Es war die mittlerweile recht bekannte Mietwucher-App, die die Linksfraktion im Bundestag nach dem Vorbild der Stadt Frankfurt aufgesetzt hatte, um den Mietwucher in Deutschlands Großstädten endlich mit Zahlen zu erfassen. Mietwucher ist zwar gesetzlich verboten. Das stand selbst schon 1872 so im Gesetz. Aber der entsprechende Paragraph 5 im Wirtschaftsgesetz ist ein zahnloser Tiger. Die zahlreichen Rückmeldungen zum Mietwucher auch in Leipzig machen das deutlich.

Weshalb zuerst die Grünen-Fraktion im Januar einen Antrag schrieb, der die Stadt aufforderte, Mietwucher konsequent zu verfolgen. Was auch in Leipzig bisher so nicht passiert ist. Das war bislang stets Aufgabe der Mieter selbst, sich zum Beispiel beim Mieterverein beraten zu lassen und dann selbst aktiv zu werden gegen den Vermieter.

Wenn der sich stur stellte, blieb eine Klage vor Gericht. Was aber kaum jemand gemacht hat. Denn gerade die Mieter, die von Mietwucher betroffen sind, haben in der Regel das Geld nicht und auch die Kraft nicht.

Das mag bei Gutverdienern anders sein, die dann schnell mal bei ihrem Rechtsanwalt anrufen.

Aber auch das Leipziger Sozialamt unterschätzte die Fallzahl. Es gab ja den Mietspiegel, gegen den einige Leipziger Vermieter schon seit Jahren Sturm laufen, weil der nun einmal die Datengrundlage zur Ermittlung einer regulären Miete ist.

Es gibt den Mietverein, bei dem man für eine Jahresgebühr Mitglied werden kann. Und ansonsten schien es ja recht still am Mietmarkt. Mieter, die um jeden Euro kämpfen müssen, sind nicht laut. Im Gegenteil. Sie sind meistens in Schockstarre, weil die Mieterhöhung meist genau das Geld auffrisst, das fürs Monatsende gebraucht wird.

Freiwillige Aufgabe? Irrtum!

Und so wurde die Diskussion am 21. Mai in der Ratsversammlung sehr erhellend. Angefangen mit der Wortmeldung von CDU-Stadtrat Falk Dossin, der die Stadt überhaupt nicht in der Pflicht sehen wollte, gegen Mietwucher vorgehen zu müssen.

Falk Dossin (CDU) im Leipziger Stadtrat am 21.05.25. Foto: Jan Kaefer

Was vielleicht mit einer Formulierung aus der Stellungnahme des Sozialamtes zu tun hatte, die den letztlich von Grünen, Linken und SPD gemeinsam verfassten neuen Antrag sogar begrüßte. Da hieß es nämlich: „Die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz ist eine Weisungsaufgabe, welche der Oberbürgermeister in eigener Zuständigkeit erledigt. Eine Zuständigkeit des Stadtrates ist nicht gegeben. Im Verwaltungsstandpunkt wird beschrieben, wie der Oberbürgermeister die Aufgabe umsetzt. Zudem wird sich der Oberbürgermeister für eine Vereinfachung bundesrechtlicher Regelungen einsetzen.“

Was wohl für Dossin so klang, als wäre es eine freiwillige Aufgabe, wenn sich die Stadt auch noch um Mietwucher kümmert.

Da hatte er wohl gleich mehreres falsch verstanden. Und so klärte Sozialbürgermeisterin Dr. Martina Münch auch darüber auf, warum auf einmal von Bußgeldern die Rede ist. Denn wenn die Stadt eine Anzeige zu Mietwucher bekommt und sich der Tatbestand bestätigt, ist das eine Ordnungswidrigkeit.

Auf Ordnungswidrigkeiten muss die Stadt reagieren. In der Regel werden dann Bußgelder verhängt und der Verursacher wird aufgefordert, den Verstoß gegen das geltende Recht einzustellen. Hält er sich nicht dran, kann es zur Anzeige als Strafbestand kommen. Dann landet der Vermieter vor Gericht.

