Richtung einer Diplomatengruppe abgegeben, die ein Flüchtlingslager besuchen wollte. Keine Kleinigkeit, auch wenn niemand verletzt wurde, denn Diplomaten stehen unter besonderem Schutz. Die Delegation sei von einer zuvor genehmigten Route für den Besuch von Dschenin abgewichen, teilte die Armee mit, deshalb hätten die Soldaten die Gruppe als Bedrohung wahrgenommen und Warnschüsse abgeben. Der Zwischenfall ist auch deshalb schwerwiegend, weil es Diplomaten aus Mitgliedsländern der Europäischen Union waren, unter anderem aus Deutschland, Italien und Spanien. So verschärft der versehentliche Beschuss den bestehenden Konflikt zwischen Israel und der EU.
Wie sehr die Unterstützung für Israel in Europa bröckelt, ist am Dienstag besonders deutlich geworden. Eine Mehrheit von 17 der 27 Mitgliedstaaten stimmte dafür, das Handelsabkommen der EU mit Israel zu überprüfen. Wegen des Vorgehens der israelischen Armee im Gazastreifen. Die Länder, die den Beschluss befürworteten, beziehen sich auf den Artikel 2 des Assoziierungsabkommens. Darin heißt es: „Die Beziehungen zwischen den beiden Parteien (…) gründen auf den Respekt der Menschenrechte und der demokratischen Prinzipien“. Sie seien „ein essenzieller Bestandteil des Abkommens“.
Für eine Überprüfung der Beziehungen zu Israel stimmten insbesondere Mitgliedsstaaten, die gegenüber Israel schon seit geraumer Zeit eine äußerst kritische Haltung einnehmen. Dazu zählen Spanien, Irland und Belgien.
Die spanische Regierung des Sozialisten Pedro Sánchez hatte im Mai 2024 – also mitten im Gazakrieg – den Palästinenserstaat anerkannt, gemeinsam mit Irland und Norwegen. Das sei, erklärte Sánchez, „der einzige Weg zu einer Zweistaatenlösung“. In einer Parlamentsdebatte vergangene Woche sagte der Premier auf die Frage eines Abgeordneten aus Katalonien, warum man die Beziehungen zu Israel nicht abbreche: „Wir machen keine Geschäfte mit einem völkermörderischen Staat.“ Damit folgte er der Wortwahl seiner Stellvertreterin Yolanda Díaz von der extrem linken Partei Sumar. Sie bezeichnet Israel schon seit Längerem als „völkermörderischen Staat“, den man sanktionieren müsse.
© Lea Dohle
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Irland war das erste Mitgliedsland der EU gewesen, das die Anerkennung eines Palästinenserstaates eingefordert hatte, nämlich schon 1980. Und es war das letzte Mitgliedsland, das Israel erlaubte, eine eigene Botschaft zu eröffnen, nämlich 1993. Der irische Premierminister Micheál Martin hielt kürzlich fest: „Israel begeht Kriegsverbrechen.“ Die Lage in Gaza sei die „Hölle auf Erden“, Israel habe „den moralischen Kompass verloren“. In Irland wird oft mit den eigenen Erfahrungen argumentiert, um die ausgeprägte Unterstützung für die Palästinenser zu erklären. Martins Vorgänger im Amt, Leo Varadkar, sagte im März 2024: „Auf meinen Reisen fragen mich die Regierungschefs oft, warum die Iren so große Sympathie für das palästinensische Volk haben. Die Antwort ist einfach. Seine Geschichte erinnert uns an unsere eigene. Eine Geschichte von Umsiedlung, von Enteignungen, von Infragestellung der nationalen Identität, erzwungener Emigration, Diskriminierung und jetzt auch Hunger.“ Diese Argumentation leistet freilich der besonders in linken Kreisen betriebenen Dämonisierung Israels als Projekt eines Kolonialismus Vorschub.
Belgien schließlich ist das dritte EU-Mitgliedsland, das seit Langem schon Härte gegen Israel fordert. Eine belgische Ministerin verlangte bereits kurz nach Beginn des Gazakriegs – der ja eine Reaktion auf das von der Hamas begangene Massaker in Israel ist – Sanktionen gegen Israel. Die amtierende belgische Entwicklungsministerin Caroline Gennez sprach von „ethnischer Säuberung“ in Gaza und kritisiert die deutsche Israelpolitik mit scharfen Worten. Sie fragte, „ob Deutschland wirklich zweimal auf der falschen Seite der Geschichte stehen“ wolle – und stellte damit einen Vergleich zwischen dem Vorgehen Israels in Gaza und der nationalsozialistischen Herrschaft her. Der amtierende belgische Außenminister Maxim Prévot: „Wir sollten ehrlich sein: Verurteilungen allein haben überhaupt keine Auswirkungen auf Israel. Jede Woche, die vergeht, wird die Lage schlimmer. Wir müssen handeln!“