Das EU-Parlament hat die Immunität des AfD-Abgeordneten Petr Bystron aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft München wirft Bystron vor, in einem Beitrag auf der Plattform X Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet zu haben. Er hatte dort 2022 eine Fotocollage mit mutmaßlichen Hitlergrüßen gepostet. ZEIT ONLINE hatte vor einem Jahr berichtet, dass deswegen ein Strafbefehl gegen Bystron verhängt worden war, gegen den er sich gewehrt hatte. Bystrons Anwalt hatte die Vorwürfe gegen seinen Mandanten zurückgewiesen, das Ermittlungsverfahren sei „juristischer Unfug“.
Im Juli 2024 hätte Petr Bystron in der Sache eigentlich vor dem Amtsgericht München erscheinen müssen. Doch das Verfahren war ausgesetzt worden, weil Bystron im vergangenen Jahr in das EU-Parlament gewählt worden war. Mit der heutigen Entscheidung kann das Strafverfahren nun wieder aufgenommen werden.
Die Justiz hat gerade viel Arbeit mit Bystron: Im EU-Parlament läuft noch ein zweites Immunitätsverfahren. Die Generalstaatsanwaltschaft München will wegen mutmaßlicher Korruption und Geldwäsche gegen ihn ermitteln. Petr Bystron wird vorgeworfen, Bargeld aus dem Umfeld des prorussischen Portals Voice of Europe angenommen zu haben. Mit seinem Einzug in das EU-Parlament erhielt er auch in diesem Fall parlamentarische Immunität, das Verfahren ruhte ebenfalls. Anfang April soll der Rechtsausschuss nach Informationen von ZEIT ONLINE auch in diesem zweiten Fall darüber abstimmen, ob die Immunität Bystrons aufgehoben werden soll.
Bisher nicht öffentlich bekannt ist außerdem ein drittes Verfahren: Nach Informationen von ZEIT ONLINE hat die Generalstaatsanwaltschaft München Ende 2024 ein Vorprüfungsverfahren gegen den AfD-Abgeordneten eingeleitet. Sie geht dem Verdacht nach, dass sich Bystron des Betrugs schuldig gemacht haben könnte. Das EU-Parlament soll den Antrag auf Aufhebung der Immunität Bystrons in diesem dritten Fall voraussichtlich noch diese Woche verkünden und in den Rechtsausschuss überweisen.
Bystron beschäftigte seine Partnerin als Mitarbeiterin im Abgeordnetenbüro
Die Ermittlungen im letzteren Fall gehen auf eine Recherche von ZEIT ONLINE zurück. Sie hatte aufgedeckt, dass Bystron in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter seinen privaten Rechtsanwalt und seine private Reinigungskraft jahrelang über die Mitarbeiterpauschale des Parlaments bezahlt hatte. Mehrere Hunderttausend Euro könnten so zweckentfremdet worden sein. Bystron erklärte, die Ermittlungen seien „konstruiert“ und ein „Ablenkungsmanöver“, dass „zu einer Blamage für die Staatsanwaltschaft führen“ werde.
Auch nach seinem Wechsel aus dem Bundestag ins Europaparlament im Juni 2024 scheint Bystron Privates mit Beruflichem vermischt zu haben: Einige Monate lang beschäftigte der AfD-Politiker seine Partnerin Magdalena Martina B. als Mitarbeiterin in seinem Parlamentsbüro in Brüssel. Zur gleichen Zeit bewohnte er mit B. noch ein Haus am Wannsee in Berlin und war gemeinsam mit ihr in einem Luxusfitnessclub in Brüssel angemeldet. Noch im Januar 2025 reisten beide zusammen nach Washington und Wien, wo B. als Bystrons „wife“ und „future first lady“ vorgestellt wurde. Fotos der Reisen und eine Mitgliederübersicht des Fitnessclubs liegen vor.
© Lea Dohle
Newsletter
Was jetzt? – Der tägliche Morgenüberblick
Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt.
Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement.
Die Berichterstattung von ZEIT ONLINE führte dazu, dass Parlamentarier und Bürger die Verwaltung des EU-Parlaments aufforderten, gegen diesen mutmaßlichen Missbrauch vorzugehen. Denn nach den Regeln des Parlaments ist es nicht erlaubt, dass Abgeordnete „ihre Ehegatten oder festen nicht ehelichen Lebenspartner“ einstellen. Familienangehörige ersten Grades dürfen nicht als Mitarbeiterinnen beschäftigt werden. Die Verwaltung prüfte darauf hin, ob ein Verstoß gegen die Parlamentsregeln vorliegt.
Magdalena Martina B. beendete ihre Tätigkeit für ihren Partner Bystron und erhielt einen neuen Job: Seit November 2024 arbeitet sie in der Finanzabteilung der EU-Fraktion Europa der Souveränen Nationen (ESN), in der sich einige rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien zusammengeschlossen haben, darunter die AfD. In ihrer neuen Funktion verdient Magdalena Martina B. laut internen Unterlagen rund 4.000 Euro. Sowohl Petr Bystron als auch Magdalena Martina B. widersprachen dieser Darstellung auf Nachfrage.
Ex-Mitwirkender von „Voice of Europe“ nun in Bystrons Büroteam
Ende vergangenen Jahres fing ein weiteres bekanntes Gesicht als Bystrons Mitarbeiter im EU-Parlament an: Marc Dassen, früher Redakteur beim rechtsextremen und kurzzeitig verbotenen Compact-Magazin. Dassen arbeitete zuvor schon für Bystron im Bundestag. Während dieser Zeit war er parallel als freier Journalist für das prorussische Portal Voice of Europe aus Prag tätig. Aus dessen Umfeld soll Bystron nach Ermittlungen des tschechischen Geheimdiensts 20.000 Euro in bar erhalten haben. Bystron bestreitet das. Die EU verhängte vor fast einem Jahr Sanktionen gegen Voice of Europe, nachdem die Verbindung der Website nach Russland aufgeflogen war.
Marc Dassen bestreitet auf Nachfrage, jemals bei Voice of Europe „beschäftigt“ gewesen zu sein. Er habe dort unentgeltlich Korrekturen und Übersetzungen vorgenommen. Allerdings findet sich unter seinem Namen ein früheres Autorenprofil mit zehn Artikeln, die bei Voice of Europe erschienen sind. Im Quelltext dieser Profilseite war zudem Dassens Foto verknüpft. Dassen sagt, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass ihn Voice of Europe als Autor bezeichnet habe.
Dassen ist nicht der einzige extrem rechte Medieninfluencer, den Bystron eingestellt hat. Anfang Februar 2025 fing Bernadette Conrads als Mitarbeiterin in Bystrons Büro an. Conrads bestätigte auf Anfrage, dass sie dort die „Stelle Medien und Kommunikation“ leite. Die Österreicherin kommt aus dem Umfeld der rechtsextremen Identitären Bewegung, hat für die FPÖ kandidiert und für einen FPÖ-Nationalratsabgeordneten gearbeitet. Schon lange ist sie in der extrem rechten Medienszene aktiv. Conrads leitete die mittlerweile insolvente rechtsextreme Zeitung Wochenblick und gründete Anfang 2023 den FPÖ-nahen Blog Der Status. Auch in einem Videotalk von Bystron war Conrads Ende 2024 zu Gast. Kurz nachdem Bernadette Conrads beim Status ausgeschieden war und in Bystrons EU-Büro angefangen hatte, erschien auf ihrem früheren Blog ein Artikel über Bystrons Arbeit im Parlament. Darüber prangte eine bezahlte Anzeige mit Bystrons Konterfei.
Mitarbeit: Martín Steinhagen