Gut gemacht ist er, der Podcast „Obsessed: Döner Papers“ zur vergnüglichen Suche nach dem Erfinder des Döner-Logos – nur etwas effekthascherisch. 233 Minuten, also fast vier Stunden Laufzeit hätte es vielleicht nicht unbedingt gebraucht. Ebenso wenig die wiederkehrenden ehrfurchtheischenden Verweise auf wahlweise zwei, drei oder vier Jahre Recherche. Zwischen den ersten Anrufen der Reporterin Aylin Doğan und dem Erscheinen des Podcasts am Mittwoch hat das vierköpfige Team (hoffentlich) auch an anderen Themen gearbeitet.
Wie immer dem sei, ironisch ist zweierlei: Erstens wurde ein Hauptergebnis der XXL-Recherche des BR vor einem Monat vom Youtuber „Kannemilsch“ vorweggenommen: In einem knackigen dreiminütigen Video deckte er auf, dass das Logo auf so ziemlich allen Dönerverpackungen gar keinen Urheber im engeren Sinne hat. Niemand hat es gezeichnet, zumindest nicht auf einem weißen Blatt. Stattdessen nutzte jemand eine Bildvorlage aus dem sogenannten Letraset-System: Ein Koch mit Rollbraten – minus Rollbraten, plus Dönerspieß, Messer, Teller.
Zweitens kommen praktisch alle Protagonisten der Geschichte, die aus Bayern recherchiert wurde und in ganz Deutschland amüsiert verfolgt wird, aus Düsseldorf. Zunächst verlief die Recherche des „FAZ“-NRW-Reporters Jonas Jansen im Sande, worüber er 2020 einen viel beachteten Artikel schrieb. Im April nahm der Düsseldorfer Youtuber „Kannemilsch“ den Ball auf (wir berichteten).
Und nun präsentiert der Podcast „Döner Papers“ auch den Mann, der die Collage anfertigte: Der Grafiker Mehmet Unay, inzwischen pensioniert, soll es gewesen sein. Ein weiterer Düsseldorfer.
Wahrscheinlich im Jahr 1987 habe er das Logo gebastelt, erzählt er, noch bevor er seine eigene Werbeagentur in der Birkenstraße in Flingern gründete. Ein Auftrag unter vielen, wahrscheinlich ein Handzettel für irgendeinen Imbiss, mit minimalem Budget. Ein Stündchen Arbeit, maximal. Eher weniger. Er sagt: „Es war nicht unsere Absicht, ein berühmtes Logo zu machen. Der Auftrag war ein Lückenfüller.“ Sein Sohn Göksu Unay betont: „Das war Beiwerk, gar nicht als Logo gedacht. Eine von vielen Illustrationen für ein Werbemittel. Solche Dinger sind hundertfach in der Woche entstanden.“
Endgültig beweisen lässt sich die Urheberschaft von Mehmet Unay nicht, die BR-Reporterin Aylin Doğan sagt im Podcast: „Er weiß einfach von zu vielen Details, als dass die Geschichte ausgedacht sein könnte.“ Unay selbst sieht das Logo auch nicht wirklich als seine Schöpfung an, zumal den Schriftzug „DÖNER KEBAB“ später jemand anderer hinzugefügt habe. „Innerlich“ sei er durchaus stolz, sagt Unay. Und doch: „Ich würde nie mit Stolz sagen: Das ist meine Zeichnung. Der Erfolg gehört mir nicht.“
Kandidat 2: Mehmet Tançgil
Letzteres sieht auch ein anderer Düsseldorfer so: Orhan Tançgil ist gelernter Druckvorlagenhersteller, Kochbuch-Autor und gemeinsam mit seiner Frau Orkide Betreiber von „Koch dich Türkisch“ in Flingern. In einem neuen Video von „Kannemilsch“ erzählt er „die GANZE Geschichte des Döner-Logos“.
Orhan Tançgil betont darin die Rolle seines Vaters Mehmet, der 1979 als Ausgründung der Fluggesellschaft Ufo eine Druckerei gegründet hatte – die erste türkische in Deutschland. In der Bismarckstraße nahe des Hauptbahnhofs, nur wenige Gehminuten vom Restaurant Saray am Worringer Platz, das als erstes und zunächst auch einziges in der Stadt Döner Kebab anbot.
Das habe sich aber sehr bald geändert, überall seien Dönerbuden aus dem Boden geschossen – übrigens aus Notwehr, weil nach dem sogenannten „Lummer-Erlass“ jedem Gastarbeiter, der seinen Job verlor, die Abschiebung drohte. Entsprechend viele retteten sich in die Selbstständigkeit. Und entsprechend viele Dönerbuden wollten mit Werbematerialien versorgt werden: „Aber dafür brauchten wir eine Illustration – und die gab es nicht als Vorlage.“ Auf seinem Blog schreibt Tançgil: „Der typische Pizza-Bäcker den es auf jeder Pizza-Schachtel gibt, war schon integriert in Deutschland, sowie die Max & Moritz-Illu für das Grillhähnchen. Ein Dönermann fehlte.“
In der Druckerei der Familie sei Mehmet Unay angestellt gewesen, bestätigt Orhan Tançgil. Das fragliche unter den diversen Döner-Logos habe seiner Erinnerung nach aber jemand anders gezeichnet, sagt er. Und zwar der Chef höchstpersönlich, sein Vater. Das habe ihm dieser bestätigt, als er ihm am Krankenbett den „FAZ“-Artikel zeigte. Wenige Wochen später, am 4. August 2020, starb Mehmet Tançgil. Dessen Sohn ist sich ziemlich sicher, dass er den halbrunden Schriftzug über das Logo legte – und dass es erstmalig von Yede-Gör genutzt wurde, bevor es seinen Siegeszug antrat.
Zwischen Mehmet Unay und Orhan Tançgil gibt es keinen großen Streit. Tançgil hätte sich bloß sehr gefreut, wenn Mehmet Unay seinen Vater erwähnt hätte. Aber wer letztlich wann was zum ikonischen Logo beitrug, ist beiden nicht so furchtbar wichtig. Sie freuen sich über ein Stück Gastro-Geschichte, das in die Popkultur einging: Branding für ein Stück deutsch-türkische Fusion Kitchen.