Nichts ist schwerer zu erzeugen als Leichtigkeit. Ein forcierter Scherz verschenkt seine Wirkung, ein übertriebener Witz kann peinlich werden, unterspielen sollte man auch nicht. Das sind die Fallen einer so überdreht aktiven, Pointen reihenden opera buffa wie Gaetano Donizettis „L’elisir d’amore“. Und weil die Oper eine Liebesgeschichte ist, muss auch Sinn fürs Zwischenmenschliche bewiesen werden. Das Ensemble des Gärtnerplatztheaters tut das, trifft beim Repertoire-Dauerbrenner den richtigen Ton zwischen Komik und Romanze und lässt so sein Publikum auf die Füße springen.

Mitgerissen wird es schon vom Setting. Regisseur Dirk Schmeding belässt die Handlung zwar in einem comichaft bunten Fantasie-Italien (Bühne: Martina Segna), in dem statt der Sonne ein Zitrone strahlt, aber die Figuren orientieren sich in Kleidung und Bewegungslust an der Disco-Ära der Siebziger. Adina ist auch hier die reiche Pächterin auf dem Lande, begeistert Nemorino aber auch mit Föhnwelle, langen Beinen und ihrem Million-Dollar-Lächeln. Als „reich und launisch“ wird sie in der Partitur beschrieben, Jennifer O’Loughlin reichert das an mit dem ihr eigenen Bühnencharisma.

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Dass sich der einfache Landmann Nemorino in sie verguckt hat, ist plausibel, sie kann auch schön singen. O’Loughlins Sopran ist rund, beweglich und bringt die Luft mit mühelosen Koloraturen zum Sirren, zum ersten Mal in einer glitzernden Arie vom Liebestrank der Königin Isolde. Spitzentöne braucht sie nur anzutippen, um sie wie Pfeile durch den Raum schnellen zu lassen.

Nemorino hat neben so viel weiblicher Energie zunächst wenig Strahlkraft. Matteo Ivan Rašić, der Rollenerfahrung hat, gibt sich unbedarft bis verklemmt, darstellerisch anfangs etwas steif, was sich im Laufe des Abends löst – das restliche, bestens aufgelegte Ensemble färbt ab. Stimmlich ist der junge Sänger ohnehin von der ersten Note an präsent, mit markigem, in der Höhe schimmerndem, biegsamem Tenor, der ganz ohne Anschleifen oder andere Manierismen auskommt. Gegen Ende der Oper wird er mit dem Evergreen „Una furtiva lagrima“, expressiv und stimmschön aufgeführt, das Publikum zum Jubeln bringen.

Bis es soweit ist, muss indes noch einiges passieren. Ein Nebenbuhler in Unterhosen schwebt an einer Wäscheleine in die Szenerie: Belcore, imposante Gestalt, mehr oder weniger hochdekorierter Militär, umtänzelt von seinen Slapstick-Soldaten, die immer für Bewegung auf der Bühne sorgen, wenn sonst nicht so viel passieren würde. Gespielt wird er in der Premiere von Matija Meić, der dem Sergeant seine erzene, weit vibrierende Stimme leiht. Ein ernstzunehmender Konkurrent für Nemorino also, der seine Probleme gelöst wähnt, als der Wunderheiler Dulcamara aus einem großen Fernseher springt.

Levente Páll (li.) sieht als Dulcamara aus wie Elvis mit Schnauzbart, Jennifer O’Loughlin als Adina teils nach Disco-Ära. Begleitet werden sie in den Rezitativen vom Gitarren-Amor Pedro Aguiar.Levente Páll (li.) sieht als Dulcamara aus wie Elvis mit Schnauzbart, Jennifer O’Loughlin als Adina teils nach Disco-Ära. Begleitet werden sie in den Rezitativen vom Gitarren-Amor Pedro Aguiar. (Foto: Marie-Laure Briane)

Dulcamara, der Bittersüße, seit jeher die vielleicht interessanteste Figur unter den sonst recht transparenten Komödien-Protagonisten, ist hier kein Arzt. Eher ein Alleinunterhalter, der nach Elvis in der Spätphase aussieht (sofern dieser einen Schnauzer getragen hätte). Mit schmierigem Charme und präzis leichtfüßigem basso buffo überzeugt Levente Páll die Dörfler. Diesem Mann kauft man alles ab, auch fragwürdig leuchtende Flüssigkeiten. Und das, obwohl er leicht bekleidete Blondinen als Werbemittel einsetzt. Das kann man überholt finden. Im Dienste des Klamauk wird es akzeptiert.

Denn nach tieferliegenden Botschaften sollte man hier nicht graben. Schmedings Inszenierung zielt auf den gut getimten Lacher, auf schöne, bunte Bilder und überraschende Details. Die Rezitative begleitet etwa ein sympathischer, mit Amor-Flügeln ausgestatteter Gitarrist (Pedro Rogério Aguiar Silva). Und beim Barcarola-Duett, mit dem Dulcamara die Dorfgesellschaft im zweiten Akt unterhalten möchte, ist die kapriziöse Adina drauf und dran, den singenden Quacksalber mit seinem Mikrofon zu vermöbeln. Das wäre schade, denn die beiden ergänzen sich auf lebendige Weise, was Michael Balke hier wie auch sonst durch so aufmerksames wie sprudelndes Dirigat anfeuert.

Wenn dann am Ende wirklich alle glücklich sind, Nemorino seine Adina, Dulcamara sein Geld und Belcore seine Soldaten hat, kennen die Premierengäste kein Halten mehr. Das Publikum, schon vorher großzügig mit Szenenapplaus, lässt das Ensemble kaum von der Bühne. Man zeigt Dankbarkeit für einen Opernabend, der knallte wie eine Konfetti-Kanone.