Blutiges Messer auf Steinboden, daneben eine Zahl der Spurensicherung

Bild: Victoria Bee/ Shutterstock.com

Messerattacken erschüttern Deutschland, zuletzt am Freitag in Hamburg. Die Angst wächst, der Ruf nach Lösungen wird lauter. Doch welche Maßnahmen greifen? (Leserdebatte)

Es sind Szenen des Schreckens, die sich am Freitagabend am Hamburger Hauptbahnhof abspielen. Gegen 18 Uhr zückt eine Frau auf dem vollbesetzten Bahnsteig zwischen Gleis 13 und 14 plötzlich ein Messer und sticht wahllos auf Reisende ein.

„Ich habe Schreie gehört, dann sind die Leute nur noch gerannt“, berichtet eine schockierte Augenzeugin später. Auf dem Bahnsteig spielen sich dramatische Szenen ab, Menschen werfen sich zu Boden oder fliehen in Panik. Mutige Passagiere stürzen sich schließlich auf die Angreiferin und überwältigen sie.

18 Menschen werden bei dem Angriff verletzt, sechs davon schwer, vier sogar lebensgefährlich. Die Einsatzkräfte sind mit einem Großaufgebot vor Ort, der Bahnhof wird teilweise gesperrt. Die Polizei nimmt die Täterin, eine 39-jährige Deutsche, fest. Sie habe widerstandslos aufgegeben, heißt es. Hinweise auf ein politisches Motiv gibt es nicht, die Frau habe wohl unter psychischen Problemen gelitten.

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Doch so singulär die Tat auf den ersten Blick erscheint: Tatsächlich reiht sie sich ein in eine ganze Serie von Messerangriffen, die Deutschland in den letzten Monaten heimgesucht haben. Da ist der Fall von Aschaffenburg im Januar, als ein 28-jähriger Afghane in einem Park ein Kleinkind und dessen Betreuer ersticht und drei weitere Menschen schwer verletzt. Auch er war psychisch krank, offenbar schuldunfähig.

Immer wieder neue Fälle von Messerattacken

Oder die Attacke in einer Münchner U-Bahn-Station im März: Ein Mann verletzt drei Passanten mit einem Messer, einen davon schwer. Die Polizei schließt ein terroristisches Motiv aus, spricht von einem psychisch labilen Einzeltäter. Nur Tage später ein ähnlicher Fall in einer Hamburger S-Bahn: Zwei Menschen werden bei einem Messerangriff schwer verletzt, die Ermittler gehen von einer Beziehungstat aus.

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Mitte Mai dann schockiert der Fall eines 13-jährigen Schülers in Berlin die Öffentlichkeit. Er sticht in seiner Schule mit einem Messer auf einen Mitschüler ein, lebensgefährlich. Die Hintergründe: unklar. Es sind Taten, die fassungslos machen in ihrer brutalen Sinnlosigkeit. Und es sind Taten, die Gesellschaft und Politik zunehmend unter Handlungsdruck setzen.

Die Vorgängerregierung von Olaf Scholz reagierte auf die Gewaltwelle mit gezielten Gesetzesverschärfungen. Nach dem Attentat von Solingen beschloss die Ampelkoalition ein Maßnahmenpaket: schärfere Waffengesetze, Messerverbote auf Volksfesten und Großveranstaltungen, mehr Befugnisse für Ermittler im Kampf gegen Islamismismus.

Scholz warnte bis zuletzt vor Panikmache

Gleichzeitig warnte Scholz vor Panikmache und gesellschaftlicher Spaltung. Integration und Prävention seien ebenso wichtig wie Repression. Der Union warf er vor, wichtige Sicherheitsgesetze aus parteitaktischen Gründen zu blockieren.

Unter Friedrich Merz: härterer Kurs

Unter der neuen Regierung von Friedrich Merz kündigt sich nun ein härterer Kurswechsel an. Der CDU-Kanzler sieht in den eskalierenden Messerattacken das Symptom jahrelanger Versäumnisse in der Asyl- und Migrationspolitik. „Wir haben viel zu lange weggeschaut und uns in Illusionen gewiegt“, wetterte Merz nach der jüngsten Gewalttat in Hamburg. Es herrsche eine „Kultur der Vertuschung und Verharmlosung“.

