Berlin – Der Krieg in der Ukraine geht weiter. Allen Bemühungen des Westens zum Trotz. Neue Vermittlungsversuche für einen Frieden will der Kreml im Keim ersticken – und stellt sich auf einen neuen Standpunkt: Die Invasion sei Privatsache!

Auch interessant

Anzeige

Auch interessant

Anzeige

Anton Kobjakow (56), einer der Berater von Kreml-Chef Wladimir Putin, erklärte jetzt auf einem Internationalen Rechtsforum in Sankt Petersburg, der Ukraine-Krieg sei – rechtlich gesehen – ein „interner Vorgang“, weil die Sowjetunion nie aufgehört habe, zu existieren.

„Das Verfahren zur Auflösung der UdSSR im Jahr 1991 wurde verletzt, was bedeutet, dass die Sowjetunion rechtlich immer noch existiert“, sagte Kobjakow. Der Sowjetkongress habe sie 1922 gegründet – und nur er hätte sie demnach wieder auflösen können. Und: Auch die damalige Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik (SSR) habe Vereinbarungen über das Ende der Sowjetunion ratifiziert, was „überhaupt nicht in deren Zuständigkeit lag“.

Lesen Sie auch

Eine Lesart der Geschichte, die Putin allem Anschein nach teilt. Er bezeichnete den Zerfall der UdSSR öffentlich als größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts, will die Grenzen von vor 1991 wiederherstellen.

„Putin will uns mit eigenen Werten schlagen“

Hinter Kobjakows Behauptungen könnte deshalb ein perfider Gedanke stecken: Wenn die Ukraine aus Kreml-Sicht nach wie vor zu Russland gehört, könnte Moskau alle westlichen Vermittlungsversuche künftig als Einmischung oder sogar als Verletzung der russischen Souveränität ablehnen. Moskau beriefe sich also auf das Völkerrecht. Ausgerechnet!

Anton Kobjakow (56) berät Kreml-Herrscher Wladimir Putin seit 2014 – damals begann der Krieg im Donbass

Anton Kobjakow (56) berät Kreml-Herrscher Wladimir Putin seit 2014 – damals begann der Krieg im Donbass

Foto: picture alliance / press.media

„Das ist eine Nebelkerze“, sagt der Sicherheitsexperte und Politikwissenschaftler Christian Mölling zu BILD. Der Kreml argumentiere „mit einer Kategorie – dem Völkerrecht, an die er sich selbst nicht hält“. Niemand im Westen werde diese Lesart der Geschichte akzeptieren. „Man versucht, uns mit unserem eigenen Wertesystem zu schlagen.“

Was Kobjakow dem Experten zufolge aber bewusst verschweigt: Das Kreml-Märchen ist zutiefst widersprüchlich!

▶︎Denn: Wenn die Ukraine noch immer russisch ist, warum dann erst die vier annektierten Regionen (Donezk, Luhansk, Saporischschja, Cherson) und die Krim-Halbinsel per Vertrag zum russischen Staatsgebiet erklären? Mölling ergänzt: „Es wäre Staatsterrorismus, seine Armee gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen.“

Sicherheitsexperte und Politikwissenschaftler Christian Mölling (52) vom European Policy Centre (EPC) in Brüssel

Sicherheitsexperte und Politikwissenschaftler Christian Mölling (52) vom European Policy Centre (EPC) in Brüssel

Foto: Privat

Dennoch halten Experten vom US-Institut für Kriegsstudien (ISW) Kobjakows Aussagen für ein unheilvolles Signal – nicht nur mit Blick auf die Ukraine. Denn: Der Kreml stellt damit das Existenzrecht aller früheren Sowjetstaaten infrage und signalisiert: Russland wird westliche Einmischungsversuche in seine „internen Angelegenheiten“ nicht länger hinnehmen.

Ein deutlicheres „Njet“ zu Frieden ist kaum vorstellbar.

Teaser-Bild

Foto:

Christian Mölling ist Sicherheitsexperte, Politikwissenschaftler und Buchautor. Seit April 2025 ist er Berater am European Policy Centre (EPC) in Brüssel. Er war bis 2024 Vize-Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin und Leiter des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung. Bis März 2025 leitete er zudem das Programm „Europas Zukunft“ der Bertelsmann Stiftung.