Wenn ihr eure Atomkraftwerke nicht wollt – wir nehmen sie gern! US-Unternehmen prüfen mit großem Interesse die Kosten einer Wiederinbetriebnahme deutscher AKW.
In Berlin trafen sich am Donnerstag Vertreter aus Politik und Kernkraft-Lobby im feinen „Hotel de Rome“. Sie diskutierten, ob die deutschen Meiler wieder hochfahren könnten.
Im Mittelpunkt stand Mark Nelson, Nuklear-Ingenieur aus Chicago (US-Bundesstaat Illinois), Gründer der „Radiant Energy Group“, der akribisch ausrechnet, was ein Hochlauf kosten und wie schnell es gehen würde.
„Es gibt auf der ganzen Welt keine günstigere Art, Strom zu erzeugen, als mit euren abgezahlten AKW“, sagte Nelson zu BILD. Mit einem Konsortium aus Unternehmen und Investoren plant er die AKWende in Deutschland. Die Amis sind sich sicher: Neun deutsche Kernkraftwerke könnten reaktiviert werden.
Nuklear-Ingenieur Nelson will die deutschen Kraftwerke reaktivieren
Foto: @Dr_Keefer/X
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Dem Argument, der AKW-Betrieb sei zu teuer, liege eine falsche Berechnung zugrunde – oder es sei gelogen, meint Nelson. „Die Frage lautet: Zu teuer – verglichen womit?“
Die Versorger in Deutschland würden das behaupten, „weil sie als Subventionen für fossile Kraftwerke Milliarden bekommen“. Und: Ökostrom ist zwar günstig – doch allein reicht er noch lange nicht. Erneuerbare Energien deckten im ersten Quartal 2025 rund 47 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland ab.
Fakt ist: Deutschland will für 20 Milliarden Euro Gaskraftwerke bauen, um aus der Kohle auszusteigen und trotzdem sichere Stromversorgung zu haben. Viele Milliarden Steuergeld sind dafür geplant. Die großen Versorger RWE und E.ON haben der Kernkraft in den letzten Monaten tatsächlich abgeschworen …
Nelson legt den Finger in die Wunde: „Ihr seid genau dann aus der Kernkraft ausgestiegen, als ChatGPT auf den Markt gekommen ist. Jeder weiß, dass KI unendlich viel Energie braucht und genau dann schaltet ihr die besten Kraftwerke der Welt ab.“
„Ein großes Comeback der Kernkraft“
Deshalb werde Deutschland zur Kernkraft zurückkehren, denkt Fatih Birol (67), Präsident der Internationalen Energieagentur (IEA). Er gilt als renommiertester Energie-Experte der Welt. Birol sagte zu BILD, dass er „ein großes Comeback der Kernkraft“ erwarte. Birol ist Ex-Chefökonom der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und gilt als Einflüsterer der Weltpolitik.
Fatih Birol (l.) mit US-Vizepräsident JD Vance (40) und dem indischen Premier Narendra Modi (74)
Foto: fbirol/X
Es sei nun an der Politik, zu prüfen, ob AKW wieder ans Netz gebracht werden können, ob „Small Modular Reactors“ (SMR, Mini-AKW) gebaut werden oder ob man mit den Nachbarn zusammenarbeiten sollte.
„Ein Comeback ist in jedem Fall möglich. Mein wirtschaftliches Verständnis sagt mir, dass ein Industrieland wie Deutschland speicherfähige Erneuerbare und Kernkraft brauchen wird“, sagte Birol zu BILD.
Wirtschaftsministerin will Mini-AKW fördern
Genau heute verkündete die Bundesregierung einen ersten Schritt in Richtung Wende!
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (51, CDU) zeigte sich beim Treffen der EU-Wettbewerbsminister in Brüssel am Donnerstag offen für eine Förderung von SMR aus dem EU-Haushalt. Deutschland hatte dies bislang abgelehnt.
Kanzler Friedrich Merz (69) will außerdem den hartnäckigen Widerstand gegen das französische Bemühen aufgeben, die Kernkraft in Brüssel als nachhaltige Energieform einzustufen (EU-Taxonomie).
Frankreich setzt anders als die Bundesrepublik stark auf Atomkraft. „Wir gehen hier einen anderen Weg als Frankreich“, sagte Ministerin Reiche mit Blick auf das Nachbarland. „Fakt ist aber, dass jede Tonne CO2, die wir einsparen können, gut ist. Hier müssen wir technologieoffen sein.“
Der türkische Wirtschaftswissenschaftler Fatih Birol ist seit 2015 Präsident der Internationalen Energieagentur und war Chefökonom der OECD. Birol stand mehrmals auf der Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt des „Time“-Magazins.
Mark Nelson hat Nukleartechnik an der britischen Universität Cambridge studiert und war als Berater für die Energie-Branche und Umweltorganisationen tätig. Über seine Arbeit wurde u.a. in der „New York Times“ und dem „Wall Street Journal“ berichtet.