Der Igel ist in Gefahr. Fast alle Fraktionen im Münchner Stadtrat wünschen sich, dass zu seinem Schutz ein Nachtfahrverbot erlassen wird – nicht für Autos, sondern für Mähroboter. Diese automatischen, kleinen Rasenmäher sind nach Überzeugung von Experten mit schuld daran, dass die Zahl der Igel in der Stadt abnimmt. Sie töten demnach die Tiere oft direkt oder verletzen sie so schwer, dass sie qualvoll sterben.

Dem Wunsch einer ganz großen Nachtfahrverbots-Koalition aus Grünen, Rosa Liste, Volt, SPD, CSU, Freie Wähler, ÖDP und München Liste aber steht die Meinung des Klima- und Umweltschutzreferats (RKU) entgegen: Von einem Nachtfahrverbot sei abzuraten. „Nach vertiefter rechtlicher Prüfung bestehen erhebliche rechtliche Bedenken.“ Der Klimaausschuss hat dies akzeptiert und setzt nun auf Überzeugungsarbeit: Die Besitzer von Mährobotern sollen die Geräte bitte freiwillig nachts außer Betrieb nehmen.

Was das Umweltreferat dem Stadtrat vorgelegt hat, ist nicht ganz frei von inneren Widersprüchen. In diversen Rechtsgebieten haben die Fachleute geprüft, ob sich eine Grundlage für ein kommunales Nachtfahrverbot finden lasse. Theoretisch sei der Erlass einer Allgemeinverfügung möglich, auf Basis des Bundesnaturschutzgesetzes und der Bundesartenschutzverordnung.

Es sei auch „unbestritten“, so das Referat, dass Kollisionen von Mährobotern mit Igeln vorkämen, weil die Tiere bei Gefahr nicht fliehen, sondern sich zusammenrollen und auf ihre Stacheln verlassen. Gegen die Messer eines Rasenmähers haben sie aber wenig Chancen. Zudem verweist das Umweltreferat auf einen Bericht der Stiftung Warentest, wonach Mähroboter alle Gegenstände und Lebewesen überfahren, die zu klein seien, um von ihnen erkannt zu werden; neben Igeln seien auch andere dämmerungs- und nachtaktive Kleintiere Opfer. Darin sehen die RKU-Fachleute eine „abstrakte Gefahr“ für die Tiere.

Allerdings bräuchte es für den Erlass einer Allgemeinverfügung für ein Nachtfahrverbot eine „konkrete Gefahr“. Und diese könne „nicht genauer quantifiziert werden“, denn niemand kenne die Zahl der „betroffenen Igel“, also der verletzten und getöteten Tiere. Eine Erfassung wäre laut Umweltreferat schwierig, „da verletzte Tiere womöglich in Verstecken verenden“, und ein Mähroboterbesitzer würde kaum von sich aus einer Behörde melden, wenn sein Gerät einen Igel erwischt hat. Weil also die „Datenlage“ keine konkrete Gefahr für Igel belege, rate man aus juristischen Gründen von einem kommunalen Nachtfahrverbot für Mähroboter ab. Auch wenn die Stadt Köln ein solches Verbot bereits erlassen habe.

Zudem argumentiert das RKU auch damit, dass ein Verbot „kaum bis nicht vollziehbar“ wäre: Wer sollte nächtens in all den Münchner Gärten kontrollieren, ob ein Mähroboter auf tödlicher Fahrt ist? Zugleich aber plädiert das Referat dafür, dass sich der Oberbürgermeister auf Bundesebene für ein Nachtfahrverbot einsetzen soll: Der Bundesgesetzgeber könnte dies auf Basis des Bundesnaturschutzgesetzes regeln. Wer aber sollte dann ein Bundesnachtfahrverbot kontrollieren und durchsetzen? Dazu äußert sich das RKU nicht in seiner Vorlage. Auf SZ-Nachfrage ergänzt das Referat, dass auch „viele andere Vorschriften“ nicht oder kaum durchgesetzt werden könnten.

Aber sind die zwölf Seiten juristische Erwägungen, wie man ein Nachtfahrverbot wasserdicht umsetzen könnte, überhaupt nötig? Schließlich gilt ein Nachtfahrverbot für Mähroboter schon längst. Zwischen 20 Uhr abends und acht Uhr morgens dürfen die Geräte nicht aktiv sein. Weil sie zu laut seien, greife die städtische Hausarbeits- und Musiklärmverordnung, kurz HMV. Die ziele auf Basis des Immissionsschutzrechts zwar auf den Schutz der Menschen vor zu viel Krach, aber „zumindest mittelbar“ helfe sie auch Tieren.

Das Fazit aus Beschlussvorlage und kurzer Diskussion im Klimaausschuss also: Ein kommunales Nachtfahrverbot für Mähroboter zum Schutz von Igeln sei nicht möglich, dabei existiert es bereits – zum Schutz der Menschen. Trotzdem solle sich der Oberbürgermeister in Berlin für ein Bundesnachtfahrverbot einsetzen. Durchsetzen aber lasse sich ein solches Verbot, zumindest in München, praktisch nicht.

Und jetzt? Das RKU empfiehlt „Aufklärungs- und Informationsarbeit“: Die Mährobotereigner sollten überzeugt werden, ihre Geräte nachts freiwillig einzusperren. Wie die Wirksamkeit dessen zum Igelschutz überprüft werden soll, schreibt das Referat nicht. Der Stadtrat wiederum findet das alles gut, will aber mehr: Die Verwaltung solle die Bürger darauf hinweisen, dass ein Nachtfahrverbot für Mähroboter bereits existiere. Und überhaupt, dass das Bayerische Naturschutzgesetz auch jetzt schon verbiete, Tiere mit elektrischen Geräten zu töten.