Pia Heine (SPD) im Leipziger Stadtrat am 21.05.25. Foto: Jan Kaefer

Dass die Stadt das Thema schlicht nicht gesehen hatte, belegen die Zahlen. Bis 2024 gab es nur eine einzige Anzeige wegen Mietwucher. Als aber die Linkspartei die Mietwucher-App freischaltete, gab es allein in Leipzig über 800 Anzeigen zu – wahrscheinlichem – Mietwucher.

Hier muss man das Wort wahrscheinlich verwenden, denn natürlich muss das Sozialamt nun überprüfen, ob das auch so zutrifft. Wenn es zutrifft, gibt es Bußgeldbescheide an die Vermieter.

Und es ist eben keine freiwillige Aufgabe, wie Münch betonte. Weshalb im Sozialamt auch sofort eine Stelle eingerichtet wurde, die sich mit der Verfolgung des Mietwuchers beschäftigt.

Mietwucher, der vor allem deshalb funktioniert, weil Leipzig nun seit Jahren schon einen angespannten Wohnungsmarkt hat, Menschen mit kleinem Einkommen zunehmend Probleme haben, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Oder ihre Wohnung weiter zu bezahlen, wenn die Miete unzulässig erhöht wird.

Denn natürlich nutzen die Schwarzen Schafe unter den Vermietern die Wohnungsnot schamlos aus. Das zeigt ja die Mietwucher-App. Dieselben Probleme gibt es in Frankfurt und Freiburg, wo die Stadtverwaltungen schon reagiert haben. Leipzig ist kein Einzelfall.

Weshalb auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Weickert völlig falsch lag, als er nun behauptete, die eher linke Ratsmehrheit sei schuld, dass in Leipzig keine Wohnungen mehr gebaut würden.

Tobias Peter (Bündnis 90 / Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 21.05.25. Foto: Jan Kaefer

Dem widersprachen sowohl SPD-Stadträtin Christina März als auch Dr. Elisa Gerbsch (Die Linke) und Dr. Tobias Peter (Grüne). Gerade mit der stadteigenen LWB versucht die Stadt alles, um neuen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Allein schon vor dem Hintergrund der vielen Diskussionen im Stadtrat um den sozialen Wohnungsbau war Weickerts Wortmeldung im besten Fall heiße Luft.

Die Kommunen brauchen ein besseres Gesetz

Wichtig war Gerbsch und Peter freilich auch, dass der Oberbürgermeister nun als neu gewählter Präsident des Deutschen Städtetages auch im Bund aktiv wird, die kommunale Zugriffsmöglichkeiten bei Mietwucher zu stärken. Denn bis jetzt ist der § 5 – so SPD-Stadträtin Pia Heyne – „ein zahnloser Tiger“.

„Der Oberbürgermeister ergreift eine Initiative beim Deutschen Städtetag und der Bundesregierung mit dem Ziel die Anwendung von § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStrG) zu vereinfachen und dafür die Nachweispflicht für die Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen zu streichen sowie den Bußgeldrahmen zu erhöhen“, heißt es im gemeinsamen Antrag von Grünen, Linken und SPD, der am 21. Mai dann doch zur Abstimmung kam, nachdem der Verwaltungsstandpunkt mit 28:28 Stimmen nicht die nötige Mehrheit bekommen hatte.

Der Verwaltungsstandpunkt hatte zwar bestätigt, dass der größte Teil der Forderungen schon Verwaltungshandeln ist – eben auch, weil die Kommune handeln muss, wenn ihr über 800 Anzeigen auf Mietwucher auf den Tisch flattern.

Aber die Stadtratsmehrheit stimmte dann doch lieber für den gemeinsamen Antrag von Linken, Grünen und SPD, der dann mit 29:21 Stimmen bei neun Enthaltungen auch angenommen wurde.