Sechs Spuren, breite Gehwege, ein Mittelstreifen – aber kein Platz für Radwege? Während andere Straßen längst umgebaut wurden, bleibt der Kurfürstendamm in Berlin-Charlottenburg eine Hochburg des Autoverkehrs. Dabei gäbe es genug Raum für sichere Radwege – wenn nur der politische Wille da wäre. Doch statt Fortschritt gibt es nur Ausflüchte für eine Straße, die aus der Zeit gefallen scheint.

Tag für Tag kämpfen sich Radfahrer durch den Verkehr auf dem Kurfürstendamm – ohne Schutz, ohne Perspektive. Warum dieser Prachtboulevard Berlins Mobilitätswende verschläft, ist mehr als fraglich. / © Foto: Wikimedia Commons, Collage: ENTWICKLUNGSSTADT

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Als Radfahrer ist man auf dem Kurfürstendamm tagtäglich im direkten Konflikt mit Bussen, Taxis oder Autos. Denn einen eigenen Fahrradweg gibt es auf der rund drei Kilometer langen Straße zwischen Halensee und Gedächtniskirche an keiner Stelle. Das ist umso erstaunlicher, da die Flaniermeile über ausreichende Flächen verfügt.

Es ist ein tagtägliches Abenteuer, sich als Radfahrerin oder Radfahrer über den rund drei Kilometer langen Kurfürstendamm in Charlottenburg-Wilmersdorf zu quälen. Einen eigenen Fahrstreifen für Radfahrende gibt es nicht, und so müssen sich die Radfahrerinnen und Radfahrer ihre Fahrspur mit Bussen und Taxis teilen. Von denen gibt es am Kurfürstendamm natürlich nicht wenige.

Ein eigener Radweg fehlt – die Busspur darf genutzt werden

Hinzu kommen Autos und Kleinlastwagen, die die Busspur gern nutzen, um dem Stau auszuweichen. Der Kurfürstendamm wird von Autofahrerinnen und Autofahrern zudem gern als Rennstrecke und Präsentationsfläche für im wahrsten Sinne großspurige und großformatige Autos genutzt.

Für Radfahrer ist der Kurfürstendamm also nicht nur umständlich zu befahren, sondern aufgrund der oben geschilderten Umstände und der zahlreichen Kreuzungs- und Abbiegesituationen durchaus gefährlich. Und für Bus- und Taxifahrer ist es zudem wenig spaßig, sich den engen Straßenraum mit genervten Radfahrern zu teilen. Eine Lose-Lose-Situation also.

Der Kurfürstendamm als letzte Bastion des motorisierten Verkehrs?

Umso erstaunlicher ist es, dass es in den vergangenen Jahren keinen ernsthaften, politischen Vorstoß gegeben hat, den Straßenraum zu beruhigen oder – zumindest – eine eigene, kleine Fahrspur für Radfahrer einzurichten. Während auf anderen Straßen der Hauptstadt, die deutlich weniger Straßenraum zur Verfügung haben, neue Verkehrskonzepte geplant und umgesetzt werden, tut sich in der City West am Kurfürstendamm nichts.

So etwa in der Hauptstraße in Berlin-Schöneberg, wo auf engem Raum ein Verkehrskonzept mit Fahrstreifen für Autos, Busse und – durch Poller geschützt – Radfahrer realisiert worden ist. Auch auf der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg, einer von Gewerbe und Gastronomie geprägten Hauptverkehrsstraße, wurden neue Radwege und Lieferzonen eingerichtet.

Radwege am Kurfürstendamm? Derzeit sind nur Insellösungen geplant

Bei der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt wird auf ENTWICKLUNGSSTADT-Nachfrage wie folgt argumentiert: „Die Flächen am rechten Fahrbahnrand werden insbesondere gerade am Kurfürstendamm mit seiner Anreihung von Geschäften und gastronomischen Einrichtungen für den Lieferverkehr benötigt.“

Immerhin werde derzeit aber darüber nachgedacht, auf einen kurzen Teilstück an der Rankestraße einen Radweg einzurichten, weil die dortige Abbiegespur nicht mehr benötigt werde. Zudem wäre es möglich, einzelne Ladezonen zu kennzeichnen und die Busspur an diesen Stellen zu verbreitern.

Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf gibt es derzeit andere Prioritäten

Die Einrichtung eines durchgehenden Radwegs hingegen ist trotz einer Breite von mehr als fünfzig Metern im Bezirk derzeit nicht geplant, die Prioritäten liegen woanders. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf hat auf die Anfrage der ENTWICKLUNGSSTADT-Redaktion nicht reagiert.

Dabei wäre der Charakter der Straße für eine Verkehrsberuhigung eigentlich ideal geeignet, denn am Kurfürstendamm sind zahlreiche Einzelhandels- und Gastronomie-Angebote angesiedelt, die sich über ein verstärkt flanierendes Publikum vermutlich freuen würden. Zudem steht noch ein Mittelstreifen zur Verfügung, der derzeit vorwiegend als Parkplatz genutzt wird.

Eine Umwandlung dieses Mittelstreifens in einen Radweg schließt der Senat jedoch ebenfalls aus: „Eine Nutzung des Mittelstreifens würde umfangreiche bauliche Veränderung und vermutlich auch die Fällung von Bäumen bedeuten, dafür liegt die Zuständigkeit nicht bei der oberen Straßenverkehrsbehörde, sondern beim Bezirk.“

Mehr als 50 Meter Breite: Der Kurfürstendamm bietet eigentlich ausreichend Platz

Auch Platz gibt es eigentlich genug. Denn Parkplätze sind nicht nur auf dem Mittelstreifen vorhanden, sondern an beiden Seiten der sechsspurigen Straße. Fußgängerinnen und Fußgänger haben hier zudem ausgesprochen viel Raum auf den sehr breiten Gehwegen. Es bleibt also die Frage, warum es im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf offenbar kein ernsthaftes Bestreben gibt, den Kurfürstendamm neu zu ordnen.

Im einem Gespräch mit der ENTWICKLUNGSSTADT Redaktion im Juni 2021 betonte auch Oliver Schruoffeneger, Verkehrsstadtrat des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf, dass es längst Pläne für ein neues, übergreifendes Verkehrskonzept für die City West gebe. Das Gespräch ist vier Jahre her, ein neues Verkehrskonzept für die City West wurde bislang nicht umgesetzt.

Immerhin soll es nun ein Verkehrskonzept für den Breitscheidplatz geben – zumindest wurde dies öffentlich angekündigt, aber das ist auch bereits mehrfach der Fall gewesen. Ob das Konzept auch tatsächlich umgesetzt wird, steht noch in den Sternen. Bezirksbürgermeisterin Kirstin Bauch (Die Grüne) möchte den unschönen Status Quo mit provisorischen Pollern endlich auflösen.

Der Kurfürstendamm hat das Potenzial zum Leuchtturm-Projekt

Wie groß allein das Image-Potenzial ist, auf dem Kurfürstendamm ein modernes und ausgewogenes Mobilitätskonzept umzusetzen, scheint in der Berliner Politik noch nicht ganz angekommen zu sein, unabhängig von den positiven, ökologischen Auswirkungen.

Der Kurfürstendamm könnte also zu einem Leuchtturmprojekt der Berliner Mobilitätswende werden. Und ganz nebenbei könnte man zudem die Sicherheit vieler Verkehrsteilnehmer erhöhen. Allein dafür würde sich ein Umbau doch schon lohnen. Verkehrssenatorin Ute Bonde scheint jedoch andere Ziele zu verfolgen.

Der Kurfürstendamm ist eine der bekanntesten Straßen Berlins – und zugleich ein gefährlicher Ort für Radfahrer. Trotz Platz im Überfluss fehlt bis heute ein durchgehender Radweg – warum eigentlich? / © Foto: IMAGO, Collage: ENTWICKLUNGSSTADT

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