Russland und die Ukraine haben übereinstimmenden Angaben zufolge den bisher größten Gefangenenaustausch seit Kriegsbeginn fortgesetzt. Beide Seiten hätten am Samstag jeweils 307 Menschen freigelassen, hieß es aus Moskau und Kyjiw.

Überschattet wurde das Ereignis von einem schweren russischen Luftangriff in der Nacht zuvor: Dabei feuerte Russlands Armee ukrainischen Angaben zufolge insgesamt 250 Drohnen und 14 ballistische Raketen auf das Nachbarland ab. Alleine in der Hauptstadt Kyjiw wurden mindestens 15 Menschen verletzt.

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„Weitere Verteidiger der Ukraine sind zu Hause“, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Nachrichtendienst Telegram über den jüngsten Gefangenenaustausch. Dazu veröffentlichte er Fotos, auf denen teils sehr abgemagerte, aber erleichtert wirkende Männer mit blau-gelben Nationalflaggen um die Schultern zu sehen waren.

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Selenskyjs Angaben zufolge handelt es sich bei den Rückkehrern vor allem um Angehörige von Armee, Grenzschutz und Nationalgarde. Es sollen außerdem Männer darunter sein, die in den ersten Kriegsmonaten im Frühjahr 2022 die mittlerweile von Russland besetzte Hafenstadt Mariupol verteidigt hatten.

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Moskau veröffentlichte seinerseits Fotos, die die freigelassenen Russen zeigen sollen. Die Männer posierten in Militäruniformen, mit mehreren russischen sowie einer sowjetischen Fahne. „Willkommen zurück, Jungs!“, schrieb das Verteidigungsministerium in einem Social-Media-Beitrag. Die Russen wurden demnach zunächst in die verbündete Diktatur Belarus gebracht, die auch an die Ukraine grenzt.

Austausch soll am Sonntag fortgesetzt werden

Damit sind seit Freitag insgesamt rund 1400 Menschen in ihre Heimat zurückgekehrt, 600 weitere sollen am Sonntag noch folgen.

Der Deal war vor rund anderthalb Wochen bei Gesprächen zwischen einer russischen und einer ukrainischen Delegation in Istanbul vereinbart worden. Seit Beginn der von Kremlchef Wladimir Putin angeordneten Vollinvasion vor mehr als drei Jahren haben die beiden Kriegsparteien zwar immer wieder Gefangene ausgetauscht – allerdings nie so viele auf einmal wie jetzt. Neben Soldaten sollen auch Zivilistinnen und Zivilisten freigekommen sein.

Insbesondere für die freigelassenen Ukrainerinnen und Ukrainer ist das ein großes Glück, denn Russlands Gefängnisse sind für Folter und Schikanen berüchtigt. Erst vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass die in russischer Haft ums Leben gekommene ukrainische Journalistin Viktoria Roschtschyna allem Anschein nach schwer misshandelt wurde.

Ein Foto des Verteidigungsministeriums in Moskau zeigt russische Soldaten nach ihrer Freilassung.

© dpa/Uncredited

Entsprechend groß war die Erleichterung deshalb auch am Samstag wieder, als die Busse mit den Freigelassenen an Bord auf ukrainischem Staatsgebiet einfuhren. Medien und Behörden veröffentlichten Videos von völlig überwältigten Menschen, die sich unter Tränen in die Arme fallen.

Eine Frau zeigt freigelassenen ukrainischen Soldaten das Foto eines vermissten Angehörigen.

© dpa/Efrem Lukatsky

Auf einer Aufnahme ist zu sehen und zu hören, wie ein junger Mann mit kahlgeschorenem Kopf offenbar zum ersten Mal seit langer Zeit seine Mutter anruft: „Mama, ich lebe!“, spricht er in ein Mobiltelefon. „Ich habe euch vermisst. Bald bin ich wieder zuhause.“

Waffenruhe weiter in großer Ferne

Zugleich waren die Verhandlungen in Istanbul, zu denen Putin nur eine niederrangige russische Delegation geschickt hatte, weit hinter den Forderungen der Ukraine und anderer europäischer Staaten nach einer bedingungslosen Waffenruhe zurückgeblieben.

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Istanbul sei ein „sehr, sehr kleiner Schritt auf einem sehr, sehr langen Weg“ gewesen, sagt auch der Friedens- und Konfliktforscher Jonas Driedger dem Tagesspiegel in einem Interview.

Auch von einer Liste mit Friedensbedingungen, die Moskau Kyjiw nach Abschluss des großen Gefangenenaustauschs vorlegen will, erwartet der Wissenschaftler vor allem eines: ein erneutes Vortragen der russischen Maximalforderungen, die faktisch einer Kapitulation der Ukraine gleichkämen.