Wer die Ausstellung betritt, wird von drei Werken Christine Schlegels empfangen, die auf einen Blick einladen in ihren vielfältigen künstlerischen Kosmos. So zum Beispiel das wandfüllende Gemälde „Das verlorene Paradies“ aus dem Jahr 2013: Intensive Rottöne, am unteren Bildrand eine rauchende Frau mit klassischem Herrenhut, weiter oben scheint eine zweite, nackte Frau auf einer Art Wolke zu schweben.
„Die Surrealität, mit der Christine Schlegel Dinge miteinander verknüpft, begrüßt einen also auf den ersten Blick“, sagt Kuratorin Carolin Quermann bei MDR KULTUR und verweist dabei auf das Collagenhafte, das letztlich allen Arbeiten der Künstlerin innewohnt – seien es die Bilder, die Zeichnungen oder auch die Filme.
Nonkonforme Kunst in der DDR
„Der Kern der Collage ist das Öffnen von Möglichkeitshorizonten“, so Quermann. „Alles kann auch anders sein und alles lässt sich verändern und ich bin diejenige, die es verändern kann als Künstlerin und das war zu DDR-Zeiten für Christine Schlegel ein Befreiungsschlag erster Güte, die Dinge in Bewegung zu bringen.“
Mitte der 1970er-Jahre, während ihres Malereistudiums an der Dresdner Kunsthochschule, waren es Collagen, Montagen und Übermalungen, mit denen sich Christine Schlegel damals frei schwamm vom Dogma des sozialistischen Realismus. Wichtige Impulse erhielt sie ab 1983 bei der vom absurden Theater inspirierten freien, nonkonformen Künstlergruppe SUM.
Inspiriert von Performance-Kunst
Sie war mittendrin in deren wilden Performances in Helge Leibergs Atelier. Es entstanden dementsprechend expressive Zeichnungen. Eine Auswahl zeigt die Ausstellung. Das war auch die Zeit, als Christine Schlegel zur Kamera griff und begann, mit Super-8-Film zu experimentieren.
Ihre Filme sind komplexe Gebilde, abstrakte künstlerische Auseinandersetzung mit der Materialität, für die sie ausgediente Filmstreifen zerkratzt und bemalt hat. Es waren Aufnahmen von Performances der Tänzerin Fine Kwiatkowski, mit der Christine Schlegel über Jahre eng zusammenarbeitete.
Eine Verbindung von Aktionskunst, Malerei und Film
„Diese neuen Filmbilder hat sie dann einer nächsten Aktion auf Fine Kwiatkowski projiziert, so dass wir ihre Malerei auf dem Körper von Fine Kwiatkowski wiederfinden“, erläutert Carolin Quermann, „also eine Verdreifachung, des eigenen filmischen Schaffens, was sie dann wieder ins Malerischen übertragen hat.“
Es ist eine komplizierte Verflechtung, die man im Bild „Fine in Projektion“, noch einmal versuchen kann, nachzuvollziehen. Das dritte Gemälde in diesem Bunde ist wiederum ein Selbstbildnis, entstanden 1986, als Christine Schlegel nach West-Berlin ausgereist war.
Ausreise nach West-Berlin
Eine große Verletzlichkeit spricht daraus: Ihr linkes Auge hält die Figur zwischen ihren Fingern. Entblößt und ungeschützt musste sie offenbar sich selber und auch die Welt neu sehen lernen. Ihre Filme allerdings kannte man damals auch dort und so konnte sie künstlerisch daran anknüpfen. Inzwischen liegen diese alle digitalisiert vor.
Mit den 8-mm-Stills hat Christine Schlegel kürzlich wieder gearbeitet, erzählt die Künstlerin: „Ich habe die auf Hahnemühlen-Papier drucken lassen und es sieht unglaublich aus, wie eine Aquatinta oder wie der wahnsinnigste Druck, den man mühsam erzeugen kann und das Tolle ist einfach, dass ich da wieder hinein collagiert habe und reingemalt habe. „Also ich habe nochmal einen richtigen Kreativschub gehabt mit 74.“
In der Städtischen Galerie Dresden werden diese aktuellen Arbeiten nicht gezeigt, aber Christine Schlegels Filme zumindest kann man sich im integrierten Kinoraum ansehen. Den Schwerpunkt bilden aber ihre Gemälde, Zeichnungen und grafischen Arbeiten. Es ist lediglich eine Auswahl aus fast 50 Jahren ihres künstlerischen Schaffens.
Die Malerei als Abenteuer
„Das Malen ist für mich ein unglaubliches Abenteuer, weil ich ja nicht etwas konzipiere und es dann abmale“, so erklärt Schlegel den Reiz der Malerei. „Wenn man am Ende die Bilder anguckt und sieht, da ist etwas, was wirklich aus dem Unterbewusstsein kommt drin, was ich am Ende gar nicht so formulieren hätte können, was aber sich in das Bild reingeschlichen hat und das empfinde ich als ein großes Abenteuer.“
Ich habe nochmal einen richtigen Kreativschub gehabt mit 74.
Christine Schlegel
Die Schau in der Städtischen Galerie ist zudem nicht die einzige mit Werken von Christine Schlegel: Mit „Malerei – mein Abenteuer“ ist auch eine weitere Jubiläumsausstellung in Dresden überschrieben, in der Galerie Kunstausstellung Kühl, der Christine Schlegel seit vielen Jahren verbunden ist. In einer kleinen Sonderschau im Albertinum zu Aktionskünstlerinnen in der DDR ist die Dresdner Künstlerin ebenso mit Werken vertreten.