Liebe Leserin, lieber Leser,

Jubel und Standing
Ovations sind im Audimax der Uni Hamburg eher selten. Dass es dort
gestern Abend zu kollektiven Gefühlsausbrüchen kam, lag nicht an
einer besonders gelungenen Folge der Vorlesung „Einführung in
empirische Forschungsmethoden“ oder „Statistik für
Volkswirtschaftslehre I“.

Der Anlass war vielmehr
die Nachricht aus Bonn, dass in den kommenden sieben Jahren wieder
eine dreistellige Millionensumme nach Hamburg fließen wird, um hier
nicht wie bisher vier, sondern sogar fünf Exzellenzcluster zu
fördern. Das sind Zusammenschlüsse von Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern, denen die Fördergremien des Bundes zutrauen,
Forschung von Weltrang zu betreiben.

Die vier bestehenden
Cluster der Uni werden fortgesetzt – zwei in der Physik und je
einer in der Klimaforschung und in den Geisteswissenschaften, mehr
Infos dazu hier
.
Hinzu kommt ein neues an der TU Hamburg: Dort geht es darum, bei der
Entwicklung neuer Materialien von der Natur zu lernen, mehr
Infos hier
.

Den Verantwortlichen war
anzumerken, dass ihnen gestern ein Stein vom Herzen fiel. „Ich hatte
ein bisschen Muffen, dass es vielleicht
nicht so
gut ausgeht“, gestand Uni-Präsident Hauke Heekeren, „aber es ist
sehr gut ausgegangen.“ Die heutige Umwelt- und zuvor langjährige
Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne), die per Video aus
Bonn zugeschaltet war, wischte sich die Augen trocken – eine
vertraute Geste der Erleichterung, wie schon am Abend nach der
Bürgerschaftswahl.

Bürgermeister Peter
Tschentscher
(SPD) äußerte sich typgemäß eher analytisch: „Es
ist nicht leicht, in die Bundesliga zu kommen, und es ist nicht
leicht, in der Bundesliga zu bleiben.“ Der Uni geht es wie dem FC
St. Pauli, der Klassenerhalt ist geschafft.

Aber, Moment –
insgesamt waren 98 Anträge auf Förderung zugelassen worden, und 70
würden bewilligt werden, das war vorher klar. Die Chancen standen
also gut. Ist da der Freudentaumel nicht etwas übertrieben? „Nein
„, sagte Katharina Fegebank, als ich nach der Veranstaltung kurz mit
ihr telefonierte. Schließlich habe es gestern Abend für einige Unis
auch böse Überraschungen gegeben.

© ZON

Newsletter

Elbvertiefung – Der tägliche Newsletter für Hamburg

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Das stimmt. In Berlin
etwa verlieren alle drei Unis je ein Cluster. Dort werden nun wohl
Forschungsprojekte und womöglich auch wissenschaftliche Karrieren
enden, weil das Geld dafür fehlt.

Ein neuer Antrag aus
Hamburg wurde negativ beschieden, nämlich das Vorhaben von Uni und
UKE, Infektionskrankheiten und ihre Prävention zu erforschen.
Katharina Fegebank sagte mir gestern sinngemäß, es sei schwer, den
Fördergremien brauchbare Begründungen ihrer Entscheidungen
abzuringen, aber ihr Eindruck sei, dass der neue und ungewöhnliche
Forschungsverbund aus Medizinern, Sozialwissenschaftlern und
Historikern sich erst noch beweisen müsse.

Bürgermeister
Tschentscher, selbst Mediziner, deutete gestern an, dieses Vorhaben
unterstützen zu wollen. Ähnlich äußerte sich Fegebank, wobei das
nun ja nicht mehr in ihre Zuständigkeit fällt. Maryam Blumenthal
(Grüne), die neue Wissenschaftssenatorin, verlas gestern im Audimax
eine Rede, die noch arg nach Textbausteinen klang. Aber auch sie hat
sich wohl kaum einen besseren Start in ihr neues Amt wünschen
können.

Ich wünsche Ihnen einen
schönen Tag!