Merz hatte Scholz immer wieder kritisiert

Merz, der die Scholz-Regierung als Oppositionsführer immer wieder für einen laschen Umgang mit Kriminalität von Zuwanderern kritisiert hatte, will nun durchgreifen. Er fordert eine massive Verschärfung des Asylrechts bis hin zu einem Einreiseverbot für Menschen ohne Papiere. Ausreisepflichtige Straftäter sollen konsequent abgeschoben, Abschiebehaft und Grenzkontrollen ausgeweitet werden. „Unser Staat muss wehrhaft sein gegen diejenigen, die Schutz suchen, aber Gewalt säen“, so Merz.

Tat in Hamburg Ergebnis der Politik der vergangenen Jahre?

Für ihn ist auch die jüngste Bluttat am Hamburger Hauptbahnhof Beleg für eine „fatale Entwicklung“ der letzten Jahre. Obwohl es im konkreten Fall bislang keine Hinweise auf einen Migrationshintergrund oder islamistische Motive gibt, sieht Merz ein „allgemeines Klima der Verrohung und Desintegration“, dem man „mit der ganzen Härte des Rechtsstaats“ begegnen müsse.

Der Kurswechsel der Bundesregierung dürfte die Debatte um Sicherheit und Migration in den kommenden Monaten befeuern. Während die Scholz-Regierung noch auf punktuelle Verschärfungen und gesellschaftlichen Zusammenhalt setzte, fordert Merz eine grundsätzliche Abkehr von der bisherigen Asylpolitik. Kritiker warnen, dass eine Rhetorik der Härte und Abschottung die Spaltung der Gesellschaft nur weiter vorantreiben könnte.

Eskalierende Messergewalt schafft ein Dilemma

Tatsächlich stellt die eskalierende Messergewalt die Politik vor ein Dilemma. Denn so schockierend die Einzelfälle sind: Ein klares Muster ist kaum zu erkennen. Neben Tätern mit Migrationshintergrund und islamistischen Motiven stehen psychisch kranke Einzeltäter ohne erkennbare politische Agenda. Oft scheint blanker Wahn, nicht kalte Berechnung hinter der Gewalt zu stecken.

Umso wichtiger werden Konzepte, die über bloße Repression hinausgehen: bessere Integration und psychologische Betreuung, entschlossene Prävention und Deradikalisierung. Auch die Sicherheitsarchitektur und Einsatztaktik bei Angriffen im öffentlichen Raum stehen auf dem Prüfstand. Wachpolizei und Sicherheitspersonal an Bahnhöfen sollen aufgestockt werden.

Recht auf schnelle Antworten und besseren Schutz

Doch all das wird Zeit brauchen. Die Opfer der Gewalt haben ein Recht auf schnelle Antworten und konsequenten Schutz. Der Staat muss in der Lage sein, seinen Bürgern die Gewissheit zu geben, dass sie sicher sind in Bahnen und auf öffentlichen Plätzen. Sonst droht die Stimmung weiter zu kippen.

Die Gefahr einer Gewaltspirale, befeuert von Angst, Misstrauen und Populismus, ist real. Gerade deshalb ist es wichtig, dass Politik und Gesellschaft einen kühlen Kopf bewahren. Pauschale Schuldzuweisungen und reflexhafte Forderungen nach Grenzschließungen werden ebenso wenig helfen wie das Herunterspielen eklatanter Integrationsprobleme.

Es braucht entschlossenes, aber besonnenes Handeln. Eine klare Benennung der Probleme, aber auch differenzierte Lösungen. Vor allem aber braucht es einen gesellschaftlichen Grundkonsens, der auch in aufgeheizten Zeiten trägt: Null Toleranz für Gewalt – aber auch null Toleranz für Hetze und Ausgrenzung.