Berlin – Heftig, aber gefeiert!
Mit dem Stück „Sancta“ brachte Star-Regisseurin Florentina Holzinger (39) im Oktober in Stuttgart heftige Szenen auf die Bühne: Live-Sex, eine Tänzerin, der ein Stück Haut aus dem Körper geschnitten wird, das anschließend gegrillt wird. 18 schockierte Zuschauer müssen danach von Sanitätern behandelt werden.
Jetzt hat Holzinger an der Volksbühne in Berlin ihr neues Stück „A Year without Summer“ vorgestellt. Und auch für dieses gilt: Es ist nichts für schwache Nerven.
Schon in der „Triggerwarnung“ werden explizite sexuelle Handlungen, Blut und Körperflüssigkeiten sowie Selbstverletzungen genannt.
Szene aus dem Stück. Sekunden später baden die Frau in Schleim
Foto: Mayra Wallraff
Der Titel „Jahr ohne Sommer“ bezieht sich auf das wegen eines Vulkanausbruchs in Indonesien ungewöhnlich kalte Jahr 1816, in dem auch Mary Shelley ihren „Frankenstein“ schrieb.
„Wir fanden es interessant, uns mit diesem Jahr 1816 zu beschäftigen, weil es zeigt, wie das Umweltgeschehen einen großen Einfluss auf Kunst und Literatur hat“, sagt Regisseurin Holzinger in einem RBB-Interview. „Gerade jetzt fanden wir es interessant, auch das Gruseln vor der Natur anzusprechen.“
In dem Stück geht es um Schönheitsoperationen, Alterslosigkeit und um die Zustände in der Pflege. Für die Produktion wurden Frauen zwischen 65 und 90 Jahren gesucht, die bereit sein mussten, nackt aufzutreten.
Schon in der Ankündigung wird u. a. vor Blut gewarnt
Foto: Nicole Marianna Wytyczak
Fäden ziehen aus einer frischen Wunde
Die eröffnen den Reigen noch angezogen, doch nach kaum einer Viertelstunde sind alle nackt, es kommt zu einer lesbischen Sex-Orgie. Ein riesiger Frauen-Torso ohne Kopf und Arme wird aufgeblasen, aus der Vagina purzeln die Darstellerinnen.
In Großaufnahme wird gezeigt, wie einer Tänzerin die Fäden aus einer frischen Wunde am Bein gezogen werden, mit einer Pinzette ins rohe Fleisch gegriffen und eine Mini-Babyfigur herausgezogen wird. Verkündet wird die Geburt eines Musicals.
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Tatsächlich wird gesungen und getanzt, mit leichter Unterhaltung hat das aber nichts zu tun. Schließlich bekommt eine Frau das „ultimative Facelift“, wie in großen Lettern projiziert wird. Dabei werden ihr Angelhaken durch die Augenbrauen und in die Wangen getrieben, die ihre Gesichtszüge grotesk verzerren. Dafür gibt es Szenenapplaus.
Senioren schauen sich durch eine Wand Roboter-Hunde an
Foto: Mayra Wallraff
„In meiner neuen Show stelle ich Monster der Medizingeschichte dar“, erklärt Regisseurin Holzinger dem RBB. „Wer sind die Leute, die Kontrolle über den weiblichen Körper ausüben? Was geschieht alles im Dienste des wissenschaftlichen und medizinischen Fortschritts?“
Auf der Bühne spielt eine nackte Kleinwüchsige Nazi-Arzt Josef Mengele, einem verglasten Kubus baden Menschen in Schleim, es läuft Heavy Metal.
Florentina Holzinger übt in dem Stück unter anderem Kritik an der Situation in der Pflege
Foto: Mayra Wallraff
Das Publikum springt von den Sitzen
Gegen „Sancta“ in Stuttgart gab es Proteste und Drohungen, Sicherheitspersonal musste die Aufführungen schützen. Das Publikum in der Hauptstadt ist härter im Nehmen: Es applaudierte begeistert, sprang von den Sitzen.
Auch die Kritik ist angetan: Einen „fantastischen, berührenden Bilderreigen“ nennt der „Spiegel“ die Aufführung. „An der Volksbühne zeigt Florentina Holzinger erneut, warum sie zu den Superstars der Kunst gehört“, schreibt die „Berliner Morgenpost“.
Die nächsten Vorstellungen sind allesamt ausverkauft.