Ihr
Oskar Piegsa

WAS HEUTE IN HAMBURG WICHTIG IST

Das
Landesschiedsgericht der Hamburger AfD hat
die frühere Abgeordnete Olga Petersen aus der Partei ausgeschlossen.

Die 42-Jährige war aufgrund ihrer Russland-Nähe im Frühjahr
vergangenen Jahres bereits aus der AfD-Bürgerschaftsfraktion
ausgeschlossen worden. Da sie monatelang weder an Sitzungen des
Landesparlaments noch an denen der Bezirksversammlung Harburg
teilnahm, hatte die Bürgerschaft ihr im Dezember beide Mandate
entzogen. Zuvor hatte eine Prüfung des Landeswahlleiters ergeben,
dass Petersen ihren Lebensmittelpunkt nicht mehr in Hamburg hat und
sich vermutlich dauerhaft in Russland aufhält.

© Daniel Bockwold/​dpa

Beim
ATP-Turnier in Hamburg hat
Andrej Rubljow das Halbfinale erreicht.

Der russische Tennisprofi setzte sich gegen den Italiener Luciano
Darderi in drei Sätzen mit 6:1, 3:6, 6:3 durch. Nach dem Aus des
Hamburger Weltranglisten-Dritten Alexander Zverev und von Frances
Tiafoe aus den USA ist der Hamburg-Sieger von 2020 der letzte übrig
gebliebene Favorit. Im Achtelfinale am Mittwoch hatte Rubljow den
Deutschen Justin Engel besiegt.

In
einem Hafenbecken im Süden Hamburgs sind Müllsammelroboter
getestet worden.

Die Roboter gehören zu einem System namens SeaClear2.0, das aus
unbemannten Unterwasser- und Überwasserfahrzeugen und Drohnen
besteht. Das Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und
Dienstleistungen in Hamburg forscht seit Jahren an Robotern, die
eigenständig Müll im Wasser sammeln. Auch die Hamburg Port
Authority ist beteiligt.

In aller Kürze

• Das
Programm in der Active
City Arena

auf dem Heiligengeistfeld wächst. Auf der temporären Anlage finden
bis zum 9. Juni diverse Sportveranstaltungen statt. Im Mittelpunkt
steht wieder Beachvolleyball, aber auch noch junge Sportarten wie
Padel- oder Pickleball

THEMA DES TAGES

© David Hammersen/​dpa

Nach dem Aufprall sagte sie seinen Namen

Eine Frau springt von
einem Balkon im vierten Stock, offenbar aus Angst vor ihrem Freund.
Nun ist sie tot. Gegen den Freund erhebt die Anklage gleich mehrere
Vorwürfe. Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Artikel von
ZEIT-Autorin Elke Spanner.

Wie
unaushaltbar muss eine Situation sein, dass jemand 15 Meter in die
Tiefe springt? Diese Frage stellt die Staatsanwältin, als sie die
Anklage verliest. Der Angeklagte, Anouar B., zeigt keine Regung.

Am
17. August 2024, nachmittags zwischen 16 und 17 Uhr, soll seine
Freundin oder Ex-Freundin – darüber gibt es in Medienberichten
unterschiedliche Angaben – vor seinen Augen aus ihrer Wohnung in
der Schellingstraße in Eilbek gesprungen sein. Deborah S. kletterte
über die Brüstung ihres Balkons im 4. Stock und stieß sich ab, im
Wissen, dass sie das womöglich nicht überleben würde, so die
Staatsanwältin. Nach dem Aufprall war sie noch kurz ansprechbar.
Nachbarn alarmierten die Polizei, die 36-Jährige konnte ihr noch den
Namen von Anouar B. nennen. Kurz darauf starb sie im Krankenhaus an
ihren schweren Verletzungen.

Anouar B. war zu dem Zeitpunkt schon geflohen, hatte die Frau liegen lassen.
Deshalb hat ihn die Staatsanwältin wegen zwei schwerwiegender
Delikte angeklagt: Er soll Deborah S. misshandelt und damit in den
Tod getrieben haben. Körperverletzung mit Todesfolge lautet dieser
Vorwurf. Außerdem wirft ihm die Anklage vor, dass er nicht mal
versuchte, ihr Leben noch zu retten. Statt den Notruf zu wählen,
lief er davon. Deborah S. hätte zwar gar nicht mehr gerettet werden
können, ihre Verletzungen waren zu schwer. Das wusste Anouar B. zu
dem Zeitpunkt aber nicht. Ihm drohen mehrere Jahre Gefängnis.

