Nicht nur Jürgen Kasek ist ungeduldig. Er ist zwar kein Stadtrat mehr, nutzt aber im Namen der Leipziger Naturschutzverbände die Gelegenheit, in der Ratsversammlung Einwohneranfragen zu stellen und nachzuhaken, wenn ihm die Antworten der Verwaltung nicht genügen. Nur war am 21. Mai in der Ratsversammlung niemand da, der ihm fachlich hätte Rede und Antwort stehen können. Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal hatte sich krankgemeldet. Aber es ging trotzdem um ein hochaktuelles Thema: das Entwicklungskonzept für die Elsteraue.

Sehnsüchtig warten nicht nur die Ratsfraktionen darauf, dass ihnen das Auenentwicklungskonzept endlich vorgelegt wird, damit sie wissen, was in der Elsteraue alles umgebaut werden muss, damit die Flüsse dort wieder zu naturnahen Flüssen werden und der Auwald wieder genügend Wasser bekommt.

„In der letzten Stadtratslegislaturperiode hatte der Stadtrat ein Auenentwicklungskonzept beschlossen. 2024 wurde dann der Rahmen für ein Naturschutzgroßprojekt beschlossen“, merkte Jürgen Kasek in seiner Einwohneranfrage an.

„Gleichzeitig wurde die Aussage getroffen, dass die Renaturierung des Elsterbeckens im Rahmen des Auenentwicklungskonzepts betrachtet werden soll und die ersten Grundzüge des AEK für die Nordwestaue im ersten Quartal 2025 vorliegen sollen. Dies ist auch bedeutsam, da sich derzeit auch das WTNK in Fortschreibung befindet.“

Ein Teil des Auenentwicklungskonzeptes ist sogar schon fertig, hatte das Amt für Stadtgrün und Gewässer auf Kaseks Anfrage hin schriftlich mitgeteilt.

„Im August 2024 konnte das Auenentwicklungskonzept für die Elster-Luppe-Aue (Nordwestaue) abgeschlossen werden“, konnte man da lesen. „Am Konzept für den zweiten Teilraum, die Elster-Pleiße-Aue (Südaue), wird intensiv gearbeitet. Aktuell werden Lösungsansätze für die ökologische Entwicklung der Südaue mit einer Vielzahl an Akteuren, wie Fachbehörden, Verbände und Nutzer, erörtert.

Die Ergebnisse dieser Akteursbeteiligung werden in das Entwicklungsziel für den Teilraum einfließen, das im nächsten Schritt erarbeitet wird. Die Fachstellen des Landes sind eng in die Konzepterstellung eingebunden, die begleitenden hydraulischen Modellierungen werden zudem in enger Kooperation mit der Landestalsperrenverwaltung ausgeführt.

Das Auenentwicklungskonzept für die Elster-Pleiße-Luppe-Aue (Gesamtaue) soll bis Ende 2025 abgeschlossen und anschließend der Ratsversammlung zum Beschluss vorgelegt werden.
Im Rahmen des Auenentwicklungskonzepts für die gesamte Elster-Pleiße-Luppe-Aue werden Entwicklungsperspektiven für das Elsterbecken bearbeitet.“

Tief eingegraben als künstlicher Kanal: die Nahle. Foto: Ralf JulkeTief eingegraben als künstlicher Kanal: die Nahle. Foto: Ralf Julke

Was natürlich Kaseks Frage folgen ließ, wie realistisch denn der Termin Ende 2025 wäre. Aber stellvertretend für den abwesenden Umweltbürgermeister bestätigte OBM Burkhard Jung, dass der Termin wohl stehe. Dass also das Warten bald ein Ende haben wird und die Öffentlichkeit endlich erfährt, wie die Umgestaltung der Elsteraue aussehen kann.

Wie steht es um die Förderung für das Naturschutzgroßprojekt?

Denn das hat ja direkt mit dem Naturschutzgroßprojekt in der Nordaue zu tun, wo die Städte Leipzig und Schkeuditz kooperieren. Aber sie können dort auch nur das umsetzen, was auch im Auenentwicklungskonzept steht.

„Die Städte Leipzig und Schkeuditz haben im August 2024 einen Förderantrag für ein Naturschutzgroßprojekt zur Revitalisierung des Leipziger Auensystems beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) und dem sächsischen Umweltministerium (SMUL) eingereicht. Das SMUL hat die Antragsteller im Februar 2025 informiert, dass der Antrag geprüft und zwischen den beiden Zuwendungsgebern abgestimmt wird. Die Projektförderung steht zudem unter dem Vorbehalt der bestätigten öffentlichen Haushalte im Land und im Bund“, erläuterte das Amt für Stadtgrün und Gewässer.

