Berlin – Polizeipräsidentin Barbara Slowik Meisel sprach kürzlich im Innenausschuss von einem „schwarzen Wochenende“ bei der Polizei – 50 verletzte Beamte, 3 davon schwer. Ein Polizist, der anonym bleiben möchte, hat jetzt seine Gedanken über die zunehmende Gewalt aufgeschrieben. BILD dokumentiert seinen Brandbrief: Ein Plädoyer, das aufrüttelt.
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„Ich schreibe diese Zeilen nicht aus Zorn, sondern aus Verzweiflung. Nicht als Funktionär (der Gewerkschaft der Polizei – Anm. der Redaktion), sondern als Mensch. Als Berliner Polizist. Als einer von Tausenden, die jeden Tag auf den Straßen dieser Stadt stehen und sich fragen, wie lange sie das noch können. Wir schützen diese Gesellschaft – aber wer schützt uns?
Ich habe meinen Beruf gewählt, um Menschen zu helfen, Leben zu retten, Sicherheit zu geben. Doch immer häufiger kämpfe ich nicht nur für andere, sondern ums eigene Überleben. Mein Kollege, der in Neukölln mit einem Messer verletzt wurde, ist kein Ausnahmefall, sondern ein weiteres verstörendes Kapitel in einer langen Reihe von Gewalt gegen uns Einsatzkräfte.
Kaum ein Tag vergeht, an dem Berliner Polizisten in Berlin nicht körperlich angegriffen und beleidigt werden
Foto: Christophe Gateau/dpa
Silvester 2023: Raketen prasselten auf unsere Einsatzwagen. Wir wurden beschimpft, bespuckt, gejagt. 125 dokumentierte Angriffe auf Polizei und Feuerwehr in einer Nacht – das ist keine Statistik, das sind Menschen. Kollegen, die blutend in Krankenwagen lagen, manche mit bleibenden Schäden. Beim ‚Köpi‘-Einsatz flogen Pflastersteine, Flaschen, Hass. 46 Verletzte. Die körperlichen Wunden heilen – der Vertrauensverlust bleibt.
Polizisten immer wieder Ziel von Angriffen
Und das sind keine Ausnahmen mehr: 2023 wurden allein in Berlin über 2600 Polizistinnen und Polizisten tätlich angegriffen. Das sind mehrere Attacken – an jedem einzelnen Tag.
Was bleibt? Betroffenheit-Bekundungen. Pressemitteilungen. Schweigen. Aber Schweigen heilt keine Wunden. Und warme Worte schützen keine Wirbelsäule, wenn man am Boden liegt. Wir brauchen Konsequenzen. Klare Urteile. Schnellere Verfahren. Schärfere Gesetze. Mehr Rückhalt. Von Politik, von Justiz – und von der Gesellschaft, für die wir jeden Tag den Kopf hinhalten.
Barbara Slowik, Polizeipräsidentin in Berlin am Rande einer Kundgebung am 1. Mai
Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa
„Wenn der Staat nicht reagiert, bröckelt das Vertrauen“
Ein Angriff auf einen Polizisten ist ein Angriff auf den Rechtsstaat. Und wenn der Staat nicht reagiert – klar, schnell und unmissverständlich –, dann bröckelt das Vertrauen. Dann wächst das Gefühl, dass wir allein sind. Im Stich gelassen. Von genau denen, die uns Rückhalt versprechen.
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Ich will nicht, dass meine Kinder mich irgendwann fragen: ‚Warum wirst du gehasst, wenn du hilfst?‘ Ich will nicht, dass noch mehr Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus aufwachen und sich fragen: ‚Wofür riskiere ich mein Leben, wenn sich niemand mehr schützend vor mich stellt?‘
Wir tragen die Verantwortung – ja. Aber wir tragen sie nicht mehr still. Und nicht mehr allein.“