Wie
der Prozess weiter verlief, lesen
Sie in der ungekürzten Fassung des Textes auf ZEIT ONLINE.

Zum
vollständigen Artikel 

DER SATZ

© Peter Schickert/​Imagebroker

„Mir
schien, die meisten Leute versuchten sogar leiser zu laufen und
vorsichtiger ihre Taschen abzustellen.“

In
Hamburg wurde in mehreren Supermärkten, in einem Schwimmbad in
Pinneberg und, ja, auch in der Kunsthalle eine „Stille Stunde“
eingeführt – ein Zeitfenster ohne Durchsagen, Musik, piepsende
Kassen und lautes Geplauder. ZEIT:Hamburg-Redakteurin
Viola Diem hat genauer hingehört
.

MAHLZEIT – Die Gastrokritik

Stühlerücken
in der Ecke von St. Pauli, wo früher das Haco war. Dessen Räume
nutzt gerade der Nachbar, die Pizzeria Tazzi. Dort wiederum hat sich
bis Ende August das Nullkommaeins
eingerichtet – ein contemporary
wine pop-up,
wie es sich selbst nennt.

Die
Betreiber kennen sich aus dem Kreuzberger Spitzenrestaurant Tulus
Lotrek, das auch für seinen großartigen, persönlichen Service
berühmt ist. Davon merkt man derzeit nicht allzu viel; die jungen
Leute sind sehr flott unterwegs. Das ist zum Teil sicher gewollt: nur
keine Weinstuben-Bräsigkeit, in der man kredenzt und sich aufspielt.
Es passt auch zur provisorischen Einrichtung, die vor allem aus
Flaschen besteht.

Bei
der Weinauswahl allerdings ist Schluss mit Understatement; die ist
kundig zusammengestellt und reicht vom klassischen Kabinett von der
Mosel bis zu einem raren serbischen Furmint.

Das
wirklich Spannende im Nullkommaeins sind allerdings die
Fusions-Snacks. Wer hätte gedacht, dass Weinbergschnecken (zu denen
man hier Stäbchen reicht!) sich mit der scharfen Streichsalami
’ndjua bestens vertragen? Oder dass der „Dirty Donut“ eine
chinesische Dim-Sum-Füllung mit thailändischer Schärfe kontert?

Die
Preise hier sind sehr contemporary,
doch man bekommt dafür reichlich Geschmack.

Michael
Allmaier

Nullkommaeins,
Rendsburger Straße 14, St. Pauli.

DAS KÖNNTE SIE INTERESSIEREN

Beim
jährlichen ukrainischen Benefizkonzert morgen Abend im Musikpavillon
in Planten un Blomen ist der Sänger und Schauspieler Serhij Babkin
zu Gast. Organisiert wird das Konzert vom Norddeutsch-Ukrainischen
Hilfsstab
. Eintritt auf Spendenbasis, der gesamte Erlös wird auf
verschiedene Projekte in der Ukraine verteilt.

Ukrainisches
Benefizkonzert
, 24. Mai, 18 Uhr, Planten un Blomen, Musikpavillon

MEINE STADT

Hamburg, mein Schwan © Kally Peche

HAMBURGER SCHNACK

Auf
einem Schreibtisch im Hamburg-Ressort einer großen deutschen
Wochenzeitung liegt ein Ausdruck der Regierungserklärung des Ersten
Bürgermeisters. „Hamburg vereint – mit Herz und Verstand“, steht
als Motto darüber. „Warum haben die nicht einfach das Wort ›mit‹
gestrichen, dann hieße es ›Hamburg vereint Herz und Verstand‹“,
sagt ein Kollege. „Nein“, sagt ein anderer. „Dann wäre es keine
Regierungserklärung, sondern eine Stadionhymne.“

Die
Namen sind der Redaktion bekannt

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