Was natürlich die nächste Nachfrage nach sich zog: Was passiert dann aber, wenn beispielsweise der Freistaat kein Geld gibt? Immerhin habe sich ja – so Kasek – die politische Zusammensetzung im Landtag geändert. Sei die Stadt da dann wenigstens mit der zuständigen Landesbehörde, der Landestalsperrenverwaltung, im Kontakt?

Das sei nicht nur ein Kontakt, so Burkhard Jung. Umweltdezernat und Landestalsperrenverwaltung seien im regen Austausch. Anders gehe es gar nicht.

Kollidiert das WNTK mit der Auenentwicklung?

Das Amt für Stadtgrün hatte noch betont, dass die Aufgabe sehr herausfordernd sei: „Im Gebiet des Leipziger Auwaldes treffen vielfältige und zum Teil sehr verschiedene Zielsetzungen aufeinander. Ein zentraler Bestandteil der ersten Projektphase des Naturschutzgroßprojekts ist die Erarbeitung eines Pflege- und Entwicklungsplans, um die zum Teil widersprüchlichen Herausforderungen zu identifizieren und Lösungswege zu entwickeln.“

Aber Kasek hatte ja auch noch wissen wollen, ob das Auenentwicklungskonzept nicht mit einem der Lieblingsprojekte des Umweltdezernats kollidiert, dem sogenannten Wassertouristischen Nutzungskonzept (WTNK), mit dem vor allem die touristische Nutzung der Leipziger Gewässer vorangetrieben wird.

Aber das Amt für Stadtgrün und Gewässer sah da kein Problem: „Im Zuge der Umweltprüfung der WTNK-Fortschreibung wurde fachgutachterlich bewertet, welche Auswirkungen die WTNK-Einzelprojekte sowie die prognostizierte Zunahme der Bootsnutzung auf den Gewässern im Wirkraum des AEK auf die Umsetzung der einzelnen bislang bekannten Szenarien zur Auenentwicklung haben können. Weiterhin wurde bewertet, ob dadurch die angestrebte Redynamisierung der Aue eingeschränkt werden würde.

Im Ergebnis der Bewertung wird eingeschätzt, dass eine Vereinbarkeit der Fortschreibung des WTNK mit der Zielsetzung des AEK gegeben ist. Ein Konflikt oder eine Behinderung der Entwicklungsziele des AEK besteht nicht.“

Freilich könne es passieren, dass einige Bausteine aus dem WTNK zurückgebaut werden müssten, wenn sie der Auenentwicklung im Weg stehen. Das Amt für Stadtgrün und Gewässer dazu: „Je nach Umsetzungszeitpunkt und -szenario des AEK bestehen bei Bedarf Handlungsoptionen, die Einzelprojekte zurückzubauen bzw. räumlich zu verlegen. Im Wirkraum des AEK sind dies Kanu-Fisch-Pässe/Umtrageeinrichtungen an Wehren, Ein-/Ausstiegsstellen, Bootsanleger, Rast-/BIWAK-Plätze. Bei der wassertouristischen Bootsnutzung werden ggf. Anpassungen von Bootskursen und von Nutzungsregelungen wie bspw. zeitliche Befahrungsverbote erforderlich.“

Ein Punkt, an dem Kasek hellhörig wurde. Denn das war ja eine ganze Liste von Wasserbauten, die nun auf dem Prüfstand stehen, weil sie möglicherweise der Auenrevitalisierung im Weg sind.

Mehr oder weniger fragte Kasek also nach, ob das ernst gemeint sei?

Und Burkhard Jung bestätigte das. Genaueres aber wird man wohl wirklich erst erfahren, wenn das Auenentwicklungskonzept zum Jahresende vorgestellt wird.

Das Amt für Stadtgrün und Gewässer wich bei der Frage zu solchen Konfliktbauten in seiner schriftlichen Antwort erst einmal aus: „Zu beachten ist, dass die Entscheidung, ob ein im WTNK berücksichtigtes Einzelprojekt in die Umsetzung gelangt, nicht durch das WTNK und seine Beschlussfassung getroffen wird. Für das jeweilige Vorhaben liegen Planung, Genehmigung, Umsetzung und Finanzierung der Einzelprojekte in der Verantwortlichkeit des jeweiligen Projektträgers. Im Ergebnis der WTNK-Umweltprüfungen werden jedoch Hinweise für die nachfolgende Zulassungs- und Genehmigungsebene formuliert.“

Das kann spannend werden, wenn die eine oder andere wassertouristische Nutzung tatsächlich der Auenrevitalisierung im Wege steht. Wie die Stadt damit umgehen wir, ist noch nicht absehbar.