Terminüberschneidungen gehören zum Hauptstadtalltag wie die Hollandaise zum Spargel. Das macht aber gar nichts, wenn man einen Festredner wie Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) eingeladen hat, der mit Verspätungen beim gesetzten Dinner spielerisch und humorvoll umgehen kann.

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Zum traditionellen Spargelessen der Berliner Pressekonferenz am Donnerstagabend begrüßte deren Vorsitzender Thomas Klein jetzt die Senatoren Christian Gaebler, Iris Spranger (beide SPD), Ute Bonde, Stefan Evers und die Präsidentin des Abgeordnetenhauses Cornelia Seibeld (alle CDU) zunächst in Abwesenheit, da sie alle noch in einer Sitzung saßen und erst nach und nach eintrudelten.

Die früheren Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und Walter Momper, der Vorstandsvorsitzende der Gasag-Gruppe, Georg Friedrichs, der Verleger des Wirtschaftsmagazins Berlin BoXX, Frank Schmeichel, Filmproduzentin Alice Brauner und die Vorsitzende des Vereins der Pressesprecher, Andrea Bishara saßen da schon fest auf ihren Plätzen.

Klatschen Sie ruhig für Ihre Senatoren.

Hendrik Wüst

„Sie müssen großes Vertrauen in Ihre Fraktion haben“, begrüßte Wüst augenzwinkernd den früh schon anwesenden Fraktionsvorsitzenden der SPD, Raed Saleh, und ermutigte nach und nach alle Spätkommenden, doch am vorderen Tisch Platz zu nehmen mit dem Hinweis an die pünktlichen Gäste: „Klatschen Sie ruhig für Ihre Senatoren.“  

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Mit dem Gasometer auf dem Schöneberger Euref-Campus hatte Gastgeber Thomas Klein diesmal nach Jahren im Hotel eine der heißesten Adressen der Saison gebucht und dazu feinen Spargel vom Altmeister unter den Berliner Küchenstars, Thomas Kammeier, servieren lassen. Selbst altehrwürdige Traditionen lassen sich im Location-Dorado Berlin optimieren.

Gefährdete Meinungsfreiheit

Die schöne Rundumsicht auf alle Teile Berlins und die Möglichkeit, auch draußen an der frischen Luft zu parlieren, lenkte auf Dauer nicht ab von den ernsten Gesprächsthemen, die Klein angesichts vieler „sehr bedenklicher Entwicklungen“ angeregt hatte.

Vor dem Gasometer. Begrüßungsoptik zum Spargelessen der Berliner Pressekonferenz.

© Elisabeth Binder

Die Arroganz der Macht bei gewählten Volksvertretern nahm er ebenso ins Blickfeld, wie die bedeutsame Aufgabe der Journalisten beim Kampf um die Demokratie, gerade auch im Hinblick auf die Meinungsfreiheit, die durch Hass, Hetze, Lügen und Täuschung im Netz zunehmend herausgefordert wird.

Kinderschutz vor Datenschutz

Wüst gab sich nach einem turbulenten Tag entspannt und zuversichtlich, auch im Hinblick auf die Arbeit der noch jungen Bundesregierung und die Stabilität, die er gewährleistet sieht. Man könne den Staats- und Regierungschefs nicht vorwerfen, dass sie versuchten, Donald Trump an Bord zu halten: „Man müsste sie kritisieren, wenn sie’s nicht täten.“

Er sprach dann über die Themen Wirtschaft, Sicherheit und Bildung und dass die Menschen spüren müssten, dass sich etwas bessert: „Mit Ambition und Akzeptanz zusammen bewegt man Dinge.“ Dass dem Staat inzwischen selbst die Bürokratie zu viel werde, lasse hoffen. Wenn sich die Realität verändere, müsse man Prinzipien hinten anstellen, zum Beispiel bei der Verfolgung von Pädokriminalität: „Kinderschutz geht vor Datenschutz.“

Merz im Roten Rathaus bei Kai Wegner

Angesichts der großen Zahl von Schulkindern, die der deutschen Sprache nicht mächtig seien, gestand er aber auch ein: „Was wir tun, ist zu langsam und zu wenig.“ Den Hauptgang musste Wüst sich dann entgehen lassen, da ungefähr zeitgleich der deshalb hier verhinderte Regierende Bürgermeister Kai Wegner im Roten Rathaus Parteikollegen und Bundeskanzler Friedrich Merz und Ministerpräsidenten zum Abendessen empfing.

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Mit den Worten „Wenn der Kai nicht hierherkommt, muss ich zum Kai“, verabschiedete Wüst sich aus luftigen Höhen auf den Berliner Erdboden. Zurück ließ er beim Smalltalk den Eindruck, wohl doch Kanzler der Herzen zu werden.

Nach drei Stunden intensiven Austauschs verabschiedeten sich die ersten Gäste ohne weitere Verpflichtungen. Andere blieben, um weiterzureden. Dafür mag es auch einen kulinarischen Grund gegeben haben. Auf der Karte war an Stelle eines Desserts eine zünftige mitternächtliche Berliner Currywurst versprochen worden.